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Dienstag, 12. Mai 2020

Das gute Leben (III): Harari über das Glück

Dieser kollaborativ im Rahmen des coronabedingten Online-Semesters verfasste Text fasst wichtige Aspekte des folgenden Buchkapitels zusammen:
  • Yuval Noah Harari: Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage; in: ders., Eine kurze Geschichte der Menschheit, bpb Bonn 2013, S. 458-483.
Wesentliche Erkenntnisse aus dem Kapitel
  • In den letzten Jahrzehnten wissenschaftliche Erforschung des Glücks über Fragebögen. Sozialwissenschaftler vergleichen Ergebnisse mit sozioökonomischen Faktoren.
  • Man geht also davon aus, dass das Glück ein subjektives Wohlbefinden ist und die Suche nach Glück die Suche nach bestimmten emotionalen Zuständen ist.
  • Geld macht bis zu einem gewissen Punkt glücklich: Wenn man sich keine Sorgen mehr um die Existenz machen muss. Luxus macht aber nicht glücklich.
  • Krankheit macht nur kurzfristig unglücklich. Sie macht dann langfristig unglücklich, wenn sie mit dauerhaften Schmerzen verbunden ist oder sich der Zustand verschlechtert.
  • Familie und soziales Netz haben großen Einfluss auf Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit, z.B. führt eine gute Ehe zu großer Zufriedenheit; das beeinflusst das Wohlbefinden mehr als Geld und Gesundheit.
  • Gesellschaftliche, ethische und spirituelle Faktoren haben weit größere Auswirkungen auf unser Glücksempfinden als unsere materiellen Umstände.
  • Glück hängt v.a.von subjektiven Erwartungen ab (z.B. verschlechterte Situation führt zu niedrigeren Erwartungen und das Level an Zufriedenheit bleibt in etwa gleich).
  • Deshalb machen Massenmedien (v.a. Internet) und Werbung unglücklich, denn sie führen zu unrealistischen Erwartungen, Beispiele: Jugendliche vergleichen sich mit Stars und Sportlern (statt mit eigenem Bekanntenkreis); Drittweltländer vergleichen sich mit Standards der ersten Welt.
  • "Lebenskunst": Wichtiger, mit dem zufrieden zu sein, was wir haben, als mehr von dem zu bekommen, was wir uns wünschen.
  • Biochemisches System als Schlüssel zum Glück: Glückshormone machen uns glücklich, wir können den diesbezüglichen genetischen Bedingungen nicht entkommen (in einem gewissen Rahmen gilt eine genetische Lotterie).
  • Medikamente/Drogen ermöglichen es, den biochemischen Haushalt zu manipulieren, den Serotoninspiegel anzuheben und dadurch (momentan) "glücklich" zu werden (im Sinne angenehmer körperlicher Empfindungen).
  • Serotonin, Dopamin und Oxytocin - sind die Glückshormone. Unser biochemisches System lässt nicht zu, dass es über ein bestimmtes Niveau nach oben oder unten ausschlägt und führt uns langfristig wieder zum Ausgangspunkt zurück. Die Stimmungs-Ausschläge schwanken in einem vorgegebenen (genetisch vorbestimmten) Ausschnitt.
  • Sinn des Lebens: Glück ist mehr als ein angenehmes Gefühl. Glück bedeutet, das Leben als Ganzes als sinnvoll und lohnend zu erleben (z.B. Hoffnung auf Leben nach dem Tod). Aber: Aus wissenschaftlicher Sicht hat das Leben überhaupt keinen Sinn. Jeder "Sinn" ist eine Illusion.
  • Nietzsche: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie“ (man muss sich also eine wirkungsvolle Illusion zurechtlegen, z.B. Religion).
  • Buddhismus, antike Philosophie - Erkenne dich selbst: Glück ist weder eine subjektive Empfindung, noch hängt es vom Lebenssinn ab. Glück bedeutet im Gegenteil, keinen subjektiven Empfindungen (un/angenehme Empfindungen) und keinen Illusionen nachzujagen. Subjektive Empfindungen sind bloß vorübergehende Schwingungen die, wenn wir ihnen zu viel Bedeutung beimessen, Besitz von uns ergreifen und immer Unzufriedenheit auslösen. Ziel: Gleichmut, innere Ruhe. Die ‘Jagd’ nach subjektiven Empfindungen ist die Ursache des Leids.

