Posts mit dem Label Postwachstumsgesellschaft werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Postwachstumsgesellschaft werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 18. April 2023

Kernelemente der Postwachstumsgesellschaft

Die Postwachstumsgesellschaft konzentriert sich auf das Schaffen einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft. Kernelemente der Postwachstumsgesellschaft sind folgende:

  • Degrowth: Ressourcen effizienter nutzen und gerecht verteilen, um den materiellen Konsum zu reduzieren.
  • Gemeinwohlorientierung: Die Wirtschaft soll auf dem Prinzip des Gemeinwohls basiert. Es geht darum, nicht auf Gewinnmaximierung abzuzielen. In den Mittelpunkt sollen die Bedürfnisse der Umwelt und der Menschen gestellt werden.
  • Ökologische Nachhaltigkeit: Der Schutz der natürlichen Ressourcen der Erde ist das oberste Ziel. Eine Wirtschaft soll geschaffen werden, die die Belastungen für die Umwelt minimiert.
  • Solidarität und soziale Gerechtigkeit: Die Postwachstumsgesellschaft setzt auf Zusammenarbeit. Es geht darum, eine gerechtere Verteilung von Ressourcen und Chancen zu erzielen.
  • Partizipation und Demokratie: Die Kontrolle über Ressourcen und die Wirtschaft soll wieder in die Hände der Menschen gelegt werden. Außerdem soll die Beteiligung der Menschen an politischen Entscheidungen gefördert werden.

Montag, 17. April 2023

Postwachstumsgesellschaft (Tim Jackson)

Tim Jackson ist ein britischer Wirtschaftswissenschaftler und Autor, der sich in seinem Artikel „Die Postwachstumsgesellschaft“ intensiv mit dieser beschäftigt hat. Er beschreibt in dem Artikel unter anderem die Notwendigkeit eines Wirtschaftssystem, das nicht auf ständigem Wachstum basiert. Im gleichen Zuge argumentiert er jedoch, dass innerhalb der Bevölkerung eine große Gleichgültigkeit darüber herrscht, „wie eine solche Volkswirtschaft aussehen könnte, und dass derzeit alle Institutionen und Anreize beständig in die falsche Richtung weisen“ (Jackson 2017: 181).

Jackson schlägt in diesem Zusammenhang eine „Aschenputtel-Ökonomie“ vor, die seiner Meinung nach Keime für ein ressourcenschonendes und umweltverträgliches Wirtschaftssystem beinhaltet (vgl. ebd.: 186). Lokale Unternehmen, kommunale Energieprojekte, öffentlicher Verkehr, Bauernmärkte und vieles mehr – all diese Dinge sind Teil seiner Vision und können zu einer niedrigeren CO2-Bilanz beitragen. In einer konventionellen, wachstumsbasierten Wirtschaft wäre ein solches System katastrophal, da dieses kaum zum Wachstum der Produktivität beiträgt.

„In einer Wirtschaft hingegen, die darauf ausgerichtet ist, den Menschen die Fähigkeit und die Möglichkeit zu geben, eine angemessene Arbeit zu verrichten und zu gedeihen, ist dies ein ausgesprochener Pluspunkt“ (ebd.).

Um den Weg in ein nachhaltiges Wirtschaftssystem bestreiten zu können, erarbeitete Jackson drei Maßnahmen: Zu Beginn müssen Grenzen festgesetzt werden. Die Materialverschwendung unserer Konsumgesellschaft zehrt an den natürlichen Ressourcen, weshalb es unabdingbar ist, für den Ressourcenverbrauch klare Grenzen zu setzen (vgl. ebd.: 189). Des weiteren muss das aktuelle Wirtschaftsmodell repariert werden. Hierzu ist eine neue Makroökonomie für Nachhaltigkeit von Nöten – „ein Motor der Wirtschaft, dessen Zuwachs nicht auf unerbittlich wachsendem Konsum und expandierendem Verbrauch beruht“ (vgl. ebd.). Zuletzt muss die gesellschaftliche Logik verändert werden. Hierzu müssen den Menschen Alternativen angeboten werden, die diese weg vom Lebensstil als Konsument bringen (vgl. ebd.: 189f).

Insgesamt fordert Jackson demnach eine grundlegende Umgestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur, um eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen. Er betont in seinem Fazit, dass es an der Zeit ist, sich von der Idee des Wirtschaftswachstums zu verabschieden, und stattdessen eine neue Vision für die Zukunft zu schaffen (vgl. ebd.: 190).

Quelle

Jackson, T. (2017): Die Postwachstumsgesellschaft, In: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hg.): Mehr geht nicht! Der Postwachstums-Reader. Berlin: Blätter Verlagsgesellschaft mbH, S. 181-190.

Samstag, 24. September 2022

Kapitalismus und Klimaschutz - Podcast mit Ulrike Herrmann

Gestern war die Wirtschaftsjournalistin (taz) Ulrike Herrmann zu Gast bei der SWR1-Sendung "Leute". Es lohnt sich, das Gespräch nachzuhören. Herrmann macht deutlich, dass grünes Wachstum eine Illusion ist und dass sich der Kapitalismus deshalb grundlegend in eine "Überlebenswirtschaft" weiterentwickeln muss. Für diese Transformation im Rahmen einer demokratischen Ordnung gibt es - wenn überhaupt - nur ein einziges historisches Vorbild, nämlich die britische Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg. Den Podcast gibt es hier: "Was bedeutet "Überlebenswirtschaft" für uns?" Er kann als Anregung dienen, sich anhand des neuen Buches von Herrmann ("Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden", Kiepenheuer & Witsch 2022) genauer mit den Inhalten zu beschäftigen:


