Dienstag, 16. August 2022

Wasserkrise - Rolle der Privatisierung der Wasserwirtschaft

Wasser ist Leben. Dieser Satz verdeutlicht die enorme Wichtigkeit der Ressource Wasser. Unsere Gesellschaft benötigt Wasser in den unterschiedlichsten Lebensbereichen, sei es für den täglichen Konsum, Hygiene, die Landwirtschaft oder die wirtschaftliche Produktion. Ohne Wasser wäre jegliches Leben auf der Erde unmöglich, weshalb der Zugang zu ausreichendem und sauberem Trinkwasser als grundlegendes Menschenrecht angesehen werden sollte (vgl. Rejak, 2018, S. 6ff.).

Die gegenwärtige Wasserkrise stellt uns auf globaler Ebene vor eine große Herausforderung. Viele Länder, vor allem in den südlichen Regionen der Erde, leiden unter chronischem Wassermangel, woraus gesundheitliche Probleme und Krankheiten angesichts der mangelnden Hygiene hervorgehen. Die vor allem regional und klimatisch bedingte Ungleichverteilung des Wassers und die damit einhergehende Wasserknappheit machen sich vor allem große Wasserkonzerne, wie beispielsweise der Schweizer Konzern Nestlé, zunutze. Eine Privatisierung der Wasserversorgung kann zwar Vorteile mit sich bringen, geht aber letztendlich immer zulasten der ansässigen Bevölkerung, welche die Folgen erdulden muss (vgl. Müller/Henne, 2007, S. 14f.).

In diesem Beitrag erfolgt zu Beginn eine Hinführung zur Thematik Wasser, wobei auf den allgemeinen Ressourcenverbrauch und die Wasserkrise auf nationaler und globaler Ebene eingegangen wird. Im Anschluss wird der Begriff der Wasserprivatisierung genauer erläutert sowie dessen Vor- und Nachteile diskutiert. Der genaue Vorgang und die Folgen der Wasserprivatisierung werden am Beispiel des Nestlé Konzerns verdeutlicht. Zum Schluss werden die globalen Maßnahmen hin zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft aufgezeigt.

Zahlen und Fakten zum Thema Wasser

Wasserverbrauch in Deutschland

Deutschland ist grundsätzlich ein sehr wasserreiches Land, welches insgesamt rund 5850 Wasserversorgungsunternehmen besitzt. Die Süßwasserressourcen belaufen sich derzeit auf 188 Milliarden Kubikmeter, woraus jährlich 24 Milliarden Kubikmeter entnommen werden. Etwa 99 Prozent der Bevölkerung werden in Deutschland durch die öffentliche Wasserversorgung mit Trinkwasser versorgt (Borchard, 2021, S. 10).

Der Pro-Kopf-Verbrauch der Deutschen lag im Jahr 2016 bei 123 Litern pro Tag. Zu dieser Menge gehören die Komponenten Körperpflege, Kochen, Trinken, Wäschewaschen und andere häusliche Gebräuche. Dafür werden 5,2 Milliarden Kubikmeter Wasser aus den Wasserkreisläufen entnommen, bei denen es sich hauptsächlich um Quell- oder Grundwasser handelt. Im Verlauf der letzten Jahre ist jedoch ein Rückgang des Grundwasserspiegels zu beobachten, welcher auf die zunehmenden Dürreperioden durch sich ändernde klimatische Bedingungen zurückzuführen ist (Borchard, 2021, S. 11).

Wasserverbrauch global

Der allgemeine globale Wasserverbrauch unterteilt sich in drei Sektoren: An der Spitze des Wasserverbrauchs steht die Landwirtschaft mit 69 Prozent, gefolgt von der Industrie mit 28 Prozent und die privaten Haushalte mit 8 Prozent. Dabei sind die globalen Trinkwasserressourcen geographisch sehr ungleich verteilt.

Einem Bericht der UN zufolge verbraucht ein Mensch durchschnittlich etwa 50 Liter Wasser am Tag. Trotz dieser überschaubaren Menge ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser vor allem in ärmeren Regionen stark eingeschränkt. So haben beispielweise in Afrika nur 38 Prozent der Bevölkerung Zugang zu ausreichend sauberem Trinkwasser (vgl. Rejak, 2018, S. 5). Frech (2018, S. 238) beschreibt den gegenwärtigen Zustand wie folgt:

„Im vergangenen Jahrhundert hat sich die Weltbevölkerung verdreifacht, der Wasserverbrauch hingegen ist um das Achtfache gestiegen und wächst weiter. Laut den Vereinten Nationen haben 2,1 Milliarden Menschen immer noch keinen Zugang zu einer sicheren Trinkwasserversorgung.“

Virtuelles Wasser

Wasser wird zudem auch für die Herstellung zahlreicher Lebensmittel und Güter wie Kleidung benötigt. Für die Herstellung einer Jeans werden beispielsweise rund 120 Liter Wasser verbraucht. Da der Mensch dieses Wasser sozusagen nur indirekt verbraucht, wird es als „virtuelles Wasser“ bezeichnet. Unter diesen Begriff fällt also die Gesamtmenge Wasser, welche zur Herstellung eines Produktes benötigt wird (vgl. icon.h20.com, 2022). Der britische Wissenschaftler John Anthony Allan kategorisiert 1993 den virtuellen Wasserverbrauch in drei Formen:

  • Grünes Wasser bezeichnet das versickerte Regenwasser und die Bodenfeuchtigkeit im Erdreich.
  • Blaues Wasser meint das Grund- und Oberflächenwasser, das zur Bewässerung von Ackerflächen genutzt wird. Im industriellen und häuslichen Gebrauch ist das virtuelle Wasser gemeint, welches in der Produktion von Gütern eingesetzt wird, aber nicht mehr zurückverfolgt werden kann.
  • Mit Grauem Wasser ist das durch Chemikalien und Pestizide verschmutzte Wasser im Produktionsprozess gemeint (vgl. Swars, 2018, S. 268).

