Montag, 11. Juli 2022

Aquaponik: Wenn Fische und Gemüse im Kreislauf stehen

Die Meere sind überfischt, die Felder überdüngt und der Klimawandel sorgt dafür, dass sich die Biodiversität drastisch reduziert hat. Hinzu kommt, dass die Wasserqualität von Seen und das Grundwasser unter der konventionellen Fischzucht leidet. Eine mögliche Lösung könnte sein, diese Probleme zu kombinieren und hieraus ein neues Konzept zu entwickeln. Erste Forschungsergebnisse des Aquaponik-Konzepts sind vielversprechend und der erste Schritt in die richtige Richtung.

Dieser Blogeintrag beschreibt das Konzept Aquaponik in Kürze und fragt, inwieweit es zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen kann. Darüber hinaus wird auf die politische Umsetzung bzw. Förderung eingegangen.

Einer der signifikantesten Bereiche, der Einfluss auf die Erderwärmung hat, ist der Landwirtschaftssektor. Monokulturen und der übermäßige Gebrauch von Düngern und Pestiziden schaden nicht nur unseren Böden, sondern zerstören ganze Ökosysteme, haben Einfluss auf die Artenvielfalt und verunreinigen das Grundwasser (vgl. Busse 2020, S. 64 ff.).

In Zahlen gesprochen, ist der Anbau unserer Lebensmittel für rund ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Diese Zahl beinhaltet den Transport unserer Nahrung nicht. Unsere Lebensweise hat jedoch nicht nur Auswirkungen hierauf: 70% des weltweiten Trinkwassers wird für die Landwirtschaft genutzt, um die Produkte so herstellen zu können, wie es unsere Lebensweise verlangt (vgl. Bundesinformationszentrum Landwirtschaft 2022, o.S.).

Vorteile von Aquaponik für Klima und Umwelt

Mit dem Konzept Aquaponik könnte im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft bei der Produktion von Nahrungsmitteln der Wasserverbrauch um 90 Prozent verringert werden (vgl. Bundesinformationszentrum Landwirtschaft 2021, o.S.). Doch was genau versteht man unter Aquaponik?

„Aquaponik ist ein nachhaltiges landwirtschaftliches Produktionsverfahren, welches Aquakultur und Hydrokultur miteinander vereint“ (Bräuer 2017, S. 372).

Bei dem System wird die Aufzucht von Fischen mit dem Anbau von Gemüse in geschlossenen Systemen verbunden.

„Da in Deutschland die Errichtung neuer Aquakulturanlagen in freien Gewässern räumlich begrenzt ist und hohen umweltrechtlichen Genehmigungshürden unterliegt, wurden in den letzten Jahrzehnten gebäudebasierte Kreislauf-Aquakulturanlagen mit mechanischen und biologischen Filtersystemen zur Prozesswasseraufbereitung entwickelt“ (Morgenstern et al. 2017, S. 2).

Die jüngste Entwicklung basiert auf diesem Konzept und beschreibt die sogenannten Aquaponik-Produktionsanlagen, welche Aquakultur mit Hydroponik (Pflanzenzucht in Wasser) auf ressourcenschonende Weise verbindet und in moderner Form die Idee der alten asiatischen gemischten Systeme der Karpfenhaltung in überfluteten Reisfeldern aufgegriffen hat.

Besonders in den Städten lässt sich Aquaponik in die moderne Bewegung des Urban Farming sehr gut einordnen. Aquaponik kann hierbei von Jedermann umgesetzt werden: Es reicht von kleinen soziokulturellen Einrichtungen bis zu hochmodern, kommerziell betriebenen Anlagen. Die Planung und das Betreiben von Aquaponikanlagen sind jedoch fachlich anspruchsvoll und es bedarf einer sachkundigen Betreuung. Neben Belangen des Lebensmittelrechtes spielt der Tierschutz eine nicht unerhebliche Rolle (vgl. Bräuer 2017, S. 372).

Bei gewerblich betriebenen Aquaponikanlagen sollte mindestens eine verantwortliche Person eine fischereiliche Qualifikation besitzen oder über einen Sachkundenachweis nach § 11 Tierschutzgesetz (TierSchG) verfügen. Zum Managementplan des Betriebes gehören u.a. ein betriebsspezifisches Hygienekonzept sowie Schlachtungs- und Vermarktungsstrategien für die in dem geschlossenen Nährstoffkreislauf produzierten Fische.