Sonntag, 27. Juni 2021

Lösungsansätze: Nachhaltigkeit, Postwachstums- und Gemeinwohl-Ökonomie

Bislang haben wir uns drei Lösungsansätze für die grundlegenden Probleme unserer Gesellschaften angeschaut, die auf vielfältige Weise zusammenhängen und Überschneidungen aufweisen:

  • Das Konzept der Nachhaltigkeit bzw. der nachhaltigen Entwicklung,
  • die Postwachstumsökonomie bzw. -gesellschaft und
  • die Gemeinwohl-Ökonomie.
In diesem Text versuche ich eine kleine Zwischenbilanz zu den drei Konzepten:

Nachhaltigkeit / nachhaltige Entwicklung

Die am häufigsten gebrauchte Definition von "nachhaltiger Entwicklung" stammt von Lester Brown, dem Gründer des Worldwatch Institute. Sie wurde in dem Bericht "Our Common Future" der Brundtland-Kommission aufgegriffen:
"Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs."
[World Commission on Environment and Development (WCED), Our Common Future, Oxford 1987, p. 43]
Diese Definition von "nachhaltiger Entwicklung" wird zwar allgemein akzeptiert, aber sie sagt nicht viel aus. Fritjof Capra schlägt deshalb folgende Operationalisierung vor:
"Der Schlüssel zu einer funktionsfähigen Definition von ökologischer Nachhaltigkeit ist die Einsicht, dass wir nachhaltige menschliche Gemeinschaften nicht von Grund auf erfinden müssen, sondern sie nach dem Vorbild der Ökosysteme der Natur nachbilden können, die ja nachhaltige Gemeinschaften von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sind. Wie wir gesehen haben, ist die herausragendste Eigenschaft des Erdhaushalts seine immanente Fähigkeit, Leben zu erhalten. Daher ist eine nachhaltige menschliche Gemeinschaft so beschaffen, dass ihre Lebensweisen ebenso wie ihre unternehmerischen, wirtschaftlichen und physikalischen Strukturen und Technologien die immanente Fähigkeit der Natur, Leben zu erhalten, nicht stören. Nachhaltige Gemeinschaften entwickeln ihre Lebensmuster im Laufe der Zeit in ständiger Interaktion mit anderen menschlichen und nichtmenschlichen lebenden Systemen. Nachhaltigkeit bedeutet somit nicht, dass die Dinge sich nicht verändern. Sie ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess der Koevolution."
[aus: Fritjof Capra, Verborgene Zusammenhänge. Vernetzt denken und handeln - in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, Bern u.a. 2002, S. 298]
"Nachhaltige Entwicklung" als Widerspruch in sich

Ursprünglich war Nachhaltigkeit das neue Leitbild, das Ziel, die regulative Idee. Unmerklich hat sich die Terminologie (und nicht nur sie) verschoben. Wenn nicht gleich von green economy die Rede ist, dann spricht man von "nachhaltiger Entwicklung".

"Nachhaltigkeit ja - nachhaltige Entwicklung nein", so lautet die Kritik an der mittlerweile allgegenwärtigen Kombination der beiden Konzepte Nachhaltigkeit und Entwicklung. Grund für die Ablehnung der Kombination sind Vorbehalte gegenüber dem Konzept "Entwicklung". Es mit Nachhaltigkeit kombinieren zu wollen, bedeute einen Widerspruch in sich. Während Nachhaltigkeit zur neuen ökologischen Weltsicht gehöre, entstamme der Entwicklungsbegriff der überholten mechanistischen Weltsicht (eine Gegenüberstellung der beiden Weltsichten findet sich hier).

"Darüber hinaus", so Wolfgang Sachs, Wissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie (www.wupperinst.org), "wurde mit der Verknüpfung von 'nachhaltig' und 'Entwicklung' ein Terrain sprachlicher Ambivalenz geschaffen. Das neue Konzept verschob auf subtile Weise den geometrischen Ort der Nachhaltigkeit von der Natur auf Entwicklung; während sich zuvor 'nachhaltig' auf erneuerbare Ressourcen bezogen hatte, bezieht es sich jetzt auf Entwicklung. Mit dieser Verschiebung änderte sich die Wahrnehmung; die Bedeutung von Nachhaltigkeit verlagerte sich von Naturschutz auf Entwicklungsschutz. Angesichts der Tatsache, dass Entwicklung konzeptionell zu einer leeren Hülse geworden war, war das, was nachhaltig bleiben sollte, unklar und strittig. Daher sind in den folgenden Jahren alle Arten von politischen Akteuren, selbst glühende Verfechter des Wirtschaftswachstums in der Lage gewesen, ihre Absichten in den Begriff 'nachhaltige Entwicklung' zu kleiden. Der Begriff wurde somit bald selbst-referentiell, wie eine von der Weltbank angebotene Definition treffend bestätigt: 'Was ist nachhaltig? Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die anhält.'"
[aus: Wolfgang Sachs, Nach uns die Zukunft. Der globale Konflikt um Gerechtigkeit und Ökologie, Frankfurt/Main 2002, S. 65]

Will man trotz dieser Kritik auf die etablierte Kombination "nachhaltige Entwicklung" nicht verzichten, kann man nicht umhin, den Entwicklungsbegriff näher zu bestimmen und vom überholten Entwicklungsbegriff der Modernisierungstheorie abzugrenzen. Anregungen hierzu gibt das folgende Schaubild:



Postwachstumsökonomie

In der APuZ-Ausgabe 19-20/2017 zu Karl Marx und "Das Kapital" findet sich ein lesenswerter Beitrag von Niko Paech zur Postwachstumsökonomik, die er auf Seite 44 so definiert:
"Die Postwachstumsökonomik kann als ökologisch orientierte Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften bezeichnet werden. Als Lehr- und Forschungsprogramm richtet sie den Blick auf drei basale Fragestellungen. Erstens: Welche Begründungszusammenhänge lassen erkennen, dass ein weiteres Wachstum des Bruttoinlandsproduktes keine Option für die Gestaltung moderner Industriegesellschaften sein kann? Zweitens: Was sind die Ursachen dafür, dass moderne, auf industrieller Fremdversorgung basierende Volkswirtschaften einem Wachstumszwang unterliegen? Drittens: Was sind die Merkmale einer Ökonomie, deren industrieller Output mit der Einhaltung ökologischer Grenzen harmoniert und insbesondere nicht mehr wächst (Postwachstumsökonomie)?"
Diese reduktive Ökonomie ist das Resultat einer fünffachen Selbstbegrenzung (S. 45-46), die sich mit den folgenden Begriffen verbindet:
  • Suffizienz
  • Subsistenz
  • Regionalökonomie
  • Umbau der restlichen Industrie
  • Institutionelle Maßnahmen
Deutschlandfunk Nova hat in der Reihe "Hörsaal" einen Vortrag von Niko Paech vom September 2019 als Podcast veröffentlicht, der vieles von dem aufgreift, um was es in unserem Seminar zu Nachhaltigkeit und Postwachstum geht. Titel des Vortrags ist "Nachhaltigkeit, Wachstum und globale Gerechtigkeit". Anhören lohnt sich...

Gemeinwohl-Ökonomie

Zu den Grundinformationen zur Gemeinwohl-Ökonomie hatten wir folgende Materialien genutzt:

Zusammengenommen erhält man damit einen sehr guten Einblick, worum es der Gemeinwohl-Ökonomie geht und wo sie die wichtigsten Stellschrauben verortet. Wie das ganz konkret aussehen kann, beschreibt ein Artikel auf Krautreporter:

  • Janina Martens: Gemeinwohlökonomie: Auf dieser Baustelle könnte die Wirtschaft der Zukunft entstehen, Krautreporter 19.01.2021 (Link)

Es wäre schön, wenn der eine oder die andere von Ihnen zu diesem hochinteressanten und erfolgreichen Ansatz noch etwas im Blog ergänzen würde... 


Montag, 3. Mai 2021

Vortrag von Niko Paech zur Postwachstumsökonomie

Am 10. Mai 2021 um 19 Uhr hält Niko Paech einen Online-Vortrag mit dem Titel "All you need is less. Der Weg in die Postwachstumsökonomie", (erstaunlicherweise) veranstaltet von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Anmeldung (bis 7. Mai, 12 Uhr) und weitere Informationen gibt es hier...

Freitag, 11. Dezember 2020

Vortrag von Niko Paech an der PH

Kommenden Dienstag, am 15.12.2020 findet der Vortrag zur Postwachstumsökonomie von Niko Paech im Rahmen der Vortragsreihe "Klima:Nachhaltigkeit:Bildung" von 14.15 bis 15.45 Uhr online statt. Diesen für unser Seminarthema höchst relevanten Vortrag dürfen Sie sich auf keinen Fall entgehen lassen. Die Verantwortlichen für die Vortragsreihe schreiben folgendes:

"Wir freuen uns sehr, in diesem Semester Prof. Dr. Niko Paech in unserer Veranstaltung begrüßen zu können. Herr Paech zählt zu den bekanntesten Wachstumskritikern und wird uns in seinem Vortrag die Grundzüge der Postwachstumsökonomie darstellen. Auch durch sein Buch „Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie“ ist dieses Konzept längst nicht mehr unbekannt. Niko Paech forscht und lehrt unter anderem in den Bereichen Nachhaltigkeitsforschung, Umweltökonomik, Klimaschutz und Konsumforschung."

Die Vorträge finden ausschließlich online statt. Zur Teilnahme klicken Sie auf diesen Link: https://ph-ludwigsburg.webex.com/ph-ludwigsburg/j.php?MTID=mb00fd8a3adbbb4525b1bbfece65d361b

Freitag, 10. Juli 2020

Lösungsansätze: Nachhaltigkeit, Postwachstum und Gemeinwohl-Ökonomie

Bislang haben wir uns drei Lösungsansätze für die grundlegenden Probleme unserer Gesellschaften angeschaut, die auf vielfältige Weise zusammenhängen und Überschneidungen aufweisen:
  • Das Konzept der Nachhaltigkeit bzw. der nachhaltigen Entwicklung,
  • die Postwachstumsökonomie bzw. -gesellschaft und
  • die Gemeinwohl-Ökonomie.
In diesem Text versuche ich eine kleine Zwischenbilanz zu den drei Konzepten:

Nachhaltigkeit / nachhaltige Entwicklung

Die am häufigsten gebrauchte Definition von "nachhaltiger Entwicklung" stammt von Lester Brown, dem Gründer des Worldwatch Institute. Sie wurde in dem Bericht "Our Common Future" der Brundtland-Kommission aufgegriffen:
"Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs."
[World Commission on Environment and Development (WCED), Our Common Future, Oxford 1987, p. 43]
Diese Definition von "nachhaltiger Entwicklung" wird zwar allgemein akzeptiert, aber sie sagt nicht viel aus. Fritjof Capra schlägt deshalb folgende Operationalisierung vor:
"Der Schlüssel zu einer funktionsfähigen Definition von ökologischer Nachhaltigkeit ist die Einsicht, dass wir nachhaltige menschliche Gemeinschaften nicht von Grund auf erfinden müssen, sondern sie nach dem Vorbild der Ökosysteme der Natur nachbilden können, die ja nachhaltige Gemeinschaften von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sind. Wie wir gesehen haben, ist die herausragendste Eigenschaft des Erdhaushalts seine immanente Fähigkeit, Leben zu erhalten. Daher ist eine nachhaltige menschliche Gemeinschaft so beschaffen, dass ihre Lebensweisen ebenso wie ihre unternehmerischen, wirtschaftlichen und physikalischen Strukturen und Technologien die immanente Fähigkeit der Natur, Leben zu erhalten, nicht stören. Nachhaltige Gemeinschaften entwickeln ihre Lebensmuster im Laufe der Zeit in ständiger Interaktion mit anderen menschlichen und nichtmenschlichen lebenden Systemen. Nachhaltigkeit bedeutet somit nicht, dass die Dinge sich nicht verändern. Sie ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess der Koevolution."
[aus: Fritjof Capra, Verborgene Zusammenhänge. Vernetzt denken und handeln - in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, Bern u.a. 2002, S. 298]
"Nachhaltige Entwicklung" als Widerspruch in sich

Ursprünglich war Nachhaltigkeit das neue Leitbild, das Ziel, die regulative Idee. Unmerklich hat sich die Terminologie (und nicht nur sie) verschoben. Wenn nicht gleich von green economy die Rede ist, dann spricht man von "nachhaltiger Entwicklung".

