Sonntag, 25. März 2018

Coltanabbau im Kongo - Ressourcenreichtum ohne Wohlstand?

Die Mikroelektronik ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Egal, ob es um unser Auto geht, das uns von A nach B bringt, um nachhaltige und effiziente Energieversorgung, um modernste Medizintechnik oder das vielverwendete Smartphone. Laut einer „Handelsdaten“-Statistik des Forschungs- und Bildungsinstituts EHI aus dem Jahr 2017 nutzen 78 Prozent der Deutschen zwischen vierzehn und vierundsechzig Jahren regelmäßig ein Smartphone (Vgl. EHI Retail Institute GmbH 2013-2017).

„Mikroelektronische Systeme sind eine Grundvoraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand in Deutschland.“ (Bundesministerium für Entwicklung und Forschung o.J.) Dieser materielle Wohlstand, den ein hochindustrialisiertes Land durch den Ausbau oben genannter Technologien erlangt, zeugt nicht ausschließlich von fachlichem Know-how in der Mikroelektronik. Mit dem Wissen, wie sich beispielsweise ein Smartphone (Smartphones werden im Folgenden als ein Beispiel von zahlreichen Elektrogeräten, die Coltan enthalten, benannt) zusammensetzt, stellt sich die Frage, welche Rohstoffe zur Herstellung benötigt und wie beziehungsweise von wem sie abgebaut werden.

Gibt es einen Widerspruch zwischen den rohstoffreichen Regionen dieser Welt, wie dem Kongo (im Verlauf des Textes auch: DRK, Demokratische Republik Kongo) und dem tatsächlichen Wohlstand der Bevölkerung dieser Länder? Es stellt sich zudem die Frage, wer die Akteure sind, die sich am Handel beteiligen.

Im Folgenden wird der Handel um das Erz Coltan, das in zahlreichen Elektrogeräten verarbeitet ist, genauer beleuchtet. Dabei wird der Fokus auf dem Kongo liegen. Ferner soll es um die Frage gehen, wer letztendlich am meisten vom Coltanabbau profitiert. Gibt es Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, die Gewinne aus dem Coltanhandel gerecht zu verteilen?


Coltanabbau zur Verarbeitung in der Mikroelektronik

Das Erz Coltan, ausgeschrieben Columbo-Tantalit, ist seit dem Boom in den 1990er Jahren ein knapper, in der Elektronikbranche jedoch stark nachgefragter Rohstoff. Aus Coltan wird letztlich Tantal, ein Übergangsmetall, gewonnen, welches in den Endprodukten verarbeitet wird.

Tantal wird häufig in Elektrogeräten verbaut, weil es hoch schmelzend ist und großen Temperaturschwankungen widersteht, hart aber gleichzeitig sehr dehnbar und widerstandsfähig gegenüber zahlreichen Säuren ist (Vgl. Institut für Ökonomie und Ökomene 2008). Zudem wird Tantal in Kondensatoren verbaut, da diese dadurch eine längere Lebensdauer aufweisen (Vgl. Nordmann, Welfens et. al. 2015).

Am Modell des ökologischen Rucksacks wird besonders deutlich, wie viele Rohstoffe tatsächlich zur Herstellung eines Elektroprodukts gefördert werden müssen. Dabei wird das tatsächliche Gewicht eines Geräts mit dem gesamten Ressourcenverbrauch zur Herstellung des Endprodukts ins Verhältnis gesetzt. Am Beispiel eines Handys mit einem Gewicht von 80 Gramm, hätte dieses Produkt einen ökologischen Rucksack von über 75 Kilogramm (Vgl. Nordmann et.al. 2015, S.56). 

Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Rohstoffen, die die weltweiten Förderkapazitäten oftmals übersteigt. Verschärft wird die Lage dadurch, dass langfristige Lieferverträge der Hersteller von Elektroprodukten mit den Minenbesitzern im Kongo oder anderen Teilen der Welt bestehen. Somit gelangt nur ein geringer Anteil des Coltans tatsächlich auf den Weltmarkt, was zu einem immensen Preisanstieg führt.