Da virtuelles Wasser für uns Menschen nicht richtig sichtbar und die verbrauchte Menge dementsprechend schlecht nachvollziehbar ist, gibt es zur Messung und Darstellung des eigenen Wasserverbrauchs das Konzept des virtuellen Fußabdruckes. Dieser gewährleistet eine bessere Nachvollziehbarkeit des virtuellen Wasserverbrauchs und stellt somit eine Verbindung zwischen dem eigenen Verbrauch und dem damit verbundenen Zustand der wasserbezogenen Ökosysteme dar (vgl. ebd.). Dieser verdeutlicht den herrschenden Überkonsum der vorhandenen Wasserressourcen vor allem in Industrieländern und gibt zudem Aufschluss über den Verlauf der nationalen und globalen Wasserströme (vgl. Frech, 2018, S. 238ff.).

Wasserkrise

Nach diesem kurzen Überblick zum nationalen und globalen Wasserverbrauch sollen nun die konkreten Folgen der daraus resultierenden und gegenwärtig bereits angebrochenen Wasserkrise näher beleuchtet werden. Die Wasserkrise setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen und hat unterschiedliche Ursachen.

Ein großes Problem stellt die nach wie vor wachsende Weltbevölkerung dar sowie die stetig steigende Nachfrage nach Wasser von Seiten der Landwirtschaft und Industrie. Durch das sich ändernde Klima entstehen mehr Dürren, welche die jetzigen Wasservorräte nochmals zusätzlich ausdünnen (vgl. Barlow, 2017, S. 120). Aktuell sterben mehr Menschen durch chronischen Wassermangel oder verseuchtes Wasser als durch Gewalttaten. Ein erheblicher Anteil der Weltbevölkerung hat zudem keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen. Die Folgen sind starke hygienische Mängel, wodurch sich Krankheiten schneller verbreiten können (vgl. Barlow, 2017, S. 119).

Laut UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wird die Nachfrage nach Wasser bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent ansteigen. Angesichts der weiter voranschreitenden Dürren wird der Wassermangel noch deutlicher und verheerender ausfallen und die Mehrheit der Menschen wird nach zwei Generationen unter Wassermangel leiden. Dies führt des Weiteren zu Hungersnöten und zunehmender Landflucht aufgrund schlechter Lebensbedingungen (vgl. Barlow, 2017, S. 120).

Im Folgenden werden zwei zentrale Faktoren der Wasserkrise angeführt: die Infrastruktur der Wasserversorgung sowie das industriell bedingte Abpumpen von Grundwasser.

Infrastruktur der Wasserversorgung

Global gesehen verfügt unsere Erde insgesamt über 1,4 Milliarden km³ Wasser, wovon insgesamt nur ein sehr geringer Teil als Trinkwasser aufbereitet werden kann. Von diesen 1,4 Milliarden km³ Wasser machen nur circa 2,5 Prozent den Süßwasseranteil aus, was etwa 35 Millionen km³ Wasser entspricht. Von dieser Menge befinden sich etwa 70 Prozent auf den Polkappen, Gletschern und Sümpfen der Erde, dessen Wasservorräte sehr schlecht als Trinkwasser aufbereitet werden können (vgl. Rejak, 2018, S. 5).

Durch wachsende Bevölkerungszahl, zunehmende Urbanisierung, Migration und Industrialisierung wächst der Bedarf an Trinkwasser immens an. Aktuell fehlt knapp 1,1 Milliarden Menschen der Zugang zu sauberem Trinkwasser und 2,2 Milliarden Menschen der Zugang zu sanitären Einrichtungen. Aufgrund dieses Problems sterben laut Bericht der UN täglich knapp 6000 Menschen, womit das eigentlich gesetzte Ziel eines „Wassergrundrechts“ noch weit verfehlt wird (vgl. Ranftl, 2018, S. 21).

Zudem entstehen vor allem in ärmeren Regionen zunehmend Probleme durch Wasserverschwendung oder -verunreinigung. So kommt beispielsweise ein erheblicher Teil des für die Landwirtschaft vorgesehen Wassers noch während des Transports abhanden. Dies gilt ebenfalls für das unterirdische Wasser, das aufgrund undichter Rohre verloren geht (vgl. Rejak, 2018, S. 5). Ebenso spielt die Wasserverschmutzung vor allem in Flüssen südlicher Länder eine große Rolle. Durch unsachgemäße Reinigung der Abwasseranlagen fließen 90 Prozent verunreinigtes Wasser in die örtlichen Flüsse und Seen. Die Folge sind sehr hohe Krankheitsraten der örtlichen Bevölkerung (vgl. Rejak, 2018, S. 5f.).

Um festzustellen, ob eine Person ausreichend Zugang zu Trinkwasser hat, wird der Wasserknappheitsindex von Falkenmark genutzt. Danach sind mittlerweile fast 40 Prozent der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen, was laut Fröhlich (2018, S. 249f.) die Wahrscheinlichkeit für zunehmende nationale und internationale Wasserkonflikte steigern könnte. Hinzu kommt, dass die Verteilung von Wasser nicht nur an geographische und klimatische Aspekte gekoppelt, sondern auch in politische und wirtschaftliche Machtstrukturen eingebunden ist, auf die später noch genauer eingegangen wird.

Abpumpen von Grundwasser

Bei knapp 99 Prozent unseres Süßwasservorkommens handelt es sich um Grundwasser (vgl. UN water report, 2022, S. 2). Das global vorhandene Grundwasser lässt sich in zwei Kategorien untergliedern. 94 Prozent des Grundwassers ist fossil und erneuert sich über die Jahre selbst, ist aber aufgrund darin gespeicherter Metalle und radioaktiver Elemente nicht verwendbar. Die anderen sechs Prozent des Grundwasservorkommens sind je nach klimatischen und geographischen Bedingungen ungleich verteilt.

Der Wasserverbrauch steigt erheblich an. Diese klimatischen und wirtschaftlichen Bedingungen führen vor allem in trockenen Regionen zur Übernutzung der Grundwasserressourcen. Ursachen dafür sind die fehlende politische Regulation der nachhaltigen Grundwasserentnahme sowie die staatliche Subventionierung von Energie, wie beispielsweise der Einsatz von Dieselpumpen in der Landwirtschaft. Dies führt zum einen zu einer Bodendegradation durch das Abpumpen von Grundwasser sowie zu einer Versalzung des Ackerbodens (vgl. Swars, 2018, S. 269). Helge Swars (2018, S. 269) beschreibt deshalb den aktuellen Zustand der Grundwasserressourcen als sehr problematisch:

„Weltweit sind bereits ein Drittel dieser Flächen von Degradation betroffen. Darunter ist die Verschlechterung der Bodenfruchtbarkeit als Folge von Bodenerosion, Versalzung, Eintrag von Schadstoffen und Flächenversiegelung, einhergehend mit der Verschlechterung des Wasserhaushalts, zu verstehen. Jährlich gehen auf diese Weise weitere zwölf Millionen Hektar Fläche verloren.“

Dies hat zur Folge, dass Feuchtgebiete, Flüsse und Seen zunehmend verschwinden. Durch das sich immer weiter erwärmende Klima verdunstet das noch vorhandene Grundwasser schneller, wodurch sich die Ressourcen nicht mehr regenerieren können und die Trinkwasservorräte schwinden (vgl. Kluge, 2018, S. 245).