"Nachhaltigkeit ja - nachhaltige Entwicklung nein", so lautet die Kritik an der mittlerweile allgegenwärtigen Kombination der beiden Konzepte Nachhaltigkeit und Entwicklung. Grund für die Ablehnung der Kombination sind Vorbehalte gegenüber dem Konzept "Entwicklung". Es mit Nachhaltigkeit kombinieren zu wollen, bedeute einen Widerspruch in sich. Während Nachhaltigkeit zur neuen ökologischen Weltsicht gehöre, entstamme der Entwicklungsbegriff der überholten mechanistischen Weltsicht (eine Gegenüberstellung der beiden Weltsichten findet sich hier).

"Darüber hinaus", so Wolfgang Sachs, Wissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie (www.wupperinst.org), "wurde mit der Verknüpfung von 'nachhaltig' und 'Entwicklung' ein Terrain sprachlicher Ambivalenz geschaffen. Das neue Konzept verschob auf subtile Weise den geometrischen Ort der Nachhaltigkeit von der Natur auf Entwicklung; während sich zuvor 'nachhaltig' auf erneuerbare Ressourcen bezogen hatte, bezieht es sich jetzt auf Entwicklung. Mit dieser Verschiebung änderte sich die Wahrnehmung; die Bedeutung von Nachhaltigkeit verlagerte sich von Naturschutz auf Entwicklungsschutz. Angesichts der Tatsache, dass Entwicklung konzeptionell zu einer leeren Hülse geworden war, war das, was nachhaltig bleiben sollte, unklar und strittig. Daher sind in den folgenden Jahren alle Arten von politischen Akteuren, selbst glühende Verfechter des Wirtschaftswachstums in der Lage gewesen, ihre Absichten in den Begriff 'nachhaltige Entwicklung' zu kleiden. Der Begriff wurde somit bald selbst-referentiell, wie eine von der Weltbank angebotene Definition treffend bestätigt: 'Was ist nachhaltig? Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die anhält.'"
[aus: Wolfgang Sachs, Nach uns die Zukunft. Der globale Konflikt um Gerechtigkeit und Ökologie, Frankfurt/Main 2002, S. 65]

Will man trotz dieser Kritik auf die etablierte Kombination "nachhaltige Entwicklung" nicht verzichten, kann man nicht umhin, den Entwicklungsbegriff näher zu bestimmen und vom überholten Entwicklungsbegriff der Modernisierungstheorie abzugrenzen. Anregungen hierzu gibt das folgende Schaubild:



Postwachstumsökonomie

In der APuZ-Ausgabe 19-20/2017 zu Karl Marx und "Das Kapital" findet sich ein lesenswerter Beitrag von Niko Paech zur Postwachstumsökonomik, die er auf Seite 44 so definiert:
"Die Postwachstumsökonomik kann als ökologisch orientierte Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften bezeichnet werden. Als Lehr- und Forschungsprogramm richtet sie den Blick auf drei basale Fragestellungen. Erstens: Welche Begründungszusammenhänge lassen erkennen, dass ein weiteres Wachstum des Bruttoinlandsproduktes keine Option für die Gestaltung moderner Industriegesellschaften sein kann? Zweitens: Was sind die Ursachen dafür, dass moderne, auf industrieller Fremdversorgung basierende Volkswirtschaften einem Wachstumszwang unterliegen? Drittens: Was sind die Merkmale einer Ökonomie, deren industrieller Output mit der Einhaltung ökologischer Grenzen harmoniert und insbesondere nicht mehr wächst (Postwachstumsökonomie)?"
Diese reduktive Ökonomie ist das Resultat einer fünffachen Selbstbegrenzung (S. 45-46), die sich mit den folgenden Begriffen verbindet:
  • Suffizienz
  • Subsistenz
  • Regionalökonomie
  • Umbau der restlichen Industrie
  • Institutionelle Maßnahmen
Deutschlandfunk Nova hat in der Reihe "Hörsaal" einen Vortrag von Niko Paech vom September 2019 als Podcast veröffentlicht, der vieles von dem aufgreift, um was es in unserem Seminar zu Nachhaltigkeit und Postwachstum geht. Titel des Vortrags ist "Nachhaltigkeit, Wachstum und globale Gerechtigkeit". Anhören lohnt sich...

Gemeinwohl-Ökonomie

Zu den Grundinformationen zur Gemeinwohl-Ökonomie hatten wir folgende Materialien genutzt:
Zusammengenommen erhält man damit einen sehr guten Einblick, worum es der Gemeinwohl-Ökonomie geht und wo sie die wichtigsten Stellschrauben verortet. Es wäre schön, wenn der eine oder die andere von Ihnen zu diesem hochinteressanten und erfolgreichen Ansatz noch etwas im Blog ergänzen würde...

Dienstag, 12. Mai 2020

Mission: Welt retten! - Dennis Eversberg erforscht das Umdenken

Passend zum Thema des heutigen Seminars, Wachstum in den Köpfen: Kulturelle Prägungen, hat sich unsere Referatsgruppe mit den Texten von Harald Welzer und Naomi Klein beschäftigt.