Tantal ist allerdings aufgrund der Knappheit des Rohstoffes teuer und ist somit nicht in jedem Elektrogerät zu finden. Stattdessen wird in Kondensatoren beispielsweise Keramik verbaut. Dabei schätzen Experten, dass bis zu 40 Prozent des Coltans weltweit aus Afrika und ein Großteil davon wiederum aus dem Kongo stammt (Vgl. Institut für Ökonomie und Ökomene 2008). Zudem wird das Erz in Ruanda, Mosambik, Brasilien und Australien abgebaut (Vgl. Nordmann,Welfens et.al. 2015, S. 66).

Abriss der kongolesischen Geschichte

Um die Problematik eines ressourcenreichen Landes und zugleich eines der ärmsten Länder weltweit nachvollziehen zu können, sollen zunächst die im Kongo verankerten innerstaatlichen Konflikte betrachtet werden. Immerhin ist die DRK unter den vierzehn ärmsten Ländern weltweit verzeichnet (Vgl. Finanzen100, 2016). Bei der Auflistung der korruptesten Staaten weltweit sieht es nicht besser aus: der Kongo rangiert auf Platz 156 von 180 (Vgl. Lexas Laenderdaten 2016).

Die 1960 von Belgien erlangte Unabhängigkeit des Kongo war zunächst verbunden mit Visionen eines freien und friedlichen Staates, was Ministerpräsident Patrice Lumumba vorerst auch umzusetzen versuchte. Anstatt die dafür nötige Zeit gewährt zu bekommen, wurde er nach zwei Monaten im Amt ermordet. Ländern wie Belgien, Großbritannien und den Vereinigten Staaten wurde vorgeworfen, die Ermordung durch ihre Geheimdienste unterstützt zu haben. Grund dafür sei die Angst gewesen, dass der Kongo zum Partner der Sowjetunion hätte werden können. Damit wären diesen Ländern wichtige Ressourcen unzugänglich gemacht worden. Der nächste und aktuell amtierende Machthaber des Kongos, Joseph Kabila, wird mehr oder weniger stark geduldet, obwohl bekannt ist, dass er sich unter anderem am Rohstoffhandel persönlich bereichert. 

Abgesehen von den korrupten Strukturen, die sich im Kongo von der Regierungsspitze bis zur Bevölkerung durchziehen, verzeichnet die kongolesische Geschichte zahlreiche Konflikte, die auf ethnische Auseinandersetzungen zurückzuführen sind (Vgl. Schulze 2008). Als Beispiel dafür ist der seit 2008 anhaltende Kampf der kongolesischen Armee gegen die Tutsi-Rebellen zu nennen. So wirft Präsident Kabila der ruandischen Regierung vor, sie nutze die Tutsi-Rebellen, um die Kontrolle über rohstoffreiche Provinzen im Kongo zu bekommen. Um dem entgegenzuwirken, holte sich der Kongo Hilfe aus Angola. Doch auch dieser Helfer erhofft sich durch die Entsendung seiner Truppen gewisse Vorteile bezüglich des Zugangs zu Rohstoffen. Selbst von den ethnischen Konflikten kann man das Rohstoffgeschäft scheinbar nicht vollkommen trennen (Vgl. Schulze 2008).

Gefährlich ist dieses Geflecht an Konflikten, weil es aufgrund der weltweiten Rohstoffnachfrage zu einer Internationalisierung der Uneinigkeiten kommt. Dies könnte dazu führen, dass sich die gesamte Region des Kongos mitsamt den Nachbarländern noch mehr destabilisiert. UNO-Truppen sind beispielsweise nur in einem Drittel der Konfliktregionen im Kongo präsent.

