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Mittwoch, 4. März 2020

Handelt es sich bei der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen um ein sinnvolles und realisierbares Verlangen?

1. Einleitung
''Die Finanzierung des Sozialsystems ist an der Erwerbsgesellschaft angelegt; das Ende des wirtschaftlichen Aufschwungs, die demografischen Entwicklungen, aber auch die Veränderungen in den Erwerbsbiografien rütteln daher nicht nur an den finanziellen Grundmauern des Systems, sondern verstärken auch die gesellschaftlichen Spannungen zwischen Erwerbstätigen und anderen Mitgliedern der Gesellschaft" (Thimm 2010, S. 43).
Anhand dieser Analyse unternimmt Katja Thimm den Versuch, die Ursachen und Hintergründe für die Schräglage des deutschen Sozialstaates zu veranschaulichen und auf die Tragweite der zu erwartenden Konsequenzen hinzuweisen. Neben zahlreichen weiteren fatalen Folgen ist es nicht zuletzt die Altersarmut, die sich angesichts des demografischen Wandels und der stetigen Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen massiv auszubreiten droht (Stapf-Finé 2009, S. 202).

Während über die dringende Reformbedürftigkeit des deutschen Sozialstaats daher weitgehende Einigkeit zu herrschen scheint, divergieren die hierzu vorgeschlagenen Maßnahmen fundamental in Art und Umfang. Einer nicht unerheblichen Beliebtheit erfreut sich in der Debatte um eine Neuordnung des Sozialstaats dabei der Vorschlag, die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens anzustreben.
''Unter einem bedingungslosen Grundeinkommen wird meist eine regelmäßige, monatliche Zahlung an alle verstanden, die ohne jegliche Bedingungen und Voraussetzungen gezahlt wird. Typischerweise soll das BGE einen gesellschaftlich festgelegten, akzeptablen Mindestlebensstandard sicherstellen'' (Enste 2019, S.7).
Da die Auszahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens einen weitgehenden Umbau des bestehenden Steuer- und Transfersystems verlangen würde, muss hinsichtlich dieser Forderung zweifelsohne von der Etablierung einer fundamental neuen Gesellschaftsordnung gesprochen werden (Osterkamp 2015d, S. 243). Nicht zuletzt durch eine Volksabstimmung,die in der Schweiz im Jahre 2016 bezüglich der potenziellen Einführung eines BGE durchgeführt wurde, erfuhr die Thematik ein verstärktes öffentliches und mediales Interesse (Enste 2019, S.7). ''77 Prozent der Befragten haben sich dabei gegen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ausgesprochen'' (Enste 2019,S.7).

Der vorliegenden Seminararbeit ist es angesichts der zunehmenden Instabilität des deutschen Sozialstaats ein dringendes Anliegen, sich gewissenhaft mit der Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens auseinanderzusetzen. Nachdem zu Beginn ein grundlegender Überblick über besonders populäre Grundeinkommenskonzepte und deren maßgebliche Unterschiede geleistet wird, werden in der Folge sowohl Vorzüge als auch Nachteile einer bedingungslosen Finanzspritze für alle Bürgerinnen und Bürger einer detaillierten Betrachtung unterzogen. Anschließend widmet sich die vorliegende Abhandlung der Frage, ob und inwiefern finanzielle Umstände und gesellschaftliche Stimmungen der Einführung eines BGE entscheidend im Wege stehen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden abschließend nochmals in gebündelter Form aufgeführt und mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen versehen.

Montag, 26. November 2018

Das bedingungslose Grundeinkommen – Raus aus der Leistungsgesellschaft?!

Im Rahmen einer Hausarbeit habe ich mich bereits ausführlicher mit der "Utopie" des bedingungslosen Grundeinkommens (kurz: BGE) nach Götz Werner auseinandergesetzt (hier der ausführliche Eintrag). Hier sollen nun die zentralen Aspekte dieser Ausarbeitung zusammengeführt und Überlegungen, inwiefern das BGE einen Lösungsvorschlag gegen den permanenten Druck der Wachstumsgesellschaft bieten könnte, geteilt werden. Um eines direkt vorwegzunehmen: die Entscheidung, ob sich jemand für oder gegen ein BGE entscheidet, steht und fällt mit dem Gesellschafts- und Menschenbild des Einzelnen.