Harald Welzer spricht in seinem Text „Wie das Wachstum in die Köpfe kam“ unter anderem über grenzenloses Wachstum und dessen Verankerung in unserer Psyche. Passend hierzu spricht Naomi Klein in ihrem Beitrag über unser Konsumdenken und Kaufverhalten und das dazu notwendige Umdenken, wie beispielsweise die Einschränkung des Verbrauchs.

Eine ähnliche Sichtweise lässt sich auch bei dem Soziologen Dr. Dennis Eversberg finden. Bezüglich der Wachstumsthematik geht er der Frage nach, wie wir uns dem Wachstumszwang entziehen können und was den Menschen am besten zum Umdenken bewegt. Der Kurzfilm „Mission: Welt retten! Folge 6: Umdenken“ befasst sich mit den eben genannten Überlegungen und Ansätzen: https://www.mdr.de/wissen/mensch-alltag/mission-welt-retten-dennis-eversberg-degrowth-umdenken-100.html.

Bezüglich des Umdenkens fordert Eversberg mehr Genügsamkeit und glaubt, dass sich das Handeln erst verändern kann, wenn der Kopf mitmacht. Sein Ansatz lautet dabei, mit Hilfe von Degrowth (Postwachstum) das „zerstörerische“ Wachstum in Frage zu stellen, welches durch den Wettbewerb in unserer Gesellschaft vorangetrieben wird.

An dieser Stelle würden wir uns nun über Eure Gedanken, Anregungen und Ideen in Form von Kommentaren unter unserem Blogbeitrag freuen. Welche Lösungsvorschläge gibt es? Wie kann man Menschen für eine genügsame Lebensweise gewinnen? Wie könnte z.B. auch die Politik einen Beitrag zur Unterstützung des Postwachstums leisten?

Vielen Dank für Eure Mitarbeit!
Felicitas Boneberger, Mareike Gebauer & Tahira Schierle

Ein Filmtipp am Rande: Wachstum, was nun? Hier findet Ihr eine passende Dokumentation zum Thema Wachstum, mit Blick auf die Postwachstums-Gesellschaft.

Montag, 3. Februar 2020

Vortrag von Niko Paech als Podcast

Deutschlandfunk Nova hat in der Reihe "Hörsaal" einen Vortrag von Niko Paech vom September 2019 als Podcast veröffentlicht, der vieles von dem aufgreift, um was es in unseren Seminaren zu Nachhaltigkeit und Postwachstum geht. Titel des Vortrags ist "Nachhaltigkeit, Wachstum und globale Gerechtigkeit". Auf der Deutschlandfunk Nova-Website heißt es:
"Elektroauto und Biofleisch als Antwort auf Klimakatastrophe, Artensterben und Umweltzerstörung? Volkswirt Niko Paech erklärt, warum dieses Ausgleichsmodell nicht funktioniert."

Sonntag, 12. Januar 2020

Vortrag von Niko Paech an der Uni Stuttgart

Am 29. Januar 2020, 18:00 - 20:30 Uhr - also ziemlich genau passend, um das Ende der Vorlesungszeit einzuläuten - veranstaltet die Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg an der Universität Stuttgart - Campus Stadtmitte, Hörsaal M12.01 (Azenbergstr. 12, 70174 Stuttgart) - einen Vortrag von Niko Paech zur Nachhaltigkeitsökonomie, einem zentralen Thema unseres Nachhaltigkeitsseminars und des Masterseminars zu Ideen, Ansätzen und Utopien der Gegenwart. Im Beschreibungstext auf der Stiftungs-Website heißt es:
Als «Postwachstumsökonomie» wird eine Wirtschaft bezeichnet, die ohne Wachstum des Bruttoinlandsprodukts über stabile, wenngleich mit einem vergleichsweise reduzierten Konsumniveau einhergehende Versorgungsstruktur verfügt. Die Postwachstumsökonomie grenzt sich von landläufigen, auf Konformität zielenden Nachhaltigkeitsvisionen wie «qualitatives», «nachhaltiges», «grünes», «dematerialisiertes» oder «dekarbonisiertes» Wachstum ab.
Die Veranstaltung wird in Kooperation mit der DGB-Hochschulgruppe Stuttgart, dem DGB Region Nordwürttemberg und Fridays for Future Stuttgart durchgeführt. In der anschließenden Diskussion soll es um Fragen gehen wie: Was heißt das für Arbeitnehmerinnen, Lohnniveau und Sozialversicherung?

Samstag, 21. Dezember 2019

TED Talk von Tim Jackson

Der folgende TED Talk von Tim Jackson, Autor des Klassikers "Prosperity Without Growth" ("Wohlstand ohne Wachstum"), bildet für das Nachhaltigkeitsseminar eine ideale Nachbereitung, für das Masterseminar die Pflicht"lektüre" für die erste Sitzung im neuen Jahr:

Mittwoch, 25. September 2019

Überblickstext zur Postwachstums-Idee

Katharina Mau hat für Krautreporter einen äußerst lesenswerten Text zum Thema Postwachstum entlang folgender Fragen verfasst:
  • Was bedeutet Wachstum wirklich?
  • Warum wollen so viele immer mehr Wachstum?
  • Wie kam das Wachstum in die Köpfe?
  • Was ist schlecht an Wachstum?
  • Aber brauchen arme Länder nicht Wachstum, um ihre Bürger aus der Armut zu holen?
  • Wie würde eine Wirtschaft ohne Wachstum funktionieren? 
  • Wie würde unser Leben aussehen?
  • Gäbe es dann noch Unternehmen?
  • Haben wir dann nicht total viel Arbeitslosigkeit?
  • Kann Deutschland eine Postwachstums-Gesellschaft überhaupt im Alleingang umsetzen, wenn die Welt nicht mitzieht?
  • Aber geht nicht auch beides: Wachsen und gleichzeitig Klima und Umwelt schützen?
  • Wir leben jetzt in einer Wachstumsgesellschaft. Der Umbruch hin zu einer Post-Wachstumsgesellschaft wäre doch gigantisch. Wie soll das gelingen?
  • Welche politischen Parteien unterstützen Postwachstum?
  • Hat so ein Umbruch jemals in der Vergangenheit funktioniert?
Dabei trifft man auf viele alte Bekannte aus unseren Seminaren: Von Alberto Acosta über Tim Jackson und Niko Paech bis hin zu Kate Raworth, Harald Welzer, Edward Bernays oder Yuval Noah Harari.