Für die Zivilbevölkerung in den anderen Regionen bedeutet dies Terrorisierung in Form von Plünderungen und Übergriffen, Krankheit, Verschleppung, Tod und sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Die sanitäre sowie die gesundheitliche Versorgung und der Zugang zu Trinkwasser und Lebensmitteln sind ebenfalls mangelhaft. Diese Umstände führen dazu, dass ein Großteil der männlichen Bevölkerung sich von der Arbeit in den Minen angezogen fühlt. Nicht zuletzt dadurch, dass sie von mehr Wohlstand träumen.

Der Konflikt hängt unbestreitbar mit der Globalisierung zusammen. Die Machthaber, die oftmals die Kriegsherren - Warlords - im Kongo sind, erkaufen sich durch den Rohstoffhandel Sympathien bei den westlichen Staaten. Dadurch weitet sich der Konflikt beispielsweise auf die Problematik des Waffenhandelns aus. So wollte Frankreich jüngst seinen Einfluss in den frankophonen afrikanischen Staaten zurückgewinnen und unterstützte den Wahlkampf des kongolesischen Präsidenten Kabilas immens. Dies zahlte sich nach Ende des Krieges 2002 insofern für französische Unternehmen aus, als dass weite Teile der vorher staatlichen Minen privatisiert wurden.

China hingegen möchte sich im Austausch für Rohstoffe durch den Ausbau eines funktionierenden Verkehrssystems revanchieren und stellt hiermit eine Gefahr für lokale Warlords dar. Denn ein funktionierendes Verkehrssystem könnte ein erster Schritt in ein funktionierendes Staatensystem sein, in dem die Machenschaften von Warlords schwer umsetzbar sein dürften (Vgl. Schulze 2008).

Gleichzeitig sollten die Ursachen für die anhaltenden Konflikte nicht ausschließlich auf die Auseinandersetzung um den Zugang zu Bodenschätzen reduziert werden. Es sind zahlreiche ethnische Konflikte, die schlechte Infrastruktur, die generelle Armut in der Bevölkerung und der Niedergang der staatlichen Institutionen, die zum Elend im Kongo beitragen. Des Weiteren hindern die Korruptionsproblematik und fehlende demokratische Systeme das Land am Erlangen von Frieden und Wohlstand.

Die Einnahmen, die durch den Handel mit dem Erz Coltan erlangt werden, stellen aber trotzdem einen gewissen und nicht zu unterschätzenden Anteil als finanzielle Erwerbsquelle für Rebellentruppen dar und lassen sich gleichzeitig schwer leugnen (Vgl. Internationales katholisches Missionswerk 2008, S. 19 ff.). Die unruhige Lage im Kongo spielt den Warlords und anderen Kriegsteilnehmern und deren rationalen, ökonomischen Interessen dabei direkt in die Hände. Der einzige Verlierer bleibt dabei die Zivilgesellschaft (Vgl. Schulze 2008).

Ausnahmen von Ländern, die Rohstoffhandel betreiben und dabei einen im Verhältnis zum Rest Afrikas großen Wohlstand und Frieden genießen, gibt es dennoch. Auch wenn nur vereinzelt. Botswana beispielsweise, wo der Diamantenexport den Großteil des Handels ausmacht, ist nicht zum Opfer von Krieg und Korruption geworden, wie es in vielen anderen Staaten wie der DRK zu verzeichnen ist. Botswana ist ethnisch gesehen sehr viel homogener als der Kongo, was dem Land eine gewisse Stabilität verleiht (Vgl. Burgis, Tom 2017, S.283).

An der verheerenden Lage in Staaten wie dem Kongo ändert dies jedoch vorerst nichts. Im Land selbst müssten sich demokratische Strukturen und Kontrollsysteme etablieren, um die Lage zu verbessern. Auf der Seite der westlichen Staaten geht es nicht um den Boykott der Rohstoffe, sondern um ein zunächst grundlegendes Verständnis und Eingestehen der Problematik in der gesamten internationalen Gemeinschaft. Es braucht viel „Geduld und Sachverstand“, wodurch eine langfristige Verbesserung der Lage ermöglicht werden könnte (Vgl. Schulze 2008).

