Am 26.06.2023 veröffentlichte der SWR eine Reportage mit dem Titel “Radikal fürs Klima – Helden oder Kriminelle?“. Hauptaugenmerk der Doku ist die im Titel benannte Kontroverse. Die Argumentatioenn von Personen aus unterschiedlichen Bereichen werden in diesem Blogbeitrag zusammengefasst.
Marco Buschmann (Bundesjustizminister FDP): Buschmann erachtet es für sinnvoll, wenn Bürger sich an der politischen Debatte, was die besten Wege zum Klimaschutz sind, beteiligen – auch durch Demonstrationen. Jedoch sollen sie dabei stets das geltende Recht beachten. Die Entscheidung, ob die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung sei, obliege der Justiz bzw. der Entscheidung der Gerichte, so Buschmann. Hinsichtlich der Diskussion über ein angemessenes Strafmaß für Brüche des Strafrechtes seitens Klimaaktivisten vertritt Buschmann die Auffassung, dass es harte Strafen brauche, um eine Wirkung der Sanktionen zu erreichen. Die Eskalationsspirale nehme nicht weiter zu, wenn Politik, Justiz und Gesellschaft diesen Formen des Protests entschieden entgegentreten.
Katrin Höffler (Professorin für Strafrecht und Kriminologie): Sie ist der Auffassung, dass der politische Protest Teil dessen sei, was unsere Demokratie aushalten müsse. Anders als Marco Buschmann vertritt sie die Auffassung, dass das Strafrecht nicht in dem Maße instrumentalisiert werden darf, dass sich politischer Protest nicht lohnen würde. Dem Vorwurf, die Letzte Generation sei im Sinne des § 119 StGB eine kriminelle Vereinigung, kann sie nicht zustimmen. Dies begründet sie damit, dass der § 119 StGB eng auszulegen sei für bspw. Mafia, organisierte Kriminalität oder rechtsextremistische Gruppierungen. Der § 119 StGB sei ausgelegt für Ermittlungsmaßnahmen in einem ganz anderen Ausmaß und dürfe daher nicht leichtfertig angewendet werden. Hinsichtlich der Diskussion über ein angemessenes Strafmaß vertritt sie die Auffassung, dass härtere Strafen bei Menschen keine Sanktionswirkung haben, die sich aus tiefster Überzeug für den Klimaschutz einsetzen. Stattdessen solle man mit ihnen in den Diskurs gehen. Die Eskalationsspirale nehme immer weiter zu, da sich die Protestler von der Politik nicht verstanden fühlen.
Amelie Meyer (Extinction Rebellion): Schon seit längerer Zeit, so Amelie Meyer, sehe man, dass die Politik nicht ausreichend agiert, um die Klimaziele zu erreichen. Ebenso unzulänglich seien die Reaktionen der Politik auf bisherige konventionelle Formen des Protestes. Daher sei es neben einem generellen Engagement der Bürger in Sachen Klimaschutz auch notwendig, neue Formen des Protests anzuwenden. Dafür ist sie auch bereit, die Konsequenzen zu tragen, mit Protestaktionen eventuell gegen das Gesetz zu verstoßen und dafür strafrechtlich verfolgt zu werden.
Florian Zander (Extinction Rebellion): Es sei lediglich ein Bruchteil von Aktivisten, so Zander, die aktiv gegen Gesetze verstoßen. Jedoch brauche es auch zivilen Ungehorsam seitens Umweltaktivisten. Dies begründet er damit, dass man bereits in der Vergangenheit mehrfach gesehen habe, dass es durch Gesetzesbrüche zu gerechteren Gesetzen gekommen sei. Hierfür nennt er jedoch keine Beispiele.
Luisa Neubauer (Fridays For Future): Die Klimaproteste in den letzten Jahren haben, so Neubauer, die Welt verändert. Sie sorgten u.a. dafür, dass das Thema Klimaschutz zu einem der Wahlkampfthemen wurde und Parteien zum Wahlerfolg verholfen hat. Auch wurde diese Thematik dadurch stärker in den Medien und Unternehmen präsent, so Neubauer. Die Radikalisierung von Klimaprotestformen hat dazu geführt, dass sich einige Politiker von Themen wie Klimaschutz abgewendet haben, da sie sich dadurch profilieren konnten.
Alexander Dobrindt (Fraktionsvorsitzender der CSU im Bundestag): Er betrachtet die Letzte Generation als kriminelle Vereinigung. Dies begründet er damit, dass Anhänger dieser Gruppe sich wiederholt zusammenfänden, um gemeinschaftlich Straftaten zu begehen.
Carla Hinrichs (Letzte Generation): Die Gerichtsprozesse sind für Carla Hinrichs Teil des Prozesses des Klimaaktivismus. Zum einen werde dadurch medial erneut auf die Thematik Umweltschutz aufmerksam gemacht. Zum anderen können die Aktivisten im Gericht für ihre Überzeugungen in der Klimaschutzthematik werben. Insgesamt sei ihre Angst vor der Verschärfung der Klimakrise größer, als die Angst, im Gefängnis zu landen. Viele Demokratien seien, so Hinrichs, erst durch zivilen Widerstand entstanden und Protestaktionen somit ein gutes Mittel, um Positives zu bewirken.
Frank Bräutigam (ARD-Rechtsexperte): Sitzstreiks habe es schon lange vor der Letzten Generation gegeben. In der Vergangenheit kamen viele Gerichte zu dem Entschluss, dass dies strafbare Nötigung sei. Auch wenn wie im Falle der Letzten Generation ein guter Zweck dahinter stehe, nämlich auf Klimaschutz aufmerksam zu machen, ändere dies nichts an der strafrechtlichen Einordnung.
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