Was ist das BGE?

Die Grundidee des bedingungslosen Grundeinkommens ist auf den ersten Blick recht simpel: die Gesamtzahl der Bürgerinnen und Bürger erhalten bedingungslos ein Existenzminimum zugesichert; dies geschieht anstelle von Sachleistungen in Form von Geld. Dabei liegt eine spezielle Betonung auf dem Wort „bedingungslos“. So spielt es beispielsweise keinerlei Rolle, welches Vermögen bei einer Person bereits angespart worden ist. Ein wichtiger Punkt des Konzepts besteht darin, dass das Grundeinkommen zu einem Teil des Lohnbestandes gezählt wird. Genauer bedeutet dies: Ein Grundeinkommen bedeutet nicht mehr Geld. Der Teil des Einkommens, welcher die Grundexistenz sichert, wird von der Gemeinschaft an jeden Einzelnen gestellt, alle darüber hinausgehenden Leistungen werden von Arbeitgebern entlohnt. Dabei ist die Höhe des Grundeinkommens nicht endgültig geklärt; fest steht dabei nur, dass ein Existenzminimum beziehungsweise ein Kulturminimum immer abgedeckt sein muss.

Argumente gegen ein BGE
  • Gleich ist nicht gerecht.
  • Finanzierung: Es existieren bereits verschiedene Vorschläge, wie sich ein BGE finanzieren lassen könnte. Die meisten sind allerdings noch nicht zufriedenstellend oder unausgereift.
  • Die wohl größte Schwierigkeit, die mit der Einführung eines BGE auftreten kann, ist die Unberechenbarkeit und die damit stets verbundene Angst vor dem Scheitern eines BGE.
  • Ein solcher Systemwechsel wäre kaum mehr reversibel und dadurch mit einem hohen Risiko verbunden.
Argumente für ein BGE
  • Verlust von Erwerbsarbeit durch Digitalisierung (es ist ohnehin nicht mehr genug Arbeit da).
  • Durch ein BGE kann das Problem der Care-Arbeit gelöst werden (Lohnsubventionierung, durch neue Freiheit kann man sich diese Arbeit wieder"leisten").
  • Alters- und Kinderarmut wären Probleme der Vergangenheit, denn jedem ist ein Leben mit einem Existenzminimum (oder Kulturminimum) zugesichert und somit wäre Alters- und Kinderarmut kaum mehr möglich.
  • Darüber hinaus wären die sozialen Demütigungen und das Leben in Armut für Menschen, welche mit dem Arbeitslosengeld II Ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, ebenfalls Teil der Vergangenheit (Hier noch aktuelle Entwicklungen zum Thema Hartz IV).
  • Erhöhte Innovationsfähigkeit, Freiheit und Selbstverwirklichung.
  • Gesellschaft, in welcher niemand mehr gezwungen wird, einen Arbeitsplatz zu suchen, nur um menschenwürdig leben zu können. Das gesellschaftliche Klima wandelt sich vom „sollen“ zum „wollen“.
  • Attraktivität von unliebsamer Arbeit muss gesteigert werden.
  • Menschen sind nicht zur Arbeit und ständiger Weiterentwicklung gezwungen; damit endet auch der Druck, sich immer höher, schneller und besser als der Rest der Gesellschaft bewegen zu müssen (raus aus der Leistungsgesellschaft, oder auch strukturelle Veränderung nach Hartmut Rosa). 
Fazit: Das wohl größte Argument gegen die Einführung eines BGE (die Unberechenbarkeit bzw. die Angst vor dem Scheitern) muss einer Gegenfrage standhalten: Ist es besser, an einem System festzuhalten, welches bereits jetzt von starken gesellschaftlichen und politischen Problemen geprägt ist? Oder ist es das Risiko wert, auf begründete positive Entwicklungen zu hoffen, um dadurch Lösungen für gesellschaftliche und politische Probleme zu erhalten?