Dienstag, 24. Oktober 2017

Interview mit Yuval Noah Harari und zweiter Lesetipp aus dem SZ-Magazin 38/2017

Im SZ-Magazin Nummer 38 erschien ein Interview mit Yuval Noah Harari - liest sich schneller als ein ganzes Buch und gibt einen kleinen Einblick in seine Gedanken zur Zukunft der Menschheit. Der Autor Max Fellmann führte das Interview übrigens via Mail mit Harari, da dieser sich Bedenkzeit für seine Antworten erbat.

In dieser Ausgabe des SZ-Magazins ist noch ein zweiter Artikel, der sich mit dem Thema "Glück" auseinandersetzt: Eine Tochter schreibt über ihren Vater, der sich in seinem Berufsleben immer jeder Beförderung verweigert hat - und immer sehr zufrieden zu sein scheint -, was sie als Tochter lange nicht verstehen konnte. "Papas Glücks-Geheimnis" von Daniela Gassmann.

Montag, 23. Oktober 2017

Nachhaltigkeit als individualethische An- und Herausforderung

Eine Auseinandersetzung mit Kapitel 19 ("Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage") des Buches von Yuval Noah Harari "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Patrick Maisenhölder

Glaubt man Schillers akademischer Antrittsrede Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?, so ist die Geschichte ein Feld,
„das dem denkenden Betrachter so viele Gegenstände des Unterrichts, dem tätigen Weltmann so herrliche Muster zur Nachahmung, dem Philosophen so wichtige Aufschlüsse und jedem ohne Unterschied so reiche Quellen des Vergnügens eröffnet“ (Schiller 1789 / 2005, 21).
Auch Nietzsche geht davon aus, dass die Geschichte, zumindest richtig genutzt, „einer kräftigen Nahrung“ (Nietzsche 1874 / 2007, 186) gleicht, der man sich bedienen kann, um sich für die Jetztzeit und Zukunft zu stärken. Der hier kommentierte Harari könnte diese Reihe fortsetzend als ein zeitgenössischer Vertreter der Hervorhebung der Vorteile der Historie für das Leben betrachtet werden. Denn nachdem er eine negative Bilanz der Menschheitsgeschichte im Hinblick auf die Förderung des allgemeinen Glücks zieht (vgl. Harari 2013, 458-469), kommt er, nach einem Ausflug in die Biochemie (vgl. ebd., 470-475), zu dem Ergebnis, dass eigentlich nur so richtig das, was schon einmal war – religiöse Sinnstiftung (vgl. ebd., 476f.); philosophische Selbsterkenntnis (vgl. ebd., 478f.) oder buddhistische Gelassenheit (vgl. ebd., 480f.) – zum Glück und einem guten Leben führen.

Und es ist durchaus nicht von der Hand zu weisen. Die Geschichte hat einiges für die Gegenwart zu bieten – auch Antworten auf die Frage danach, was Glück eigentlich ist und wie ein gutes Leben aussieht. Gerade die griechische Antike und insbesondere der Hellenismus können dabei als gute Quellen dienen, aus denen man Ideen für Antworten auf solcherlei Fragen finden kann.

Aristoteles hat hierbei wohl eine der systematischsten Abhandlung über das gute Leben (eu zen) und die Glückseligkeit (eudaimonia) hinterlassen. Dabei ist sein Glücksverständnis von unserem heutigen Glücksverständnis, das oft recht einfach als „subjektives Wohlbefinden“ (Harari 2013, 463) definiert wird, recht weit entfernt. Denn für Aristoteles ist Glück „kein subjektives, privates Gefühl, sondern die Erfüllung einer Rolle, die uns von der kosmischen Ordnung vorgegeben sei“ (Rapp 2013, XII).