Arbeitsbedingungen und Korruption

Problematisch sind unter ethischen Gesichtspunkten die Arbeitsbedingungen, unter denen die Arbeiter im Kongo das Erz beschaffen, wovon sie sich oftmals Wohlstand erhoffen: Die 2011 gefilmte Dokumentation des belgischen Filmregisseurs Frank Piasecki Poulsen „Blood in the mobile“ zeigt auf sehr anschauliche Weise, wie unmenschlich die Umstände der Minenarbeiter im Kongo sind (Vgl. Poulsen 2010).

Besonders in der Regenzeit ist die Gefahr, dass Minen einstürzen und Arbeiter am Erstickungstod ums Leben kommen, besonders hoch. Im Kongo soll es circa zwei Millionen handwerklich arbeitende Bergleute und rund zehn Millionen vom Kleinbergbau abhängige Menschen geben – das entspricht rund einem Fünftel der Gesamtbevölkerung. Durch ein offizielles Minengesetz sind männliche Kongolesen offiziell zwar befähigt, ihren Lebensunterhalt als Kleinbergbauarbeiter zu verdienen. Doch allein die Tatsache, dass Korruption in diesem Geschäft als „un petit rien“ oder „une tradition“ (als „kleines Nichts“ oder als „Tradition“) bezeichnet wird, macht deutlich, wie ungerecht die Gewinne aus dem Handel vermutlich verteilt sind (Vgl. Cicero o.J.).

Von Wohlstand durch die zweifellos harte Arbeit kann hier kaum die Rede sein, und trotzdem gilt für viele Kongolosen das Motto: „Wenn es in dieser Gegend der Welt nur diese eine Möglichkeit gibt, aus seinem Leben etwas zu machen, dann halt hier, dafür richtig.“ (Cicero o.J.). Dem Coltanhandel wird vorgeworfen, die Korruptionsproblematik zu verschärfen und dazu beizutragen, dass der von den Minenarbeitern erhoffte Wohlstand oftmals ein unerreichter Traum bleibt.

Denn im Kongo gibt es ebenfalls Internet und Fernsehen, und auch wenn die Bevölkerung sehr arm ist, bekommen sie ein Bild von dem Wohlstand vermittelt, den wir im globalen Norden leben dürfen. Sie träumen von florierender Wirtschaft, Sicherheit und Frieden (Vgl. Adukule 2016, S. 65). Wenn die Menschen erst einmal Teil dieses perfiden Geschäfts geworden sind, auf der Suche nach dem Glück und dem Wohlstand, welches sie im Fernsehen und den Nachrichten gezeigt bekommen, haben sie oft keine andere Chance mehr, diesem Schicksal zu entgehen.

Denn die auf das Erz erhobenen Steuern sind so hoch, dass die Arbeiter es sich kaum leisten können, ein Leben jenseits der Minen zu beginnen. Sie sehen sich somit gezwungen, weiterzuarbeiten, um sich über Wasser zu halten (Vgl. Poulsen 2010). Wenn nicht die Bevölkerung des Kongos selbst durch den Erzabbau zu einem signifikanten Wohlstandsanstieg kommt, wer ist es dann? 

Wer beteiligt sich am Handel um das begehrte Erz Coltan?