Exkurs zur Trinkwassergewinnung

Bevor im nächsten Kapitel die Vor- und Nachteile der Wasserprivatisierung genauer erläutert werden, ist es wichtig zu verstehen, wie der Prozess der Wasserreinigung und -gewinnung abläuft und wie dies mit den steigenden Wasserpreisen zusammenhängt. Dobner (2018, S. 264-266) erklärt dies folgendermaßen:

Der Reinigungsaufwand des gewonnenen Wassers ist abhängig vom Ort der Entnahme, den naturräumlichen Gegebenheiten sowie dem Alter und Zustand der Versorgungsnetze. So benötigt Grundwasser, da es bereits durch mehrere Erdschichten gesickert ist und damit schon gefiltert und gereinigt wurde, einen geringeren Reinigungsaufwand als entnommenes Oberflächenwasser, wie beispielsweise aus Flüssen oder Seen. Es spart also Kosten, das Grundwasser einfach aus dem Boden abzupumpen und in Trinkwasser umzuwandeln. Ein weiterer Aspekt, der die Kosten und den Nachbereitungsaufwand des Wassers bestimmt, ist der Zustand der Reinigungsanlage.

Bei der Festlegung von Wasserpreisen wird grundsätzlich zwischen Trink- und Abwasser unterschieden. Bei Trinkwasser handelt es sich um Frischwasser, das ausschließlich für den menschlichen Bedarf aufbereitet wird. Abwasser wiederum unterteilt sich nochmals in Schmutzwasser des häuslichen Gebrauchs sowie in Niederschlagswasser. Sowohl für Trink- als auch Abwasser wird jeweils eine Grund- und Mengengebühr berechnet.

Auf globaler Ebene wird die Wasserpreisbestimmung nochmals durch zahlreiche zusätzliche Vorgaben erschwert: Dazu gehören unter anderem unterschiedliche Tarifstrukturen, Unterschiede bei Neu- oder Erstanschlüssen, Abrechnungsmodalitäten, Steuern und Abgaben sowie Unterschiede in der Qualität der Trinkwasserversorgung.

Die schwindenden Wasserressourcen bei einer wachsenden Bevölkerung sowie die teilweise nicht ausreichende Versorgung mit Wasser in vielen Regionen der Erde stellen sowohl Politik als auch Wirtschaft vor eine große Herausforderung. Da die ausreichende Versorgung mit Wasser auch mit vielen Kosten verbunden ist, wird diese Aufgabe in vielen Ländern auf Großkonzerne übertragen, die die allgemeine Wasserversorgung durch das Angebot von Flaschenwasser abdecken. Im Folgenden Kapitel soll nun genauer auf die Wasserprivatisierung eingegangen werden und welche Folgen diese für Bevölkerung und Umwelt hat.

Wasserprivatisierung

Der privatisierte Wassermarkt ist einer der rentabelsten Märkte weltweit. Großkonzerne, wie beispielsweise der Nestlé Konzern, nutzen das Wassergeschäft insbesondere für den Verkauf von künstlich aufbereitetem Flaschenwasser als rentablen Absatzmarkt zur eigenen Gewinnmaximierung. Im folgenden Kapitel soll der Begriff der Wasserprivatisierung genauer erläutert sowie dessen Vor- und Nachteile aufgezeigt werden. Anschließend wird das Vorgehen der Unternehmen am Beispiel des Nestlé Konzerns und die daraus resultierenden Folgen für Bevölkerung und Umwelt geschildert.

Begriffsdefinition

Durch die steigende Nachfrage nach Wasser seit den 1990er Jahren kommt es vor allem durch Industrie und Landwirtschaft zu einer enormen Verschmutzung des Wassers, das deshalb immer wieder gereinigt und aufbereitet werden muss. Der hohe Bedarf führt zu einer zunehmenden Verknappung der Wasservorräte, was den Wert von Wasser als Ressource erheblich steigert und damit dessen Rolle als attraktive Investitionsmöglichkeit (vgl. Rejak, 2018, S. 10f.).

Der Begriff Privatisierung beschreibt grundsätzlich die Aneignung und Verwaltung von Gütern und Dienstleistungen durch private Unternehmen, die einst staatlich verwaltet wurden (vgl. Rejak, 2018, S. 7). Privatisierung an sich kann, je nach Ausprägung und Intensität, in drei Formen erfolgen:

  • Bei der formellen Privatisierung fungiert der Staat als Hauptakteur und zentraler Auftraggeber, welcher für die zu verwaltenden Aufgaben zuständig ist.
  • Bei der materiellen Privatisierung werden die zentralen Aufgaben des Staates an den freien Markt übergeben, der somit zum Koordinator und Hauptakteur wird.
  • Die funktionale Privatisierung verbindet Elemente der formellen und materiellen Privatisierung. Der Staat bleibt hierbei zwar Koordinator, überträgt aber die anfallenden Aufgaben auf den freien Markt (vgl. Ranftl, 2018, S. 27).

In Bezug auf die Wasserprivatisierung lassen sich unterschiedliche Modelle anwenden. Die häufigste Form ist das Konzessionsmodell. Unter dem Begriff Konzession wird die „befristete behördliche Genehmigung zur Ausübung eines Gewerbes“ (Duden, 2022) verstanden. Dabei wird die zentrale Wasserversorgung und die damit verbundenen Aufgaben vom Konzessionär, also dem Unternehmen, übernommen, während die Kommune weiterhin die öffentlichen Wasserversorgungsnetze besitzt. Das Unternehmen ist zudem zur Zahlung einer Konzessionsabgabe verpflichtet (vgl. Rehbinder, 2005, S. 16).