Donnerstag, 7. November 2019

Klimawandel und Nationalismus

In einem TED-Dialog nach der Veröffentlichung von "Homo Deus" spricht Yuval Noah Harari über die Herausforderungen der modernen globalen Gesellschaft. Hierbei erklärt er diverse Zusammenhänge und Verknüpfungen zwischen diesen großen Herausforderungen.

Er beschreibt, dass eine sehr enge Korrelation zwischen Nationalismus und Klimawandel besteht. Klimawandelleugner stehen oft für nationalistische Werte. Diese Korrelation wirkt zunächst überraschend. Die Antwort ist jedoch offensichtlich: Nationalismus kennt keine Antwort auf die Klimakatastrophe.

Wer also nationalistische Ideologien im 21. Jahrhundert vertreten will, muss sich diesem Problem völlig verweigern. Wer den Klimawandel als Problem anerkennt, der muss multiple Loyalitäten akzeptieren, also neben der Loyalität zur Familie und Nation, welche von Nationalisten vertreten wird, ebenso die Loyalität zur Weltgesellschaft, welche weltweite Probleme auf einer globalen Ebene effizient bearbeiten kann.

Dienstag, 1. Oktober 2019

Wohin geht eigentlich all die Zeit, die wir sparen?

Jegliche Technik lockt uns mit dem Versprechen, an irgendeiner Stelle Zeit einzusparen. Ob es nun das neue Küchengerät ist, welches mühsames Schneiden von Gemüse erleichtert, das Navigationsgerät, welches die schnellste Route mit unserem ebenso möglichst schnellen Auto empfiehlt, oder überhaupt erst das Auto im Gegensatz zur Kutsche. Zeitersparnisse versprechen ebenfalls der schnellere neue Computer, das schnellere Smartphone oder die schnellste Internetverbindung.

Gerade im Bereich der Kommunikation ist das Tempo geradezu unbeschreiblich. Mit einer Email sparen wir im Vergleich zum Brief mehr als die Hälfte der Zeit, durch Instant-Messenger kann bei einer Kurznachricht kaum noch von Zeitaufwand gesprochen werden. Wenn wir also an allen Ecken und Enden unseres Tagesablaufes Zeit sparen, drängt sich doch geradezu die Frage auf, wo all diese Zeit hingeht? Denn obwohl wir Zeit im Überfluss gewinnen, kennt doch jeder das Gefühl der Zeitnot. Ist das nicht paradox?

Diese Frage wird in der folgenden Arbeit beantwortet werden. Hierfür wird die Erfahrung des modernen Lebens unter dem Aspekt der sozialen Beschleunigung betrachtet. Auf Basis der Überlegungen Hartmut Rosas wird die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne thematisiert, um zu zeigen, inwiefern die soziale Beschleunigung das spätmoderne Leben durchdringt, und um zu klären, ob die Beschleunigung in der modernen Gesellschaft fest verankert ist. Leitfrage dieser Arbeit ist, ob die Beschleunigung als prägendes Merkmal der Moderne gilt und inwiefern die spätmoderne Gesellschaft dem Autonomieversprechen der Moderne gerecht wird.

Hierfür werden zunächst die verschiedenen Arten der Beschleunigung sowie ihre Motoren definiert, bevor die Entschleunigung thematisiert wird, um zu betrachten, inwiefern sie einen Gegentrend zur Beschleunigung darstellt. Darauffolgend wird das Erleben der Moderne analysiert und überprüft, inwiefern dieses als Beschleunigungserfahrung charakterisiert werden kann. Hierbei wird die Entwicklung der Zeitstrukturen im Verlauf der Moderne betrachtet, ebenso wie die Rolle der Gesellschaft gegenüber dem Individuum. Abschließend wird kritisch betrachtet, ob die Erfahrung des spätmodernen Lebens dem Ideal des selbstbestimmten Lebens entspricht.

Montag, 9. April 2018

Kostenloser Nahverkehr - ein Weg zu nachhaltiger Mobilität in Deutschland?

