Einen Erklärungsansatz, den ich zur Erklärung dieses Paradoxon sehr interessant finde, liefert das Konzept der shifting baselines. Shifting baselines (sich verschiebende Grundlinien) beschreiben das Phänomen, dass sich Menschen sukzessive an Veränderungen (i.e. Verschlechterungen) gewöhnen und sie deshalb nicht zur Kenntnis nehmen. Uns fehlt bei Veränderungsprozessen ein Markierungspunkt, ab dem die Veränderung für uns manifest wird.
Verhaltensänderungen werden noch akzeptiert, solange sie zu unserem Referenzwert passen. Dass sich dieser Referenzwert immer weiter verschiebt, ist das eigentlich Dramatische dabei. Zuerst habe ich in der Scobel-Sendung am 17.05.2018 vom Konzept der shifting baselines gehört. (Minute 24:00 bis 25:49)
Geprägt wurde der Begriff wohl vom Meeresbiologen Daniel Pauly, der sich vor allem mit den Auswirkungen des Menschen auf die globale Fischerei beschäftigt. Wenn eine Art komplett ausstirbt - "so what? Es gab doch sowieso nur noch ein paar wenige Exemplare. Ist doch kein großer Verlust!" Dass diese Art erst im Laufe der Jahre immer seltener wurde, wird dabei aber übersehen.
(ab ca. Minute 4:20)