Seit Abschluss des GATS-Abkommens (General Agreement on Trade in Services) wird die allgemeine Wasserversorgung als Dienstleistung angesehen. Durch Gründung der WTO (Welthandelsorganisation) im Jahr 1995 haben sich insgesamt 148 (heute 164) Mitgliedsstaaten zur Einhaltung des GATS-Abkommens verpflichtet. Damit wird eine globale Öffnung des Welthandels mit Dienstleistungen sowie eine zunehmende Liberalisierung des Marktes ermöglicht, womit wiederum die Privatisierung der Wasserversorgung erleichtert wird (vgl. Rejak, 2018, S. 9ff.).

Entwicklung

Der Beginn des Umdenkens hin zu Wasser als ökonomischem Gut lässt sich ungefähr auf die 1970er Jahre mit der einsetzenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstrukturierung datieren (vgl. Ranftl, 2018, S. 25). Erstmals wird das Problem der zukünftig eintretenden Wasserkrise durch die UNESCO wahrgenommen und die erste UN-Klimakonferenz wird abgehalten, bei der Wasser als Ressource im Fokus steht. Treibende Kräfte hin zur Privatisierung waren vor allem die Vereinten Nationen und die Weltbank. Wasser wird seitdem als öffentliches Gut betrachtet und gehandelt, wodurch sich das Verständnis der staatlichen Regulation hin zu einem Verständnis der privatwirtschaftlichen Regulation verändert hat (vgl. Barlow, 2017, S. 123).

Vor allem die Weltbank spielt eine zentrale Rolle im Wassergeschäft. Sie ist Partner des Wasserrates und Mitglied im Global Water Partnership, welches maßgeblich an der Unterstützung der Wasserprivatisierung in südlichen Regionen sowie dessen finanzieller Förderung involviert ist. Zudem unterstützt die Weltbank Verbände wie beispielsweise den World Business Council for Sustainable Development, der sich gegen die Umsetzung der ersten Klimaziele 1992 eingesetzt hat, um wirtschaftliche Interessen besser verfolgen zu können (vgl. Barlow, 2017, S. 125).

Den Prozess der Privatisierung der Wasserversorgung beschreibt Maude Barlow (2017, S. 121ff.) in mehreren Phasen: Anfangs läuft die Versorgung noch ausschließlich über private Dienstleister. Aufgrund der steigenden Proteste in vielen Ländern, da die Unternehmen die komplette Trinkwasserversorgung eigenständig regulieren, werden Verträge zwischen Staat und Unternehmen geschlossen, die eine stärkere Regulation von Seiten des Staates gewährleisten sollen.

„Public Private Partnerships“ übertragen die Verantwortung für die öffentlichen Wasserwerke auf Staat und Unternehmen gleichzeitig. Konkret heißt dies, dass der Staat „seine Wasserbetriebe in unabhängige, börsennotierte Unternehmen [umwandelt], die nach Grundsätzen der Privatwirtschaft betrieben werden“ (Barlow, 2017, S. 122). Der Nachteil an dieser Partnerschaft ist, dass private Unternehmen nach wie vor die Wasserversorgung leiten und sich am Gewinn orientieren, den sie aus den Steuergeldern und Gebühren der Bürger*innen beziehen. Im Enddefekt bleibt die Wasserversorgung zwar im Staatsbesitz, welcher sich aber nach den Grundsätzen des freien Marktes und der Privatwirtschaft ausrichtet (vgl. Barlow, 2017, S. 121ff.).

Vor- und Nachteile der Wasserprivatisierung

Die Idee der Wasserprivatisierung hat sich in Europa, insbesondere in Frankreich und England, besonders schnell ausgebreitet, weshalb hier auch die meisten großen Wasserkonzerne wie beispielsweise Nestlé ihren Hauptsitz haben (vgl. Rejak, 2018, S. 11). Die Privatisierung im Wassersektor ist bis heute stark umstritten. Zahlreiche Aktivist*innen sprechen sich gegen eine unternehmensgesteuerte Wasserversorgung aus. Im Folgenden sollen die Vor- und Nachteile der Privatisierung von Wasser genauer erörtert werden.

Vorteile

„Die zu tätigenden Investitionen sind gewaltig. Ohne das Geld Dritter können viele Entwicklungsländer es nicht schaffen, sich eine gesicherte, gesundheitlich einwandfreie Trinkwasserversorgung und eine ordnungsgemäße Abwasserreinigung aufzubauen.“ erklärt Michaela Schmitz vom BGW (zit. nach Müller/Henne, 2007, S.14f.).

Öffentlichen Wasserversorgern, vor allem in ärmeren Regionen der Erde, fehlen häufig die finanziellen Mittel zur umfassenden Trinkwasserversorgung der Bevölkerung. Die schlechten öffentlichen Wasserleitungen für das Trinkwasser, die häufig stark verschmutzt und beschädigt sind, sind dafür ausschlaggebend. Konzerne hingegen verfügen oft über größere finanzielle Mittel, um das Wasserversorgungssystem besser sanieren zu können und das Trinkwasser angemessen aufzubereiten, um damit Krankheiten vorzubeugen. Die Konkurrenz innerhalb des Marktes steigert die Qualität. Dem Staat ist es möglich, Gelder einzusparen und zusätzliche Gewinne durch Steuereinnahmen, die in den Privatisierungsverträgen mit den Unternehmen festgelegt sind, zu erzielen (vgl. Rejak, 2018, S. 17ff.).

Da es sich bei Wasser um eine sehr wichtige und gleichzeitig knappe Ressource handelt, besteht hier eine erhöhte Korruptionsgefahr, weshalb die Verantwortung oft an private Großkonzerne übergeben wird, die als Versorger agieren sollen. Zudem sind Versorgungsprojekte häufig mit hohen Kosten verbunden und schlecht zu standardisieren. Trotzdem gehen nach Schätzungen der Weltbank 20-40 Prozent der Investitionen in Wasserversorgung durch Korruption innerhalb der Unternehmen verloren.

Zudem wird den Unternehmen mehr Effizienz beim Umgang mit Wasser und dessen Versorgung zugesprochen, da diese gewinnorientiert arbeiten und somit den Anspruch haben, mit dem Verkauf von Wasser Profit zu erzielen. Die vermeintliche Effizienzsteigerung bei Unternehmen ist bislang jedoch nicht belegt (vgl. Ranftl, 2018, S. 20ff.).