''Wenn es darum geht, zwischen Wirtschaftswachstum und ökologischer Stabilität zu wählen, dann entscheiden sich Politiker, Unternehmensvorstände und Wähler fast immer für das Wachstum. Im 21. Jahrhundert werden wir das anders machen müssen, wenn wir eine Katastrophe vermeiden wollen'' (Harari 2017, S. 33f.).
Der eindrückliche Appell, den Yuval Noah Harari in seinem bahnbrechenden Werk ''Homo Deus'' an die Leserschaft richtet, hat den Verfasser dieser Seminararbeit in dem Verlangen bestärkt, sich eingehender mit nachhaltigen Entwicklungsprozessen zu beschäftigen.

In Deutschland scheint es unterdessen vor allem der Verkehrssektor zu sein, der Befürworter und Gegner eines nachhaltigen Wirtschaftens entzweit. Um die Luftqualität in zahlreichen Großstädten zu verbessern und drohende Fahrverbote für ältere, dieselbetriebene Autos zu umgehen, erwog die Bundesregierung kürzlich, das Konzept eines kostenlosen Nahverkehrs im Rahmen eines Pilotprojektes auf seine Wirksamkeit zu überprüfen (Decker, 2018). Als Modellstädte sind hierfür Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen vorgesehen (Decker, 2018).

Unmittelbar nachdem jener Vorschlag der Bundesregierung der Öffentlichkeit präsentiert wurde, regte sich gewaltiger Widerstand gegen das Vorhaben. Neben prinzipiellen Zweifeln an einer umweltschonenderen Mobilität durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder an der Wirksamkeit eines sinkenden Preisniveaus im Nahverkehr wird insbesondere die Befürchtung gehegt, dass eine Finanzierung des beschriebenen Bestrebens nicht realisierbar sei (Decker, 2018).

In Zusammenspiel mit den grundsätzlichen Aussagen Hararis führte die Vielzahl an konträren Positionen einem kostenlosen Nahverkehr gegenüber zu dem Bedürfnis, eine Analyse zu dessen Effektivität und Realisierungspotenzial zu betreiben. An diesen basalen Überlegungen wird sich die Gliederung der vorliegenden Seminararbeit orientieren. Nachdem einige zentrale Begriffe im Kontext nachhaltiger Verkehrsentwicklung definiert worden sind, wird zunächst darauf eingegangen, inwiefern die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel einer auf Nachhaltigkeit basierenden Mobilität grundsätzlich zuträglich ist. Anschließend soll das Potenzial, das durch einen Verzicht auf die Erhebung von Gebühren im Nahverkehr nutzbar gemacht werden könnte, erörtert werden. Schließlich wird die Möglichkeit einer Finanzierung des kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs kritisch in den Blick genommen.

Der Verfasser der Seminararbeit hat sich somit dazu entschlossen, eine ganzheitliche Betrachtung der Thematik vorzunehmen. Ausgehend von grundsätzlichen Gedankengängen (Begriffsdefinition, Mehrwert durch öffentliche Verkehrsmittel), die in der emotional aufgeladenen Debatte um Änderungen an der gängigen Mobilitätspraxis jedoch essentiell für ein substanzielles Verständnis sind, werden konkrete Ausgestaltungsmöglichkeiten und Erfolgschancen eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs aufgezeigt.

Dienstag, 24. Oktober 2017

Interview mit Yuval Noah Harari und zweiter Lesetipp aus dem SZ-Magazin 38/2017

Im SZ-Magazin Nummer 38 erschien ein Interview mit Yuval Noah Harari - liest sich schneller als ein ganzes Buch und gibt einen kleinen Einblick in seine Gedanken zur Zukunft der Menschheit. Der Autor Max Fellmann führte das Interview übrigens via Mail mit Harari, da dieser sich Bedenkzeit für seine Antworten erbat.

In dieser Ausgabe des SZ-Magazins ist noch ein zweiter Artikel, der sich mit dem Thema "Glück" auseinandersetzt: Eine Tochter schreibt über ihren Vater, der sich in seinem Berufsleben immer jeder Beförderung verweigert hat - und immer sehr zufrieden zu sein scheint -, was sie als Tochter lange nicht verstehen konnte. "Papas Glücks-Geheimnis" von Daniela Gassmann.