Tatsache ist, dass die Minen von diversen Rebellengruppen und Soldaten, oftmals aus den Nachbarstaaten, beherrscht werden, anstatt, wie man zunächst annehmen könnte, unter Kontrolle der kongolesischen Regierung zu stehen. Hierauf gegründet wurde in den letzten Jahren der Vorwurf laut, dass Rebellentruppen und deren Anführer, unter anderem als Warlords bezeichnet, ihren Krieg zumindest teilweise mit dem Coltanverkauf bezahlen würden. „[D]ie Bürgerkriegsparteien versuchen, möglichst viele der kleinen […] Minen zu erobern.“ (Dürr 2010). Da dürfte sich auch uns Verbrauchern die Frage aufdrängen, ob wir mit unserem Handykauf einen Krieg mitfinanzieren und mitverantworten. Hindern wir somit ein ohnehin schon von Korruption sowie Konflikten gezeichnetes Land am Erlangen von Stabilität und Wohlstand?

Dabei ist es plausibel, zunächst die Sichtweise der Kongolesen direkt zu erfragen, wer ihrer Meinung nach die Hauptverantwortlichen und Profiteure des Geschäfts sein könnten: „Die Chinesen, die noch nie in Kamatanda [Ort im Kongo, von wo aus Coltan abgebaut wird] waren, bestimmen willkürlich Kobalt- und Kupfergehalt und diktieren den Preis. Wir haben selbst keine Möglichkeit, den wirklichen Wert zu überprüfen und keine andere Stelle, unser Material zu verkaufen [...]“ (Cicero, o.J.).

Die Minenarbeiter haben demnach genaue Vorstellungen, wer vom Coltanhandel profitiert. Nun sind durchaus nicht nur die Chinesen am Coltanabbau beteiligt. Es gibt Theorien, dass aus der Allianz von afrikanischen Regierungen, Mittelsmännern und multinationalen Rohstoffkonzernen eine „Plünderungsmaschine“ (Pfaff 2017) entsteht, die durch korrupte Machenschaften wie Steuerhinterziehung noch mehr an Fahrt aufnimmt. So wurde dem Präsidenten Joseph Kabila während seines Wahlkampfes vorgeworfen, sich persönlich am Ressourcenexport bereichert und seinen Wahlkampf so mitfinanziert zu haben (Vgl. Pfaff 2017).

Es sind sowohl multinationale Konzerne von außerhalb, die afrikanischen Machthaber selbst und gegebenenfalls involvierte Mittelsmänner zum Herstellen von wichtigen Kontakten beteiligt, die allesamt auf ihren eigenen Vorteil und Schürfrechte in den Minen aus sind. Im Kongo selbst gibt es also ebenfalls Profiteure, die mehr Wohlstand erlangen - nur sind diese nicht die breite Bevölkerung, sondern für Korruption anfällige Machthaber. Solange das Geschäft für die Konzerne und Mittelsmänner aber profitabel ist, sieht sich scheinbar keiner der Beteiligten in der Verantwortung, gegen einen wenig vertrauenswürdigen Politiker vorzugehen, der beim Wahlkampf schon auf Korruption setzt.

Die Tatsache, dass in Afrika Rohstoffe abgebaut werden und dass davon letztendlich nur ein Sektor der Wirtschaft und ein geringer Bevölkerungsanteil profitiert, ist zunächst nichts Unbekanntes, sondern eher eine „chronische Malaise“ (Pfaff 2017). Auf der einen Seite treiben die Rohstoffexporte den Wert der Landeswährung in die Höhe. Auf der anderen Seite wird jedoch Ware importiert, die verglichen mit einheimischen Produkten, billiger ist. Die logische Konsequenz daraus ist, dass die heimische Produktion durch die Konkurrenz zerstört wird (Vgl. Pfaff 2017).

Es wird deutlich, wie vielschichtig das Geflecht der in den Coltanhandel verwickelten Akteure ist. Dabei ist es nicht per se so, dass nur Chinesen, US-Amerikaner oder Europäer vom Handel profitieren und die Länder selbst nicht. Jedoch werden Gewinne innerhalb der Ressourcenländer ungerecht verteilt und wandern in die Taschen weniger. Die internationale Gemeinschaft ist sich dessen durchaus bewusst und weiß um ihre Verantwortung bezüglich Korruption und illegalem, menschenunwürdigem Rohstoffhandel. Der Konsument selbst sollte ebenfalls ein Bewusstsein dafür entwickeln, woher die Rohstoffe kommen und was sein Konsum zu derartigen Entwicklungen beiträgt.