Nachteile

„Zu den Folgen der Privatisierung zählen u.a. merklich gestiegene Wasserpreise, unzureichende Investitionen sowie eine ungleiche Gewinnverteilung zwischen öffentlichen und privaten Partnern.“ (Schermer, 2018, S. 287)

Obwohl die Wasserprivatisierung besonders in Entwicklungsländern aufgrund der qualitativ besseren Versorgung durch mehr verfügbare finanzielle Mittel eine weitreichendere Versorgung der Bevölkerung gewährleistet, ist die betrieblich gesteuerte Versorgung trotzdem mit Herausforderungen für Umwelt und Bevölkerung verbunden. Dadurch, dass es sich bei privaten Wasserversorgern um Unternehmen handelt, sind diese meist eher an ihrem eigenen Profit als am Gemeinwohl orientiert, was gerade in ärmeren Regionen schwerwiegende Folgen für die Bevölkerung haben kann (vgl. Rejak, 2018, S. 18).

Grundsätzlich ist die Privatisierung der Wasserversorgung in vermögenden Gebieten aus Sicht der Unternehmen beliebter, da dort mehr Gewinne erzielt werden können. In ärmeren Regionen hingegen wird die Wasserversorgung überwiegend öffentlich geregelt. Private Unternehmen investieren weniger in die Reparatur der Wasserverteilungssysteme, sondern in Wasserzähler (vgl. Rejak, 2018, S. 19). Da öffentlichen Versorgern jedoch oft die finanziellen Mittel fehlen, wird die Wasserversorgung deshalb mittlerweile auch in ärmeren Ländern zunehmend privatisiert, wo Währungsfluktuationen und politische Instabilität ausgenutzt werden, um Profit zu erwirtschaften (vgl. Ranftl, 2018, S. 34f.).

Außerdem neigen Privatunternehmen dazu, die Wasserpreise auch in ärmeren Regionen deutlich zu erhöhen. Die Erhöhung der Wasserpreise liegt an den vertraglich geregelten Gewinnen, die die Unternehmen erzielen wollen. Dies ermöglicht es ihnen, bei schlechten klimatischen Bedingungen die Preise zu erhöhen, um Verluste zu vermeiden (vgl. Rejak, 2018, S. 19). Damit Unternehmen zu ihrem angestrebten Gewinn kommen, werden häufig Arbeitskräfte entlassen sowie Dienstleistungen eingeschränkt, um Kosten einzusparen. Zudem werden weniger Schadstoffkontrollen durchgeführt und die Wassergebühren werden zusätzlich erhöht, falls es zu Engpässen kommen sollte (vgl. Barlow, 2017, S. 123).

Aufgrund des mangelhaften Versorgungssystems und der erhöhten Preise muss der Großteil der Bevölkerung ihr Wasser aus Flüssen beziehen, die meist verschmutzt sind. Für Unternehmen ist die Aufbereitung des verschmutzten Flusswassers ebenfalls kostengünstiger als die Reparatur der Leitungsrohre. Dies führt zum vermehrten Aufkommen von Krankheiten wie beispielsweise Ebola oder Cholera.

Hinzu kommt noch, dass die staatlichen Verträge mit den Unternehmen meist intransparent sind und die Partnerschaften deshalb oft von Korruption betroffen sind. Ein rechtliches Vorgehen ist der ortsansässigen Bevölkerung meist aufgrund mangelnder Fachkenntnisse und fehlenden finanziellen Mitteln nicht möglich. Anfallende Konzessionszahlungen werden von Unternehmen zudem häufig nicht bezahlt (vgl. Rejak, 2018, S. 19ff.). Auch die Partnerschaft mit dem Staat ist nicht makellos. Die Unternehmen beanspruchen oft einen deutlich höheren Teil des Gewinns als die öffentliche Hand, was wiederum zu fehlenden Geldern in öffentlichen Einrichtungen führt (vgl. Schermer, 2018, S. 287).

Wasserprivatisierung am Beispiel des Nestlé Konzerns

„In guter Nahrung liegt die Kraft zu einem besseren Leben für alle. Wir setzen diese Kraft frei – heute und für zukünftige Generationen.“ (Nestlé, https://www.nestle.de, Zugriff 17.07.2022)

Der Wasserhandel sowie die Wasserversorgung werden heute überwiegend durch „Multi-Utility-Konzerne“ gelenkt, also Konzerne, die ein breites Dienstleistungsspektrum anbieten. So sind heutzutage rund zehn solcher Konzerne in der Wasserversorgung tätig, die meisten mit Sitz in Europa (vgl. Rejak, 2018, S. 11).

Besonders vertreten im weltweiten Wasserhandel ist der Nestlé Konzern, welcher vor allem durch den Verkauf von seinen rund 70 Wasserflaschenmarken, wie beispielsweise Poland Spring, Deer Park, Ice Mountain, S. Pellegrino, Perrier und Nestlé Pure Life, enormen Profit erwirtschaftet. Im Jahr 2019 erzielte der Konzern 6,7 Milliarden Euro Umsatz (vgl. Winter, 2021). Seit einigen Jahren hat der Konzern jedoch mit Vorwürfen und Protesten zu kämpfen. Die Verstrickungen und Vorwürfe an den Nestlé Konzerns in Bezug auf die Wasserprivatisierung sollen hier nun vorgestellt werden.

Nestlé Konzern

Gegründet wurde der Konzern von Heinrich Nestlé im Jahr 1867 in der Schweiz. Das Unternehmen konzentrierte sich anfangs auf die Produktion von Säuglingsnahrung, welche in rasantem Tempo einen hohen Absatzmarkt erzielte. Das Unternehmen entwickelte sich schnell zu einem globalen Großhandel mit erweitertem Angebotsspektrum. Heute hat sich der Konzern Nestlé zu einem der größten Anbieter für Lebensmittel, Arzneimittel, Kosmetikprodukte und Heimtiernahrung entwickelt (vgl. Rejak, 2018, S. 22). Nestlé erzielt einen Jahresumsatz von jährlich circa 87 Millionen Schweizer Franken und beschäftigt aktuell 8 450 Mitarbeitende (vgl. Nestlé Lagebericht, 2021, S. 45).