Montag, 23. Oktober 2017

Nachhaltigkeit als individualethische An- und Herausforderung

Eine Auseinandersetzung mit Kapitel 19 ("Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage") des Buches von Yuval Noah Harari "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Patrick Maisenhölder

Glaubt man Schillers akademischer Antrittsrede Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?, so ist die Geschichte ein Feld,
„das dem denkenden Betrachter so viele Gegenstände des Unterrichts, dem tätigen Weltmann so herrliche Muster zur Nachahmung, dem Philosophen so wichtige Aufschlüsse und jedem ohne Unterschied so reiche Quellen des Vergnügens eröffnet“ (Schiller 1789 / 2005, 21).
Auch Nietzsche geht davon aus, dass die Geschichte, zumindest richtig genutzt, „einer kräftigen Nahrung“ (Nietzsche 1874 / 2007, 186) gleicht, der man sich bedienen kann, um sich für die Jetztzeit und Zukunft zu stärken. Der hier kommentierte Harari könnte diese Reihe fortsetzend als ein zeitgenössischer Vertreter der Hervorhebung der Vorteile der Historie für das Leben betrachtet werden. Denn nachdem er eine negative Bilanz der Menschheitsgeschichte im Hinblick auf die Förderung des allgemeinen Glücks zieht (vgl. Harari 2013, 458-469), kommt er, nach einem Ausflug in die Biochemie (vgl. ebd., 470-475), zu dem Ergebnis, dass eigentlich nur so richtig das, was schon einmal war – religiöse Sinnstiftung (vgl. ebd., 476f.); philosophische Selbsterkenntnis (vgl. ebd., 478f.) oder buddhistische Gelassenheit (vgl. ebd., 480f.) – zum Glück und einem guten Leben führen.

Und es ist durchaus nicht von der Hand zu weisen. Die Geschichte hat einiges für die Gegenwart zu bieten – auch Antworten auf die Frage danach, was Glück eigentlich ist und wie ein gutes Leben aussieht. Gerade die griechische Antike und insbesondere der Hellenismus können dabei als gute Quellen dienen, aus denen man Ideen für Antworten auf solcherlei Fragen finden kann.

Aristoteles hat hierbei wohl eine der systematischsten Abhandlung über das gute Leben (eu zen) und die Glückseligkeit (eudaimonia) hinterlassen. Dabei ist sein Glücksverständnis von unserem heutigen Glücksverständnis, das oft recht einfach als „subjektives Wohlbefinden“ (Harari 2013, 463) definiert wird, recht weit entfernt. Denn für Aristoteles ist Glück „kein subjektives, privates Gefühl, sondern die Erfüllung einer Rolle, die uns von der kosmischen Ordnung vorgegeben sei“ (Rapp 2013, XII).

In seiner Nikomachischen Ethik heißt es dazu, dass Glückseligkeit „die Tätigkeit der Seele im Sinne der ihr wesenhaften Tüchtigkeit ist“ (Aristoteles, NE 1098a15). In einfachere Sprache übersetzt bedeutet das, dass der Mensch dann glückselig ist, wenn er seinem Wesen gemäß handelt. Da der Mensch, neben einem vegetativen Funktionssystem, auch ein zoon politikon, also ein politisches und Gemeinschaftswesen, und vor allem auch ein zoon logon echon, also ein sprach- und vernunftbegabtes Wesen ist, reicht es nach Aristoteles nicht aus, sich alleine der körperlichen Lust und den niederen Begierden hinzugeben, um Glückseligkeit zu erreichen. Vielmehr muss der Mensch einen guten Umgang mit seinen Mitmenschen pflegen, sich in der und für die Gemeinschaft einsetzen und sich gleichzeitig auch denkerisch betätigen – zusammengefasst: sich aktiv betätigen – um glückselig zu sein und letztlich überhaupt die Chance zu haben, ein gutes Leben führen zu können.

Um seinem Wesen zu entsprechen, ist deshalb die Ausbildung von Tugenden im Sinne von Grundhaltungen und Bereitschaften notwendig. Diese teilen sich, gemäß den verschiedenen Wesensbestimmungen des Menschen als einerseits Gemeinschafts- und andererseits Vernunftwesen, in dianoetische und ethische, also Verstandes- und Charaktertugenden (vgl. Masek 2011, 202).