In seiner Nikomachischen Ethik heißt es dazu, dass Glückseligkeit „die Tätigkeit der Seele im Sinne der ihr wesenhaften Tüchtigkeit ist“ (Aristoteles, NE 1098a15). In einfachere Sprache übersetzt bedeutet das, dass der Mensch dann glückselig ist, wenn er seinem Wesen gemäß handelt. Da der Mensch, neben einem vegetativen Funktionssystem, auch ein zoon politikon, also ein politisches und Gemeinschaftswesen, und vor allem auch ein zoon logon echon, also ein sprach- und vernunftbegabtes Wesen ist, reicht es nach Aristoteles nicht aus, sich alleine der körperlichen Lust und den niederen Begierden hinzugeben, um Glückseligkeit zu erreichen. Vielmehr muss der Mensch einen guten Umgang mit seinen Mitmenschen pflegen, sich in der und für die Gemeinschaft einsetzen und sich gleichzeitig auch denkerisch betätigen – zusammengefasst: sich aktiv betätigen – um glückselig zu sein und letztlich überhaupt die Chance zu haben, ein gutes Leben führen zu können.

Um seinem Wesen zu entsprechen, ist deshalb die Ausbildung von Tugenden im Sinne von Grundhaltungen und Bereitschaften notwendig. Diese teilen sich, gemäß den verschiedenen Wesensbestimmungen des Menschen als einerseits Gemeinschafts- und andererseits Vernunftwesen, in dianoetische und ethische, also Verstandes- und Charaktertugenden (vgl. Masek 2011, 202).

Mittwoch, 11. Oktober 2017

Haben Solidarität und soziale Bindungen in der Konsumgesellschaft eine Chance? - "Leben als Konsum" von Zygmunt Bauman

„Ich shoppe, also bin ich..." - Ein treffendes Zitat aus dem Klappentext von Zygmunt Baumans Buch über die Gesellschaft, in der wir uns befinden. Er beschreibt den Wandel der Gesellschaft von Produzenten hin zu einer Gesellschaft von Konsumenten und untersucht die Auswirkungen von Haltungen und Verhaltensmustern unserer Gesellschaft, geprägt durch den uns umgebenden Konsum, in verschiedenen Aspekten des sozialen Lebens.

Politik und Demokratie, soziale Spaltungen und Schichtungen, Gemeinschaften und Partnerschaften, Identitätsbildung sowie die Produktion und der Gebrauch von Wissen und Wertorientierung scheinen im ersten Moment nicht miteinander verbunden, Bauman zeigt aber die einzelnen Verkettungen der Bereiche detailliert auf.

Obwohl der leider Anfang dieses Jahres im Alter von 91 Jahren verstorbene Zygmunt Bauman das Buch "Leben als Konsum" ("Consuming Life" im englischen Original) bereits vor 10 Jahren veröffentlicht hat, hat es bis heute rein gar nichts an Aktualität und Aussagekraft eingebüßt.

Bauman war die moralische Stimme, die sich für die Globalisierungsverlierer, die Armen und Enteigneten dieser Welt einsetzte, die durch die Raster der Konsumgesellschaft gefallen waren. Er galt als einer der produktivsten und prominentesten Soziologen Europas und zeichnete sich als Kritiker aus, der immer wieder Einfluss auf den gesellschaftspolitischen Diskurs der Konsumgesellschaft ausübte. Bereits in den 90er- Jahren setzte seine Kritik an der Konsumgesellschaft an, und er prägte Begriffe wie z.B. die flüchtige Moderne.

Eben diese flüchtige Moderne, die schnell und radikal ist, sieht Bauman als Grundlage der Konsumgesellschaft. Existenzielle Ängste und Verunsicherung, ausgelöst durch sich verflüchtigende soziale Strukturen und Beziehungen, noch bevor aus ihnen stützende Formen werden können, zeigen sich die Auswirkungen des schnellen Genusses der Konsumgesellschaft bis in unsere intimsten Bereiche des Lebens.

Freitag, 6. Oktober 2017

Podcast zur Externalisierungsgesellschaft

Vor einigen Wochen haben wir an dieser Stelle das Buch "Neben uns die Sintflut" vorgestellt, eine scharfsinnige und lesenswerte Analyse der Externalisierungsgesellschaft von Stephan Lessenich. Nun hat sich SWR2 Wissen der Thematik angenommen und ein Gespräch mit dem Autor als Podcast (inkl. Manuskript zum Download) veröffentlicht: "Leben auf Kosten anderer. Die Struktur der Externalisierungsgesellschaft" (29 min).