Besonders profitabel ist der stark ausgebaute Markt für Flaschenwasser, für den sich Nestlé viele wasserreiche Gebiete, vor allem in den USA und Europa angeeignet hat. Der Konsum des Flaschenwassers hat sich mittlerweile global ausgeweitet und ist in Asien, Afrika und Südamerika am stärksten vertreten (vgl. Rejak, 2018, S. 22). Dessen Umsatz beläuft sich aktuell auf 4,6 Prozent. Im Jahr 2019 entsprach dies einer Summe von circa 6,7 Milliarden Euro (vgl. Nestlé Lagebericht, 2021, S. 42).

Nestlé ist zudem Mitglied in zahlreichen Wasserversorgungsverbänden, wie beispielsweise dem Verband Aquafed, der mit rund 300 Unternehmen in 40 Ländern zu den größten privaten Wasserversorgungsverbänden der Welt zählt. Im Jahr 2008 wurde Peter Brabeck-Letmathe, der Präsident des Nestlé Verwaltungsrats, zum Vorstand der Water Ressources Group (WRG) ernannt, einem Verband, der sich für die Durchsetzung marktorientierter Interessen im Bereich privater Wasserversorgung einsetzt (vgl. Barlow, 2017, S. 125).

Brabeck-Letmathes großer Einfluss am Wassermarkt ermöglicht Nestlé mehr Mitsprache im Bereich der Wasserpolitik. Brabeck-Letmathe sieht sich als Vertreter des „Shared Value“-Konzepts. Er vertritt die Auffassung, dass das, was dem Unternehmen und Markt Vorteile einbringt, sich auch automatisch positiv auf die Gesellschaft auswirkt. Er spricht sich demnach gegen die Regulierung des freien Marktes aus. Wasser als Menschenrecht wird von ihm zudem als eine zu „extreme“ Forderung bezeichnet (vgl. Barlow, 2017, S. 127).

Flaschenwasserhandel

Die Bottled Water Association (IBWA) brachte im Jahr 1958 erstmals Wasser auf den Markt, das in Flaschen abgefüllt ist. Aufgrund der unkontrollierten Trinkwasserversorgung in ärmeren Ländern wird das auf Qualität geprüfte Flaschenwasser gut verkauft und findet einen rentablen Absatzmarkt. Auch in Industrieländern wird Flaschenwasser zu einem beliebten Konsumgut. So macht beispielsweise der europäische Markt heute über 50 Prozent des globalen Gesamtumsatzes aus (vgl. Ranftl, 2018, S. 22f.).

Wie auch andere private Wasserunternehmen beteuert Nestlé, dass durch den Kauf des Flaschenwassers eine gesunde Flüssigkeitsaufnahme gewährleistet wird, die zur Verbesserung der Lebensqualität und damit zu einer nachhaltigeren Zukunft beiträgt (vgl. Nestlé Lagebericht, 2021, S. 42).

Flaschenwasser ist vor allem in ärmeren Ländern, die unter einer schlechten Trinkwasserversorgung leiden, von Vorteil, da das abgefüllte Wasser qualitativ besser und damit auch gesünder sein soll. Da das Trinkwasser jedoch künstlich aufbereitet und von Nestlé als Privatunternehmen verkauft wird, ist der Preis deutlich höher als der für das örtliche Trinkwasser. Dies führt dazu, dass sich viele Menschen das Wasser aufgrund der hohen Kosten gar nicht leisten können und deshalb auf örtliche Flüsse und Seen zurückgreifen müssen.

Mehreren Forschungen zufolge weist das verkaufte Flaschenwasser teilweise jedoch keine höhere Qualität auf als das örtliche Trinkwasser. Trotzdem steigt dessen Konsum immer weiter an, da die Nachfrage nach Trinkwasser aufgrund des sinkenden Wasserspiegels immer weiter steigt. Zudem wird das örtliche Trinkwasser oft mit Chlor aufbereitet, was das Flaschenwasser aus geschmacklicher Sicht zu einer attraktiven Alternative macht (vgl. Rejak, 2018, S. 21f.).

Pakistan war eines der ersten Länder, in dem die Einführung von Flaschenwasser getestet wurde. Das Land gehört mit seinen 220 Millionen Einwohner*innen zu den Ländern der Dritten Welt. Im Jahr 1998 führte der Nestlé Konzern die Eigenmarke Nestlé Pure Life in Pakistan ein (vgl. Nestlé Leben Pur, 2022, www.nestle.pk). Besonders die Ober- und Mittelschicht fühlte sich von dem gut vermarkteten Wasser angesprochen und konsumierte es anfangs auch als Statussymbol.

Da die Nachfrage schnell anstieg, sah sich der Konzern gezwungen, immer tiefer nach den vorhandenen Wasserreservoirs zu bohren. Mittlerweile hat die ärmere Bevölkerung Pakistans keinen Zugang mehr zu frischem Wasser, da der Wasserspiegel so tief liegt und von Seiten des Staates die nötigen Mittel fehlen, derartige Bohrungen durchzuführen. Die Anwohner*innen sind dadurch gezwungen, das Oberflächenwasser, welches stark verschmutzt ist und viele Krankheiten hervorruft, zu trinken. Im Zuge dessen starteten die Bürger*innen eine Petition gegen Nestlé, um auf einen Teil des aus der Tiefe gebohrten Wassers Anspruch zu erheben. Der Konzern weist diese Forderung jedoch bis heute zurück (vgl. Neue Märkte, 2022, www.worldtimes-online.com).

Vorwürfe an das Unternehmen

Zahlreiche Aktivist*innen wie Maude Barlow oder Jens Loewe sehen in der Vermarktung von Flaschenwasser lediglich das dahinterstehende Marketing und den Versuch der Profitsteigerung des Unternehmens statt einer gesunden und nachhaltigen Absicht. In seinem Buch „Das Wassersyndikat“ geht Jens Loewe auf die Problematik ein, dass Konzerne wie Nestlé den Verkauf ihres vermeintlich gesünderen Flaschenwassers in ärmeren Ländern lediglich zur Profitsteigerung anbieten, obwohl sich normales Leitungswasser qualitativ nicht grundlegend von der des Flaschenwassers unterschieden soll.

Dies zeigt sich besonders gut an der Wasserflaschenmarke Nestlé Pure Life, welches aktuell das zweiterfolgreichste Flaschenwasser auf dem Markt ist. Nestlé Pure Life sollte sich ursprünglich gezielt an Haushalte mit geringem Einkommen richten, wofür insgesamt etwa 100 Millionen Euro für das Marketing investiert wurden.