Conflict free minerals instead of conflict minerals?
(Vgl. United Nations Global Compact o.J.)

Es gibt Anstrengungen, den Problemen um den Coltanhandel mit „Geduld und Sachverstand“ (Schulze 2008) entgegenzuwirken. Aktivisten legen seit langer Zeit dar, dass die Profite, die von den Firmen und ihren Anteilseignern durch ihren Zugang zu wesentlichen Rohstoffen angeeignet werden, alles andere als fair mit Ländern wie dem Kongo aufgeteilt werden. Zugespitzt wird von einer „neuen kolonialen Invasion“ gesprochen. Oftmals werden Abkommen abgeschlossen, die für die Regierung und vor allem für die Bürger der Rohstoffländer von geringem Wert sind.

In der Kolonialzeit haben Missionare, Forscher und Händler ganze Arbeit geleistet, um sich Zugang zu Afrikas Ressourcen zu schaffen. Derzeit wird diese Herangehensweise wieder in Erinnerung gerufen, da laut Berichten von Amnesty International in Entwicklungsländern mehr Geld für Waffenexporte als für Entwicklungshilfe investiert wird (Vgl. Netzfrauen 2016).

Dies wird durch Untersuchungen der Organisation „War on Want“, die sich für die Beseitigung von Armut einsetzt, belegt. War on Want kritisiert beispielsweise die HLPP-Vorgehensweise am Beispiel britischer Unternehmen. High Level Prosperity Partnerships zum Zweck höherer Profite, die eigentlich Gewinne und Arbeitsplätze auf beiden Seiten anstreben. „War on Want“ schätzt diese Vorgehensweise aber als nicht erfolgreich ein und möchte Maßnahmen ergreifen, dass tatsächlich mehr Erträge der Bodenschätze im Gastgeberland bleiben, anstatt in Übersee auf Steuerparadiesen zu verschwinden.

Es sollen dafür konkrete Vereinbarungen getroffen werden, um Ressourcen zukünftig effektiv für beide Seiten zu verwalten und Korruption zu bekämpfen. Rechtsanwälte sollen dazu für die Anbieter von Rohstoffen faire Verträge mit privaten Investoren aushandeln (Vgl. Gov.UK o.J.). Ein wohl ambitioniertes Ziel, das aber, auch wenn der Fokus hier auf Großbritannien liegt, nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass nahezu alle industrialisierten Länder, die Ressourcen aus Staaten wie dem Kongo beziehen, eine Mitverantwortung an deren Handel haben.

Auch vor uns Verbrauchern macht diese Verantwortung nicht halt. Ein bloßer Boykott würde den Konflikt wohl kaum lösen, deshalb sind Organisationen wichtig, um eine nachhaltige Lösung des Problems durch Maßnahmen wie dem Zur-Verfügung-stellen von Anwälten zu erreichen (Vgl. Netzfrauen 2016). Statt Elektrogeräte mit „blutigen Rohstoffen“ herzustellen, gibt es Anstrengungen verschiedener Regierungen und Unternehmen, sozial verantwortungsvoller zu handeln.

Das Problem, dass der Rohstoff Coltan im Endprodukt nicht sichtbar ist und damit keine Aufmerksamkeit auf sich zieht, muss also von den Herstellern selbst angepackt werden: So wurde bereits vor etwa zehn Jahren die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ mit der Entwicklung von Konzepten beauftragt, um gegen die Verknüpfung von Rohstoffen und Gewalt vorzugehen. Der geochemische Fingerabdruck liefert Gewissheit darüber, wo ein bestimmter Rohstoff abgebaut wurde. Auch bei Coltan kann dieser relativ sicher und auf das Land genau ermittelt werden.