Montag, 7. Januar 2019

Buen Vivir - das gute Leben jenseits der Entwicklungsideologie

Ein Beitrag von Marius Kölly über folgenden Aufsatz:

Alberto Acosta: Vom guten Leben. Der Ausweg aus der Entwicklungsideologie; in: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hg.) (2015), Mehr geht nicht! Der Postwachstums-Reader, Blätter, S. 191-197.

Der Autor beschäftigt sich zunächst mit dem Begriff der ‚Entwicklung‘ oder auch dem ‚Fortschritt‘ und prangert das Versprechen der Industrieländer (u.a. Truman) auf die „Entwicklung“ und deren Umsetzung an. Genauer gesagt, das Vorgehen der Industrieländer in den peripheren Regionen, z.B. durch Interventionen von IWF und Weltbank auf ökonomischer Ebene, aber auch durch militärische Aktionen. Diese Interventionen werden von den westlichen Industrieländern dadurch legitimiert, dass die „Durchsetzung der Demokratie“ als Voraussetzung für die Entwicklung unabdingbar ist.

Als der Glaube an Entwicklung dann aber zu bröckeln begann, hat man nach alternativen Entwicklungspfaden gesucht, ohne aber den Pfad der Entwicklung komplett zu verlassen, was der Autor sehr kritisch sieht, d.h. der Begriff der Entwicklung wurde mit Zweitnamen versehen: soziale Entwicklung, lokale Entwicklung, ländliche Entwicklung, nachhaltige Entwicklung, endogene Entwicklung, geschlechtergerechte Entwicklung. 

Vom Neoliberalismus zum Extraktivismus

Der Autor fährt mit seiner Kritik an der Entwicklungsideologie weiter fort. In den 80er und 90er Jahren kam es zu – vom Neoliberalismus inspirierten – Reformen, welche allerdings die soziale Ungleichheit und die Umweltprobleme weiter wachsen ließen. Solange, bis die sozialen Konflikte, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und der immer weiter zunehmende Marktradikalismus immer deutlicher wurden.

Dies führte in einigen Ländern Südamerikas zu einem politischen Wandel nach links und zur Ablehnung des Neoliberalismus. Folglich kam es zu neuen Entwicklungsstrategien, die die Ausbeutung der Rohstoffe und des Agrarlands für den Export verfolgten. Genannt „Extraktivismus des 21. Jahrhunderts.“ Mit diesem Wandel bleiben Probleme allerdings nicht aus. Der nun auf Konsum ausgerichtete und räuberische Lebensstil bedroht das globale ökologische Gleichgewicht und schließt immer mehr Menschen von den vermeintlichen Vorteilen der Entwicklung aus.

Auch hier findet der Autor weitere Ansätze zur Kritik. Laut Acosta akzeptieren die lateinamerikanischen Staaten soziale und ökologische Verwüstungen (z.B. im Bereich des industriellen Bergbaus), um den fortgeschrittenen, modernen Ländern nachzueifern. Man schaut zu, wie alles kommerzialisiert wird, während gleichzeitig die eigenen historischen und kulturellen Wurzeln verleugnet werden. Acosta plädiert dafür, dass die natürlichen Ressourcen nicht länger als Basis für wirtschaftliches Wachstum herhalten müssen.

Alternativen zur Entwicklungsideologie – das Konzept ‚Buen Vivir‘

Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Lebensweise innerhalb des Kapitalismus überhaupt möglich ist, die von den politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Menschenrechten sowie den Rechten der Natur angetrieben wird?

In diesem Zusammenhang stellt Acosta das Konzept Buen Vivir als Alternative zur Entwicklung bzw. als Grundlage für einen Diskurs über Alternativen zur Entwicklung vor. Buen Vivir entstand im Kontext indigenen Widerstands gegen den Kolonialismus und wird heute noch in einigen indigenen Gemeinden praktiziert. Als bekannteste Umsetzung des Konzepts gilt die Verfassung Ecuadors und Boliviens, denn hier ist Buen Vivir festgeschrieben.

Buen Vivir stellt das Konzept des Fortschritts und die auf hauptsächlich wirtschaftlichem Wachstum basierende Entwicklung in Frage. Beispielsweise gibt es in einigen indigenen Gemeinschaften gar keinen Begriff für ‚Entwicklung‘. Das Leben ist nach dieser Philosophie kein linearer Prozess mit einem Vorher und Nachher. Es gibt weder unterentwickelte noch entwickelte Phasen, welche die Menschen auf der Suche nach Wohlstand durchlaufen. Es gibt keine Konzepte von Armut und Reichtum.

Denn: Buen Vivir basiert auf der Ethik des „Ausreichenden“ – für die ganze Gemeinschaft und nicht nur für das Individuum. Des Weiteren schlägt das Konzept einen zivilisatorischen Wandel vor, heißt: Man muss den Kapitalismus überwinden, um neue Formen des Wirtschaftens zu erschaffen. Allen voran eine Wirtschaft, die im Einklang mit der Natur steht und die Bedürfnisse der Menschen und nicht die des Kapitals bedient.