Das Konzept wird von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) weltweit als zukunftsträchtige Technologie eingestuft. Demnach ist es verwunderlich, dass Aquaponik in Europa noch relativ unbekannt ist (vgl. Milicic et al. 2017).

„Dabei wird der Aquaponik im Allgemeinen ein hohes Nachhaltigkeitspotential zugesprochen, da dieses System im Idealfall als geschlossener Wasser- und Nährstoffkreislauf funktioniert“ (Bergleiter et al. 2017).

Aus ökologischer Sicht bieten Aquaponik-Systeme mehrere Vorteile. Zum einen müssen sie keine landwirtschaftlichen Nutzflächen beanspruchen bzw. diese Fläche wird um ein Vielfaches geringer. Darüber hinaus entsteht durch die Kopplung der Fisch- und Gemüseerzeugung eine höhere Ressourcen- und Klimaeffizienz im Vergleich zum konventionellen Fischfang bzw. Freilandgemüseanbau bzw. der Gewächshausproduktion.

Ein weiterer positiver Aspekt lässt sich mit der Schonung der natürlichen Fischbestände näher beschreiben. In diesem Zusammenhang könnte darüber hinaus auf eine Einsparung von Düngemitteln Wert gelegt werden und der Wasserverbrauch im Landwirtschaftssektor würde drastisch zurückgehen. Damit verbunden ist eine Senkung der Abwasserbelastung. Morgenstern et. al. (2017, S. 2) erwähnen darüber hinaus im Idealfall eine Vermeidung von Antibiotika oder ähnlichen Medikamentenzusätzen und chemischen Pflanzenschutzmitteln.

Es wird zudem betont, dass Aquaponik weitgehend unabhängig von den regionalen klimatischen Bedingungen ist. Das führt dazu, dass das Konzept auch auf belasteten Böden, im urbanen Bereich und damit direkt bei Verbraucher*innen umsetzbar ist – lange Fahrtwege der Nahrungsmittel könnten somit ebenfalls erheblich verringert werden. Um dieses Nachhaltigkeitspotential auszuschöpfen, ist die Weiterentwicklung der Anlagen unter ökologischen und produktionstechnischen Gesichtspunkten zunehmend Gegenstand der Forschung.

Politische Förderung und Umsetzung

Diese Art von neuartigen Produktionsweisen und Anbauverfahren von Lebensmitteln wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung seit fünf Jahren mit 20 Millionen Euro jährlich unterstützt. Wenn ein Unternehmen auf das Konzept des Aquaponik umsteigen möchte, benötigt es Geld, um die hohen Investitionskosten zu decken, das notwendige Fachwissen über Fische, Pflanzen und Mikroorganismen, technische Kenntnisse, Kosten für Wasser, Strom und Personal sowie die tägliche Kontrolle der Anlage.

Mit einer Subvention von 20 Millionen Euro, welche hauptsächlich in die Forschung des Anbauverfahrens investiert wird, kann sich jedoch kaum ein Unternehmen solch eine Umstrukturierung leisten. Demnach ist ausschlaggebend dafür, wie profitabel das Konzept ist, inwieweit das Design der Anlage mit dem lokalen Lebensmittelmarkt, der geografischen Lage und den Kosten für Strom, Belüftung und Wasserpumpen in Verbindung steht. Die Nutzung von erneuerbaren Energien und energieeffiziente Gewächshäuser sind deshalb wichtig für Wirtschaftlichkeit. Um zukünftig die Nahrungssicherheit der ganzen Bevölkerung sichern zu können, bedarf es jedoch genau dieser großen Anlagen.

„In Entwicklungsländern, wo Ressourcen besonders knapp sind und der Klimawandel noch spürbarer, können auch kleinere Systeme sinnvoll sein, so Expert*innen“ (vgl. Schauenberg 2021, o.S.).

Darüber hinaus besteht die Herausforderung, dass die Lebensmittel, die mit Hilfe von Aquaponik-Anlagen gezüchtet werden, nicht als bio zertifiziert werden dürfen, da sie nicht auf Ackerboden oder in Naturbecken gezogen wurden. Die sogenannten blün-Produkte haben zum aktuellen Zeitpunkt noch kein Siegel. Dies sollte zukünftig geändert werden.

Blick in die Zukunft

„Werner Kloas (IGB-Forscher) sieht in Aquaponik dennoch die Zukunft. Gerade vor dem Hintergrund, dass durch das Bevölkerungswachstum in den kommenden Jahren immer mehr Lebensmittel produziert werden müssen und die Ressourcen knapp sind“ (Schauenberg 2021, o.S.).