Nestlés Vorgehen läuft laut Loewe immer gleich ab: Zu Beginn wird ein wasserreiches Grundstück vom Unternehmen gepachtet oder gekauft. Anschließend werden Abfüllanlagen an Gewässern, Flüssen oder Grundwasserreservoirs errichtet und nach möglichen Wasserreservoirs gebohrt. Dieses wird an die Oberfläche gepumpt, dort gereinigt und künstlich aufbereitet. Anschließend wird es in Flaschen abgefüllt und zu einem deutlich höheren Preis an die Konsument*innen verkauft.

Im Fall von Nestlé Pure Life wird dem Konzern vorgeworfen, das Grundwasser, das für Landwirtschaft und Grundversorgung benötigt wird, abzupumpen, was die Bodendegradation verschlimmert. Dies bedeutet für die Ortsansässigen nicht nur einen Verlust ihrer Grundversorgung, sondern auch eine Bedrohung zahlreicher Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Der Staat scheint diese Vorgehensweise nicht unbedingt verhindern zu wollen, da das Flaschenwasser als gutes Argument genutzt werden kann, die häufig stark beschädigten öffentlichen Wasserleitungen nicht sanieren zu müssen (vgl. Kroth/Kartsolis, 2007, S. 19f.).

Folgen für Konsument*innen und Umwelt

Dass Wasser nach wie vor als „privatisierbare“ Ware angesehen wird, hat zur Folge, dass Unternehmen mit der Wasserversorgung Gewinn erzielen wollen. Wasser wird somit nicht als selbstverständliches Gut betrachtet, sondern gewährt den Zugang nur denen, die es sich auch leisten können. Maude Barlow führt in einem Interview an, dass die Lage mittlerweile so schlimm ist, dass sich viele Menschen aufgrund der hohen Kosten keinen Zugang mehr zu sauberem Wasser leisten können.

Der gewinnorientierte Aspekt zeigt sich auch daran, dass die Verkaufszahlen im Fokus stehen und eine günstige, qualitativ hochwertige Vermarktung für die Bevölkerung sowie der Ressourcenschutz nur eine nebensächliche Rolle spielen (vgl. Barlow, 2007, S. 12). Das rücksichtslose Abpumpen von Flüssen, Gewässern oder Grundwasserreservoirs lässt nicht nur ganze Landstriche austrocknen und macht jegliche Form von Ackerbau und Landwirtschaft unmöglich. Es entsteht zudem eine gigantische Menge Plastikmüll, und bei der Produktion und dem anschließenden Transport der Wasserflaschen werden Treibhausgase freigesetzt, die wiederum zur Erwärmung des Klimas beitragen (vgl. Barlow, 2017, S. 126). Gerade aus diesem Grund fordert Barlow die Einführung von Wasser als Menschenrecht, das bei Nichterhalt eingeklagt werden kann.

Die immer weiter voranschreitende Wasserknappheit aufgrund der Klimakrise und Überbevölkerung sowie die Tatsache, dass aus Wasser als Handelsware Gewinn erzielt werden soll, sind Problematiken, denen die Politik heute gegenübersteht. Im Folgenden soll kurz auf die Gegenmaßnahmen hin zu einem nachhaltigen Wasserverbrauch sowie auf mögliche Zukunftsaussichten für die Wasserwirtschaft eingegangen werden.

Aussichten einer nachhaltigen Wasserwirtschaft

Basierend auf der in Argentinien abgehaltenen Wasserkonferenz im Jahr 1977 wurde der Zugang zu Wasser erstmals als Grundrecht deklariert und darf nicht von Armut, Region oder wirtschaftlichem Stand der Person abhängig gemacht werden. Diese Auffassung wurde 1992 durch das Recht auf sanitäre Einrichtungen bei der Internationalen Konferenz für Bevölkerung und Umwelt erweitert (vgl. Ranftl, 2018, S. 15).

Einen weiteren Meilenstein bildete die Formulierung von 17 Zielen zur nachhaltigen Entwicklung, den „Sustainable Development Goals (SDG)“ (vgl. Kluge, 2018, S. 240). Diese Ziele verbinden soziale, ökologische und ökonomische Dimensionen von Nachhaltigkeit und konzentrieren sich auf die Bekämpfung der Armut und den Schutz natürlicher Lebensgrundlagen. Die Ressource Wasser wird genauer im Sustainable Development Goal 6 aufgegriffen. Und zwar soll „die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleistet werden“.

Hierbei geht es also auch um die Frage, wie die Ressource Wasser als solche verwaltet wird, und das aktuelle Ressourcenmanagement wird kritisiert. Sauberes Trinkwasser muss also in Zukunft bezahlbar gemacht und gerecht verteilt werden (vgl. von Lossow/Houdret, 2021, S. 27). Hinzu kommt, dass der Umgang mit der Ressource Wasser maßgeblich zur Erreichung der anderen SDG beiträgt. So steht Wasser auch im direkten Zusammenhang mit Feldern wie Gesundheitsversorgung (SDG 3), Armutsbekämpfung (SGD 1), Hungerbekämpfung (SDG 2), Bildung (SDG 4) und anderen (vgl. ebd.).

Ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Umgang mit Grundwasser und somit zu einer nachhaltigeren Wasserwirtschaft ist aber nicht nur eine stärkere politische Regulierung der Wasserversorgung, sondern auch ein verändertes Verhältnis von Grundwasser und Energie. Der Einsatz von Solarpumpen im Gegensatz zu Diesel- oder Elektropumpen zur Gewinnung von Wasser ist deutlich umweltschonender, da diese über Nacht abgeschaltet werden. Damit würde sich die Plünderung von Grundwasser besser regulieren lassen. Durch die Einführung der SDG können so bessere regulative Grundsätze entwickelt und durchgesetzt werden (vgl. Kluge, 2018, S. 246ff.).

Eine weitere Möglichkeit wäre das konjunktive Management von Grundwasser, bei welchem dem Grundwasser gereinigtes Abwasser aus Oberflächen- und Brauchwasser zugefügt wird. Diese Anreicherungsmöglichkeit bietet sich vor allem in großen Dürreperioden zur Bewässerung der Ackerflächen an und sichert somit nicht nur die Grundversorgung der Menschen, sondern auch Arbeitsplätze (vgl. ebd.). Was aber eine nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung angeht, führt Frech (2018, S. 238) an, dass die SDG diesbezüglich weiter ausformuliert werden müssen, um die angestrebten Ziele auch wirklich erreichen zu können.