Wie bereits angeklungen, spielt die Natur beim Buen Vivir eine zentrale Rolle. Hier gilt es zu verstehen, dass die Menschen ein integraler Bestandteil der Natur sind. Der Mensch muss also aufhören, die Natur zu beherrschen versuchen, denn sie ist keine unerschöpfliche Quelle.

Deshalb setzt sich das Konzept auch zur Aufgabe, die Natur und die Menschen einander anzunähern mit dem Ziel, die Natur zu entkommerzialisieren. Das bedeutet, die ökonomischen Ziele müssen der Funktionsweise der Ökosysteme untergeordnet werden. Also gilt es, die natürlichen Ressourcen nur insoweit zu nutzen, wie die Natur sie regenerieren kann. Hierzu fordert Acosta die Politik auf, die Natur als Rechtssubjekt anzuerkennen, denn die Natur ist nicht bloßes Objekt des Eigentums.

Kurz darauf relativiert der Autor sein ‚Angebot‘ an die Politik mit dem Hinweis, es sei eine „komplexe Aufgabe“. Denn allein die Idee zu akzeptieren, braucht Zeit, sie auszuarbeiten, noch viel mehr. Selbst in Bolivien und in Ecuador, wo das Buen Vivir Teil der Verfassung ist, wird es immer schwieriger umzusetzen, da mittlerweile beide Regierungen neoextraktivistische Politik betreiben und sich der kapitalistischen Akkumulation verschrieben haben.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass Buen Vivir kein fertig ausgearbeiteter Vorschlag ist, noch kann es globales Programm sein. Vielmehr bietet es eine Möglichkeit oder eine Grundlage, um kollektiv neue Lebensformen zu entwicklen. Es kann möglicherweise als Diskussionsplattform zur Entwicklung von Antworten auf beispielsweise die Effekte des Klimawandels und/oder die wachsenden sozialen Verwerfungen herangezogen werden.

Montag, 26. November 2018

Das bedingungslose Grundeinkommen – Raus aus der Leistungsgesellschaft?!

Im Rahmen einer Hausarbeit habe ich mich bereits ausführlicher mit der "Utopie" des bedingungslosen Grundeinkommens (kurz: BGE) nach Götz Werner auseinandergesetzt (hier der ausführliche Eintrag). Hier sollen nun die zentralen Aspekte dieser Ausarbeitung zusammengeführt und Überlegungen, inwiefern das BGE einen Lösungsvorschlag gegen den permanenten Druck der Wachstumsgesellschaft bieten könnte, geteilt werden. Um eines direkt vorwegzunehmen: die Entscheidung, ob sich jemand für oder gegen ein BGE entscheidet, steht und fällt mit dem Gesellschafts- und Menschenbild des Einzelnen.

Was ist das BGE?

Die Grundidee des bedingungslosen Grundeinkommens ist auf den ersten Blick recht simpel: die Gesamtzahl der Bürgerinnen und Bürger erhalten bedingungslos ein Existenzminimum zugesichert; dies geschieht anstelle von Sachleistungen in Form von Geld. Dabei liegt eine spezielle Betonung auf dem Wort „bedingungslos“. So spielt es beispielsweise keinerlei Rolle, welches Vermögen bei einer Person bereits angespart worden ist. Ein wichtiger Punkt des Konzepts besteht darin, dass das Grundeinkommen zu einem Teil des Lohnbestandes gezählt wird. Genauer bedeutet dies: Ein Grundeinkommen bedeutet nicht mehr Geld. Der Teil des Einkommens, welcher die Grundexistenz sichert, wird von der Gemeinschaft an jeden Einzelnen gestellt, alle darüber hinausgehenden Leistungen werden von Arbeitgebern entlohnt. Dabei ist die Höhe des Grundeinkommens nicht endgültig geklärt; fest steht dabei nur, dass ein Existenzminimum beziehungsweise ein Kulturminimum immer abgedeckt sein muss.

Argumente gegen ein BGE
  • Gleich ist nicht gerecht.
  • Finanzierung: Es existieren bereits verschiedene Vorschläge, wie sich ein BGE finanzieren lassen könnte. Die meisten sind allerdings noch nicht zufriedenstellend oder unausgereift.
  • Die wohl größte Schwierigkeit, die mit der Einführung eines BGE auftreten kann, ist die Unberechenbarkeit und die damit stets verbundene Angst vor dem Scheitern eines BGE.
  • Ein solcher Systemwechsel wäre kaum mehr reversibel und dadurch mit einem hohen Risiko verbunden.
Argumente für ein BGE
  • Verlust von Erwerbsarbeit durch Digitalisierung (es ist ohnehin nicht mehr genug Arbeit da).
  • Durch ein BGE kann das Problem der Care-Arbeit gelöst werden (Lohnsubventionierung, durch neue Freiheit kann man sich diese Arbeit wieder"leisten").
  • Alters- und Kinderarmut wären Probleme der Vergangenheit, denn jedem ist ein Leben mit einem Existenzminimum (oder Kulturminimum) zugesichert und somit wäre Alters- und Kinderarmut kaum mehr möglich.
  • Darüber hinaus wären die sozialen Demütigungen und das Leben in Armut für Menschen, welche mit dem Arbeitslosengeld II Ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, ebenfalls Teil der Vergangenheit (Hier noch aktuelle Entwicklungen zum Thema Hartz IV).
  • Erhöhte Innovationsfähigkeit, Freiheit und Selbstverwirklichung.
  • Gesellschaft, in welcher niemand mehr gezwungen wird, einen Arbeitsplatz zu suchen, nur um menschenwürdig leben zu können. Das gesellschaftliche Klima wandelt sich vom „sollen“ zum „wollen“.
  • Attraktivität von unliebsamer Arbeit muss gesteigert werden.
  • Menschen sind nicht zur Arbeit und ständiger Weiterentwicklung gezwungen; damit endet auch der Druck, sich immer höher, schneller und besser als der Rest der Gesellschaft bewegen zu müssen (raus aus der Leistungsgesellschaft, oder auch strukturelle Veränderung nach Hartmut Rosa). 
Fazit: Das wohl größte Argument gegen die Einführung eines BGE (die Unberechenbarkeit bzw. die Angst vor dem Scheitern) muss einer Gegenfrage standhalten: Ist es besser, an einem System festzuhalten, welches bereits jetzt von starken gesellschaftlichen und politischen Problemen geprägt ist? Oder ist es das Risiko wert, auf begründete positive Entwicklungen zu hoffen, um dadurch Lösungen für gesellschaftliche und politische Probleme zu erhalten?