Routineüberprüfungen sind dabei immens kostenaufwendig, und so ist der geochemische Fingerabdruck vorerst eher als „forensisches Instrument“, also bei Verdacht auf illegalen Handel, angedacht. In solchen Fällen ist die Maßnahme ideal anwendbar (vgl. Hannen 2008).

Mehrere Handyanbieter verlangen gemäß diesen Konzepten außerdem von ihren Lieferanten, ihre „supply chain“, ihre Lieferungskette, offenzulegen. Sie konnten dies jedoch bislang ohne einen allgemein akzeptieren Standard nicht wie geplant kontrollieren.
Transparenz in der Prozesskette und der geochemische Fingerabdruck sind die Basis eines verantwortungsvollen Handels.

Dabei geht es, von ethischen Aspekten abgesehen, ganz generell um reale Vorteile:
Auf Seiten der Abnehmer, also der Verarbeiter von Coltan, verbessert sich der Marktzugang in der Hinsicht, dass sie direkten Zugang zu einem Teil der Weltproduktion erhalten, der bisher nicht legal erschlossen war. Für den Anbieter, die Minenbesitzer im Kongo, verbessern sich Produktionsbedingungen. Denn die Verarbeiter des Rohstoffes verpflichten sich durch Zertifizierungen zu verantwortungsvollem Handel. Durch Vereinbarungen, die die Legalität der Rohstoffherkunft betrachten, sollen zudem Mindeststandards eingehalten, langfristige Verträge angestrebt und effizientes Arbeiten durch Vermittlung von Know-how gefördert werden.

„Ein artisanaler Bergbau, bei dem jeder allein vor sich hin gräbt, ist einfach nicht effizient und daher für industrielle Partner nicht interessant“, begründet Nicola Martin (BGR) diesen Ansatz (Hannen 2008). „Auch wenn der Verbraucher bei Laptop und Handy nicht so sensibel ist wie beim Diamantcollier: „Blut“ sollte das Smartphone dennoch nicht enthalten.“ (Hannen 2008)

Bei anderen Rohstoffen wie Diamanten gibt es ähnliche Diskussionen, die in Richtung der Vorwürfe zum „Blood mobile“ gehen: „Gegen die Schönheit der afrikanischen Diamanten scheint grell die Hässlichkeit der Zwecke auf, zu denen sie benutzt wurden. In den letzten Jahrzehnten haben Diamanten für das Geld gesorgt, mit dem zwei der schrecklichsten Kriege des Kontinents finanziert wurden“. (Burgis 2017, S. 281)

Ein Ausweg aus der Krise?

„Der demokratische Prozess in unserem Land [Deutschland] bietet einen gute[n] […] Beratungsrahmen, in dem wir im Gespräch mit der internationalen Gemeinschaft noch Strategien für einen Ausweg aus der Krise finden können […]“. (Internationales katholisches Missionswerk 2008)

Die kanadische Globalisierungskritikerin und politische Aktivistin Naomi Klein teilt die Ansicht, dass es einen Ausweg aus derartigen Krisen gibt. Sie macht am Beispiel des Klimawandels mit Bezugnahme auf die Ressourcenverknappung deutlich, was ihrer Meinung nach ein Weg ist, solchen Problemen mit globaler Reichweite entgegenzuwirken. Sie plädiert für einen kulturellen Wandel, eine neue Weltsicht, die die Menschen als gleichberechtigt ansieht, anstatt sich gegenseitig auszubeuten. Dies impliziert ein Umdenken in unserem momentan an Freihandel orientierten Wirtschaftssystem, das von Privatisierung und Deregulierung geprägt ist. “Die Bedeutung des privatwirtschaftlichen Sektors hingegen – mit seinem strukturell bedingten Bedarf an Umsatz- und Profitsteigerung – müsse schrumpfen.” (Klein 2012, S.235 ff.)

