Dienstag, 12. Juli 2022

Tempolimit auf Autobahnen

Als im November 2021 die Parteien SPD, Grüne und FDP den Koalitionsvertrag ausgehandelt haben, existierte bei manchen die Hoffnung, dass ein generelles Tempolimit aufgrund der Mitwirkung der Grünen kommen wird. Allerdings war dem nicht so und manche Stimmen sahen darin ein Zugeständnis an die FDP.

Kein halbes Jahr später überfiel Russland die Ukraine und seither herrscht Krieg. Deutschland ist von Russlands Rohstoffimporten abhängig. Die damit einhergehenden Zahlungen Deutschlands an Russland können als Finanzierung des Krieges angesehen werden. Dies führte unter anderem dazu, dass sich die Umweltministerkonferenz der Länder für ein Autobahn-Tempolimit einsetzte, mit der Begründung, dass dies eine kostengünstige, schnell umsetzbare und sofort wirksame Maßnahme sei, um den nationalen Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Dies würde wiederum die Abhängigkeit von russischen Rohstoffimporten verringern. Die Umweltminister stellen sich somit gegen die Bundesregierung, die ein Tempolimit zum jetzigen Zeitpunkt ablehnt.

Doch neben dem Aspekt der Reduzierung von Rohstoffimporten existieren weitere Argumente, fossile Kraftstoffe einzusparen – eines davon ist die Klimakrise. Doch bevor das klimafreundliche Potenzial eines Tempolimits thematisiert wird, soll eine kurze Bestandsaufnahme vorgenommen werden. In Deutschland sind 70% der Autobahnstrecken ohne Tempolimit. Dies sind rund 18115 Kilometer. Auf diesen Abschnitten beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit 125 km/h, ermittelte die Bundesanstalt für Straßenwesen.

Betrachtet man sämtliche Autobahnabschnitte (25767 Kilometer), beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit 104 km/h im Mai 2022. Zu diesem Ergebnis kam der Navigationshersteller TomTom und verweist darauf, dass dies nur um einen Kilometer pro Stunde von der Durchschnittsgeschwindigkeit vor der Spritpreiserhöhung abweicht. Der Datenanalyst Ralf-Peter Schäfer folgert daraus, dass die Erhöhung des Spritpreises keinen Einfluss auf die Fahrweise der Deutschen hatte.

Das Umweltbundesamt (UBA) untersuchte den Zusammenhang der gefahrenen Geschwindigkeit von Kraftfahrzeugen und der daraus resultierenden Umweltbelastung. Darüber hinaus befasste es sich damit, welchen Beitrag Geschwindigkeitsbeschränkungen zur Verminderung von Umweltbelastungen leisten können. Das UBA kommt zu der Erkenntnis, dass ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen einen kurzfristig realisierbaren, kostengünstigen und wirksamen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen leisten würde. Neben diesem Effekt würde ebenso die Lärm- und Schadstoffemissionen reduziert werden.

Im Jahr 2019 fand eine Neuberechnung der Emissionswerte von PKW und leichten Nutzfahrzeugen statt. Das UBA ermittelte, dass ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Bundesautobahnen die jährlichen Emissionen um 1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent reduziert. Bei einem Tempolimit von 120 km/h beläuft sich die Reduktion auf 2,6 Millionen Tonnen und bei einem Tempolimit von 100 km/h sogar auf 5,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Ein weiteres Argument, das momentan für ein Tempolimit spricht, ist ein moralisch-ethisches. Kraftstoffen wird, um sie klimafreundlicher zu machen, Bioethanol beigemischt. Alleine in Deutschland werden dadurch jährlich 2,4 Millionen Tonnen Futter- und Lebensmittel zur Kraftstoffbeimischung verwertet. Mit Blick auf die drohende Lebensmittelknappheit durch den Krieg in der Ukraine entsteht ein weiteres Argument, das für ein Tempolimit spricht.

Darüber hinaus existiert eine gesellschaftliche Akzeptanz für ein Tempolimit auf Autobahnen. So ermittelte die Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland 2020“, dass 64% der Befragten einem Tempolimit zustimmen.

Neben den genannten Argumenten, die für ein Tempolimit sprechen, können weitere aufgeführt werden. Nach Berechnungen des UBA könnte die Zahl von Verkehrstoten um ca. 140 Menschenleben gesenkt und somit halbiert werden. Ein Grund hierfür könnte der bessere Verkehrsfluss sein, da die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Autos geringer ist. Auch dies hat positive Auswirkungen auf die CO2-Emisionen. Ein letztes, wichtiges Argument ist: ein Tempolimit würde den Anreiz schaffen, leistungsärmere beziehungsweise sparsamere Autos zu bauen.

Literatur

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