Montag, 12. November 2018

Vortrag zur Postwachstumsökonomie an der PH

Im Rahmen des interdisziplinären Seminars „Klima : Nachhaltigkeit : Bildung“, das in diesem Wintersemester von Prof. Dr. Katrin Bederna und Prof. Dr. Armin Lude angeboten wird, findet am Dienstag 20.11.2018 (14:15 -15:45 Uhr) der öffentliche Vortrag "Postwachstumsökonomie" von Dr. Christoph Gran (Zoe-Institut, Institut für zukunftsfähige Ökonomien) in der Aula, Raum 1.102, statt.

Montag, 17. September 2018

Offener Brief zum Postwachstum

Zeit Online dokumentiert einen offenen Brief von mehr als 200 WissenschaftlerInnen aus allen Mitgliedstaaten an die EU. Er spricht sich im Vorfeld der morgen in Brüssel beginnenden Post-Growth-Konferenz dafür aus, die Fixierung auf Wachstum zu überdenken. Zu den Unterzeichnern zählen viele Wissenschaftler, die hier im Blog immer wieder auftauchen, z.B. Niko Paech, Wolfgang Sachs, Tim Jackson oder Stephan Lessenich. Die Zeit hat den Brief unter folgtendem Titel veröffentlicht: "Schluss mit WachstumWachstumWachstum"...

Mittwoch, 22. August 2018

Video: Die Wachstumsmaschine

Attac und die Heinrich-Böll-Stiftung haben ein stark 2-minütiges Video zum Kern der Problematik von (Post-)Wachstum veröffentlicht:

Dienstag, 5. Juni 2018

TED Talk: Abschied vom Wachstum

In rund 15 min fasst Kate Raworth viele der Themen rund um Nachhaltigkeit und Postwachstum zusammen und schlägt eine neue Orientierung vor, die aussieht wie ein doughnut: https://www.youtube.com/watch?v=Rhcrbcg8HBw.
What would a sustainable, universally beneficial economy look like? "Like a doughnut," says Oxford economist Kate Raworth. In a stellar, eye-opening talk, she explains how we can move countries out of the hole -- where people are falling short on life's essentials -- and create regenerative, distributive economies that work within the planet's ecological limits.

Mittwoch, 4. April 2018

Das Ende des Wachstumsparadigmas, Wachstumszwänge und Postwachstumsgesellschaft

Die 1980er – ab diesem Zeitpunkt reichen die Ressourcen unserer Erde nicht mehr aus, um unsere Lebensweise und die künftiger Generationen dauerhaft zu sichern und die dadurch verursachten ökologischen Folgen zu tragen (vgl. Meadows et al. 2006, XVII). Seitdem nimmt der Bedarf der Menschheit an Ressourcen stetig zu, sodass wir heute ungefähr vier Erden bräuchten, um unsere von Rohstoffen abhängige Lebensweise auf Dauer beizubehalten. 

Entkoppelungsstrategien und „green growth“ – Methoden, mit denen wir unseren Lebensstandard aufrecht erhalten sollen und dennoch die Natur schonen – versuchen, uns darüber hinwegzutäuschen, was Kritiker seit Jahrzehnten als längst überfällig und unumgänglich erachten: Einen Wandel des unserer expansiven Lebensweise zugrundeliegenden Wachstumsparadigmas.

Das Antasten dieser fundamentalen Ideologie galt jahrzehntelang als unmöglich und auch heute noch sträubt sich vielerorts die Politik – aus vielfältigen Gründen –, die Notwendigkeit eines alternativen Gesellschaftsmodells zu thematisieren. Ein Grund dafür ist, dass der Wachstumsgedanke in seiner heute praktizierten exponentiellen Form nicht nur der Ökonomie, sondern auch gesellschaftlichen und subjektorientierten Strukturen zugrundeliegt und tiefer in unseren Köpfen verankert ist, als wir annehmen.


Doch das Wachstum hat seine Versprechungen vom Wohlstand und vom guten Leben für alle nicht gehalten und noch schlimmer: Es hat sich als tickende Zeitbombe herausgestellt. Die Menschheit steht nun vor der Aufgabe, ein neues Gesellschaftsmodell zu entwickeln, das sich zum einen durch die Vereinbarkeit mit den ökologischen Grenzen unserer Erde auszeichnet und sich zum anderen der leeren Versprechen des Wachstums annimmt.

Bedeutet jedoch die Alternativlosigkeit des Endes des Wachstumsparadigmas ein Zurückfallen der Gesellschaftsstrukturen und des Lebensstandards in die 1980er Jahre, als unser Bedarf von nur einer Erde gedeckt werden konnte? Mit dieser Arbeit soll unter anderem die Notwendigkeit eines Wandels klargemacht werden. Ausgehend davon ergibt sich die Frage, weshalb die Menschheit noch immer am Wachstumsparadigma festhält, es sollen also zudem diejenigen Wachstumszwänge thematisiert werden, die einen Ausstieg aus dem zugrundeliegenden Paradigma erschweren. Zuletzt soll das Modell eines bekannten Forschers zur Postwachstumsthematik skizziert werden.