Dass ein Unternehmen mit dem Konzept des Aquponik schwarze Zahlen schreiben kann, zeigt das niederländische Unternehmen Omegabaars. Die Fischfarm hat einen gemeinsamen Wasser- und Nährstoffkreislauf mit einer benachbarten Tomatenplantage aufgebaut (vgl. Schauenberg 2021, o.S.). Aber auch das deutsche Unternehmen Sallys Welt investierte 2020 in das Konzept Aquaponik und wird zukünftig mit der Stadt Helmstadt-Bargen in ein Aquaponikprojekt als Vorreiter für den europäischen Markt investieren.

Literatur

  • Bergleiter, S./ Böhm, M./ Censkowsky, U./ Meisch, S./ Schulz, C./ Seibel, H. Et al. (2017): Kreislaufanlagen - Positionen des Ökosektors. Recirculation aquaculture systems - positions of the organic sector. [online] www.orgprints.org/32165/ (zuletzt abgerufen am 04.07.2022).
  • Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (2022): Wasserfußabdruck: Wie viel Wasser steckt in landwirtschaftlichen Produkten? [online] https://www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/umwelt/wie-viel-wasser-steckt-in-landwirtschaftlichen-produkten (zuletzt abgerufen am 04.07.2022).
  • Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (2021): Aquaponik- Fisch- und Pflanzenzucht unter einem Dach [online] https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-funktioniert-landwirtschaft-heute/aquaponik-fisch-und-pflanzenzucht-unter-einem-dach (zuletzt abgerufen am 04.07.2022).
  • Busse, T. (2020): Die Artenvielfalt stirbt – und wir schauen zu. In: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hrsg.): Unsere letzte Chance. Der Reader zur Klimakrise. S. 60-71.
  • Bräuer, G. (2017): Tierschutz und Aquaponik – wie passt das zusammen? In: LBH: 9. Leipziger Tierärztekongress – Tagungsband 3, S. 374-377.
  • Milicic, V. /Thorarinsdottir, R. /Dos-Santos, MJPL. /Hancic, MT. (2017): Commercial aquaponics approaching the European market. To consumers perceptions of aquaponics products in Europe. Water, S. 9-80.
  • Schauenberg, T. (2021): Aquaponik: Zukunft der Landwirtschaft? [online] https://www.dw.com/de/ern%C3%A4hrung-aus-gew%C3%A4chsh%C3%A4usern-fische-helfen/a-58684751 (zuletzt abgerufen am 04.07.2022).
  • Somerville, C. /Cohen, M. /Pantanella, E. /Stankus, A. /Lovatelli, A. (2014): Small-scale aquaponic food production. Integrated fish and plant farming. In: FAO - Fisheries and Aquaculture Technical Paper. S. 589.
  • Mergenthaler, M./ Lorleberg, W. (2016): Voruntersuchung zur Zahlungsbereitschaft für frischen und geräucherten europäischen Wels aus einer Aquaponik-Pilotanlage. Notizen aus der Forschung Nr. 14/2016, Fachbereich Agrarwirtschaft, Soest.
  • Morgenstern, R./Biernatzki, R./Boelhauve, M. /Braun, J./ et.al. (2017): Pilotstudie “ Nachhaltige Aquaponik-Erzeugung für Nordrhein-Westfalen“. [online] https://www.researchgate.net/profile/Rolf-Morgenstern/publication/315715601_Pilotstudie_Nachhaltige_Aquaponik-Erzeugung_fur_Nordrhein-Westfalen/links/58de43db458515add9051f75/Pilotstudie-Nachhaltige-Aquaponik-Erzeugung-fuer-Nordrhein-Westfalen.pdf (zuletzt abgerufen am 04.07.2022).
  • Pollard, G./Ward, J. D./Koth, B. (2017): Aquaponics in Urban Agriculture. Social Acceptance and Urban Food Planning. Horticulturae 3 (2), S. 39.
  • Schneider, H./Wilken, R. (2011): Der Einfluss von Stimmungen auf die Zahlungsbereitschaft. Marketing ZFP 33 (1), S. 32–45.
  • Vermeir, I./Verbeke, W. (2006): Sustainable Food Consumption. Exploring the Consumer “Attitude – Behavioral Intention” Gap. J Agric Environ Ethics 19 (2), S. 169–194.

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