Dienstag, 19. Juli 2022

Die Bundesregierung, die Klimakatastrophe und das Bundesverfassungsgericht

Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, was die Bundesregierung tut, um der Klimakatastrophe Herr zu werden - oder eben auch, was Sie nicht tut oder getan hat. Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nämlich das Klimaschutzgesetz (KSG) der Bundesregierung vom 12.12.2019 verfassungswidrig. Mit dem von der Bundesregierung verabschiedeten Gesetz gibt es erstmals einen verbindlichen Rechtsrahmen zum Erreichen der Klimaschutzziele bis 2030. Die WELT schreibt hierzu:

„Mit dem Vorhaben werden nach langem Streit in der Koalition konkrete Treibhausgaseinsparziele für einzelne Sektoren wie Energiewirtschaft, Verkehr oder Wohnen festgelegt. Jedes Ministerium ist beispielsweise dafür verantwortlich, die gesetzten Vorgaben über die nächsten Jahre zu erreichen. Damit soll sicher gestellt werden, dass Deutschland bis 2030 sein Klimaziel erreicht und 55 Prozent Treibhausgase im Vergleich zu 1990 einspart.“ (WELT ONLINE, 2019).

Konkret bedeutete dies, dass die CO2-Preise für fossile Brennstoffe und die Luftverkehrssteuern steigen sollen und Pendler entlastet, Gebäudesanierung staatlich unterstützt und Windkraft ausgebaut und durch finanzielle Anreize attraktiver gestaltet werden soll (WELT ONLINE, 2019).

Diese Umstände führten zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, bei welcher die Mehrheit der Kläger junge Menschen waren. Der Hauptvorwurf lautete, dass der Staat durch den Gesetzentwurf die grundrechtlich verankerten Schutzpflichten gegenüber seiner Bürgerinnen und Bürger verletze, da die Maßnahmen die Klimakatastrophe nicht ausreichend bekämpfen würden und nicht mit dem Pariser Klimaabkommen zu vereinbaren seien. Das Bundesverfassungsgericht schreibt in seiner Pressemitteilung hierzu:

„Das Klimaschutzgesetz verpflichtet dazu, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55% gegenüber 1990 zu mindern und legt durch sektorbezogene Jahresemissionsmengen die bis dahin geltenden Reduktionspfade fest (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2). Zwar kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen gegen seine grundrechtlichen Schutzpflichten, die Beschwerdeführenden vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen, oder gegen das Klimaschutzgebot der Art. 20a GG verstoßen hat. Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden sind durch die angegriffenen Bestimmungen aber in ihren Freiheitsrechten verletzt. Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030. Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen, folgt auch aus dem Grundgesetz. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten ´Paris-Ziel´ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um das zu erreichen, müssen die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind. Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern. Zu dem danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zu Klimaneutralität reichen die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht aus. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.“ (Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 31/2021, 2021).

Konkret sieht der Senat Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, welcher besagt, dass der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit mit einem rechtlichen Anspruch verknüpft sind, nicht im Sinne des Klimaschutzgesetzes bedroht. Obwohl hierzu auch zählt, dass Beeinträchtigungen durch Umweltbelastungen dieses Recht gefährden können. Durch die drohenden, klimabedingten, Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Wald- und Flächenbrände, Wirbelstürme, Starkregen, Überschwemmungen, Lawinenabgänge, Erdrutsche, steigender Meeresspiegel oder Dürren sehen die Beschwerdestellenden dieses recht gefährdet. Der Senat räumt allerdings ein:

„Eine Verletzung dieser Schutzpflichten lässt sich angesichts des dem Gesetzgeber bei der Erfüllung zukommenden Spielraums nicht feststellen. Zum grundrechtlich gebotenen Schutz vor den Gefahren des Klimawandels offensichtlich ungeeignet wäre ein Schutzkonzept, das nicht das Ziel der Klimaneutralität verfolgte; die Erderwärmung könnte dann nicht aufgehalten werden, weil jede Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zur Erderwärmung beiträgt und einmal in die Atmosphäre gelangtes CO2 dort weitestgehend verbleibt und absehbar kaum wieder entfernt werden kann. Völlig unzulänglich wäre zudem, dem Klimawandel freien Lauf zu lassen und den grundrechtlichen Schutzauftrag allein durch sogenannte Anpassungsmaßnahmen umzusetzen. Beides ist hier nicht der Fall. Im Ergebnis kann auch nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber seinen Entscheidungsspielraum überschritten hat, indem er das ´Paris-Ziel´ zugrunde gelegt hat, wonach der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen ist.“ (Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 31/2021, 2021).

Zudem sei es nicht klar, ob der deutsche Staat grundrechtliche Schutzpflichten gegenüber den in Bangladesch und Nepal lebenden Beschwerdeführenden habe. Viel eher sieht der Senat allerdings Grundrechtsverletzungen darin,

„[…] dass die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 zugelassenen Emissionsmengen die nach 2030 noch verbleibende Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren und dadurch praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet ist. […]. Der Gesetzgeber hätte Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität treffen müssen, an denen es bislang fehlt.“ (Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 31/2021, 2021).

Hinzu kommt die Tatsache, dass zukünftig eine Wahrscheinlichkeit zu massiven Freiheitseinschränkungen zum Schutz des Klimas, welche verfassungsrechtlich und verhältnismäßig sein könnten, besteht. Um hier in Zukunft die Einschränkungen von Freiheiten so mild wie möglich zu halten, ist die Bundesregierung zu einer Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes aufgefordert, da schnelles Handeln hier unabdingbar ist. Hier wird sich auf Art. 20a GG berufen:

„Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag der Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren können.“ (Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 31/2021, 2021).

Das Bundesverfassungsgericht merkt zudem an, dass das Klimaschutzgesetz § 4 Abs. 6 KSG nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 80 Abs. 1 GG und dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts entspricht und ordnet an:

„Der Gesetzgeber muss jedenfalls die Größe der festzulegenden Jahresemissionsmengen für Zeiträume nach 2030 selbst bestimmen oder nähere Maßgaben zu deren konkreten Bestimmung durch den Verordnungsgeber treffen.“ (Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 31/2021, 2021).

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz überarbeitet. Dies trat am 31. Augst 2021 in Kraft. Hierbei hat die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Die Emissionen sollen nun bis 2030 um 65% sinken. Zudem heißt es auf der Homepage der Bundesregierung:

„Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet den Staat, aktiv vorzubeugen, so dass es in Zukunft nicht zu unverhältnismäßigen Einschränkungen der Freiheitsgrundrechte der heute jüngeren Menschen kommt.“ (Bundesregierung Homepage, 2021).

Literatur

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