Ein Plädoyer gegen den Freihandel, gegen die Konsumgesellschaft und gegen den Kapitalismus also? Für unsere im globalen Norden liberale Weltanschauung nahezu undenkbar. Doch scheint, wenn wir dem vermeintlichen Widerspruch Ressourcenreichtum ohne Wohlstand entgegenwirken wollen, ein Schritt in die von Naomi Klein beschriebene Richtung nicht fast unumgänglich? Für die Freiheit, ein beliebiges Produkt wählen zu können, bezahlt der Konsument den Preis der Sicherheit und Ungleichbehandlung. In diesem Fall den der Sicherheit und Ausbeutung vieler Kongolesen.

Fazit

Der von Naomi Klein beschriebene kulturelle Wandel ist ein langfristiger Prozess, der wenig Hoffnung auf eine schnelle Verbesserung der Problematik Ressourcenreichtum ohne Wohlstand macht. Zudem können nicht alle Verbesserungsmaßnahmen unter dem Schlagwort „internationale Gemeinschaft“ abgewälzt und Verantwortung an die „anderen“ abgeben werden.

Im Kongo selbst müssen sich zweifelsohne Strukturen ändern. Mehr Demokratie und weniger Korruption wären hierbei ein notwendiger Schritt für mehr Wohlstand. Kann sich das Land erst von der durch Korruption geschwächten Wirtschaft erholen und setzt ein Staatsoberhaupt seine finanziellen Mittel zuverlässig für den Ausbau von Infrastruktur und Fachkräften ein, so könnte sich das Land nach und nach entwickeln – ohne, dass der Coltanhandel plötzlich beendet ist. Es wäre jedoch wünschenswert, dass dieser nicht mehr fern jeder Statistik im informellen Sektor zuhause ist, sondern legal vonstattengeht.

Die internationale Gemeinschaft hat so viel Arbeit vor sich wie das Land selbst. Die Anschuldigungen, wie unter dem Schlagwort “blood mobile” beschrieben, sind lange genug in den Medien präsent. Doch was sind die tatsächlichen Auswirkungen all dieser Diskussionen auf die gängige Praxis? Ein Zitat aus dem Film “blood in the mobile” macht deutlich, weshalb sich an den Bedingungen nur schleppend etwas ändert: Als eine Vertreterin von Nokia am Ende der Dokumentation schließlich gefragt wird, wieso sie als Konzern nicht zugeben wollten, nicht genug unternommen zu haben oder wieso die Entwicklung zu fairem Coltanhandel so zäh vorangehe, antwortete diese: “Why would we admit something just for you to get a good film, if we don’t feel that we have anything to admit”? (Poulsen 2010)

Wenn diese Sichtweise, dass es nichts zuzugeben gebe, bei vielen großen Unternehmen in der Führungsriege vertreten ist, so scheinen Anstrengungen von non-profit organizations nahezu zwecklos. Denn Einsicht ist schließlich der erste Schritt zur Besserung. Zudem bräuchte es auf der zweiten Stufe meiner Ansicht nach Richtlinien, die tatsächlich auch verbindlich sind und die den Produzenten keinen Anreiz mehr bieten, derartige unmenschliche und korrupte Machenschaften zu unterstützen.

Es reichen also nicht nur Zertifizierungen für fairen - soweit dies möglich ist - und transparenten Coltanhandel, sondern es bedarf auch an festgeschriebenen Sanktionen gegen Verhalten, das dem widerspricht. Solange dieser Anreiz nicht gegeben ist, wird sich im Land selbst nicht viel ändern. Das Chaos und der Krieg werden vermutlich weitergehen. Ohne international festgelegte Richtlinien, Infrastruktur und Fachkräfte im Land selbst wird es im ressourcenreichen Kongo so schnell keinen Wohlstand geben. 

Literaturverzeichnis 

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DVD: „Blood in the mobile; Regie: Frank Piasecki Poulsen;Dänemark/BRD, 2010

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