Glaubt man Schillers akademischer Antrittsrede Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?, so ist die Geschichte ein Feld,
„das dem denkenden Betrachter so viele Gegenstände des Unterrichts, dem tätigen Weltmann so herrliche Muster zur Nachahmung, dem Philosophen so wichtige Aufschlüsse und jedem ohne Unterschied so reiche Quellen des Vergnügens eröffnet“ (Schiller 1789 / 2005, 21).Auch Nietzsche geht davon aus, dass die Geschichte, zumindest richtig genutzt, „einer kräftigen Nahrung“ (Nietzsche 1874 / 2007, 186) gleicht, der man sich bedienen kann, um sich für die Jetztzeit und Zukunft zu stärken. Der hier kommentierte Harari könnte diese Reihe fortsetzend als ein zeitgenössischer Vertreter der Hervorhebung der Vorteile der Historie für das Leben betrachtet werden. Denn nachdem er eine negative Bilanz der Menschheitsgeschichte im Hinblick auf die Förderung des allgemeinen Glücks zieht (vgl. Harari 2013, 458-469), kommt er, nach einem Ausflug in die Biochemie (vgl. ebd., 470-475), zu dem Ergebnis, dass eigentlich nur so richtig das, was schon einmal war – religiöse Sinnstiftung (vgl. ebd., 476f.); philosophische Selbsterkenntnis (vgl. ebd., 478f.) oder buddhistische Gelassenheit (vgl. ebd., 480f.) – zum Glück und einem guten Leben führen.
Und es ist durchaus nicht von der Hand zu weisen. Die Geschichte hat einiges für die Gegenwart zu bieten – auch Antworten auf die Frage danach, was Glück eigentlich ist und wie ein gutes Leben aussieht. Gerade die griechische Antike und insbesondere der Hellenismus können dabei als gute Quellen dienen, aus denen man Ideen für Antworten auf solcherlei Fragen finden kann.
Aristoteles hat hierbei wohl eine der systematischsten Abhandlung über das gute Leben (eu zen) und die Glückseligkeit (eudaimonia) hinterlassen. Dabei ist sein Glücksverständnis von unserem heutigen Glücksverständnis, das oft recht einfach als „subjektives Wohlbefinden“ (Harari 2013, 463) definiert wird, recht weit entfernt. Denn für Aristoteles ist Glück „kein subjektives, privates Gefühl, sondern die Erfüllung einer Rolle, die uns von der kosmischen Ordnung vorgegeben sei“ (Rapp 2013, XII).
In seiner Nikomachischen Ethik heißt es dazu, dass Glückseligkeit „die Tätigkeit der Seele im Sinne der ihr wesenhaften Tüchtigkeit ist“ (Aristoteles, NE 1098a15). In einfachere Sprache übersetzt bedeutet das, dass der Mensch dann glückselig ist, wenn er seinem Wesen gemäß handelt. Da der Mensch, neben einem vegetativen Funktionssystem, auch ein zoon politikon, also ein politisches und Gemeinschaftswesen, und vor allem auch ein zoon logon echon, also ein sprach- und vernunftbegabtes Wesen ist, reicht es nach Aristoteles nicht aus, sich alleine der körperlichen Lust und den niederen Begierden hinzugeben, um Glückseligkeit zu erreichen. Vielmehr muss der Mensch einen guten Umgang mit seinen Mitmenschen pflegen, sich in der und für die Gemeinschaft einsetzen und sich gleichzeitig auch denkerisch betätigen – zusammengefasst: sich aktiv betätigen – um glückselig zu sein und letztlich überhaupt die Chance zu haben, ein gutes Leben führen zu können.
Um seinem Wesen zu entsprechen, ist deshalb die Ausbildung von Tugenden im Sinne von Grundhaltungen und Bereitschaften notwendig. Diese teilen sich, gemäß den verschiedenen Wesensbestimmungen des Menschen als einerseits Gemeinschafts- und andererseits Vernunftwesen, in dianoetische und ethische, also Verstandes- und Charaktertugenden (vgl. Masek 2011, 202).