Ausblick

Abschließend lässt sich sagen, dass der Umgang mit der Ressource Wasser nach wie vor ein umstrittenes Thema ist. Wie in diesem Beitrag aufgezeigt, haben Konzerne wie Nestlé einen Großteil des Wassermarktes übernommen und steuern somit die Wasserversorgung in zahlreichen Ländern. Privatisierung als solche kann für den Staat zwar entlastend sein, da die Versorgung kostengünstiger durch Privatkonzerne gesteuert werden kann und dem Staat somit kostspielige Sanierungen der öffentlichen Wasserversorgungsnetze erspart. Langfristig schaden die Folgen des Flaschenwassermarktes jedoch sowohl der Bevölkerung als auch der Umwelt.

Der Erwerb des Flaschenwassers ist für die ärmere Bevölkerung während Dürreperioden kaum bezahlbar, weshalb oft auf verschmutztes Flusswasser zurückgegriffen werden muss. Außerdem führt das Abpumpen des Grundwassers zu einer Bodendegradation, was wiederum der Landwirtschaft schadet. Zudem werden bei der Produktion massive Mengen an Emissionen erzeugt, die den Treibhauseffekt nochmals verstärken.

Es ist daher wichtig, den Umgang mit Wasser besser zu regulieren. Wichtig sind zum Beispiel klare Governance-Richtlinien bei Vergaberechten im Umgang mit Wasser. Finale Entscheidungen müssen vom Staat getroffen werden, und es muss für mehr Transparenz gesorgt werden, um Korruption von staatlicher wie wirtschaftlicher Seite vorzubeugen (vgl. Moncayo/Wichert, 2017, S. 43f.).

Wasser ist für Mensch und Natur unverzichtbar und darf deshalb nicht zur Gewinnmaximierung genutzt werden, sondern muss sich am Gemeinwohl orientieren und kostengünstig zu erwerben sein. Die Sustainable Development Goals sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber reichen nicht aus, um die Weltbevölkerung vor Wassermangel zu schützen.

Angesichts des Klimawandels, der zusätzlich zur Wasserknappheit beiträgt und dafür sorgt, dass Extremwetterkatastrophen weiter zunehmen werden, wird sich die Lage nochmals verschlimmern. Diesbezüglich müssen durch Politik und Wirtschaft weitere Pläne und Projekte in Angriff genommen werden, die eine stärkere Regulierung des wirtschaftlichen Sektors beinhalten müssen.

Literatur

  • Barlow, M., (2017), Die Welt als Wüste. Wie Nestlé und Co. uns das Wasser abgraben. In: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hrsg.), (2017), Mehr geht nicht! Der Postwachstums-Reader, 2. Auflage, Blätter Verlagsgesellschaft mbH, Berlin
  • Barlow, M.& Debrebant, S., (2007), Freiheit, Gleichheit, Wasser. Die kanadische Bürgerrechtlerin Maude Barlow fordert, dass sich Konzerne aus dem Geschäft mit Trinkwasser zurückziehen. In: fluter. Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, (2007), Alles klar? Das Wasserheft.
  • Borchard, D., (2021), Trinkwassersicherung in Deutschland, In: Aus Politik und Zeitgeschichte (Hrsg.), (2021), Wasser.
  • Dobner, P., (2018), Unser tägliches Wasser gib uns…, In: Bürger & Staat (Hrsg.), (2018), Wasser. Landeszentrale für politische Bildung, Heft 4, 68. Jahrgang
  • Frech, S., (2018), Wasser, In: Bürger & Staat (Hrsg.), (2018), Wasser. Landeszentrale für politische Bildung, Heft 4, 68. Jahrgang
  • Fröhlich, C., (2018), Konflikte um eine knappe Ressource, In: Bürger & Staat (Hrsg.), (2018), Wasser. Landeszentrale für politische Bildung, Heft 4, 68. Jahrgang
  • Kluge, T., (2018), Millenniumsziele und das Thema Wasser, In: Bürger & Staat (Hrsg.), (2018), Wasser. Landeszentrale für politische Bildung, Heft 4, 68. Jahrgang
  • Kroth, I. & Kartsolis, T., (2007), Grenzenloser Gewinn. Der Anfang ist eine kleine französische Bergquelle, in der flüssiges Geld sprudelt. Das Ende des Erfolgs ist nicht abzusehen. In: fluter. Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, (2007), Alles klar? Das Wasserheft.
  • Moncayo, G, & Wichert, M., (2017), Privat vs. Staat. Ordnungspolitische Überlegungen zur Wasserversorgung in Lateinamerika. In: Wahlers, G. (2017), Wasser. Macht. Konflikt. Ausgabe 3. Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
  • Müller, F. & Henne, D., (2007), Der blaue Goldrausch. Leitungswasser wird weltweit zu einem riesigen Geschäft. Ist die Privatisierungswelle Gefahr oder Chance?, In: fluter. Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, (2007), Alles klar? Das Wasserheft.
  • Ranftl, K., (2018), Trinkwasser: Wirtschaftsgut oder Menschenrecht – eine wissenschaftliche Betrachtung
  • Rehbinder, E., (2005), Privatisierung und Vergaberecht in der Wasserwirtschaft. In: Forschungsverbund netWORKS (Hrsg.), Heft 11, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin
  • Rejak, S., (2018), Auswirkungen der Wasserprivatisierung in armen Ländern der Erde. Vorwissenschaftliche Arbeit
  • Schermer, G., (2018), Wie sinnvoll ist die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge?, In: Bürger & Staat (Hrsg.), (2018), Wasser. Landeszentrale für politische Bildung, Heft 4, 68. Jahrgang
  • Swars, H., (2018), Virtuelles Wasser und Wasserstress, In: Bürger & Staat (Hrsg.), (2018), Wasser. Landeszentrale für politische Bildung, Heft 4, 68. Jahrgang
  • Von Lossow, T. & Houdret, A., (2021), Wasser auf die Mühlen der Entwicklungsziele. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (Hrsg.), (2021), Wasser.

Internetquellen

  • Duden, 2022, In: https://www.duden.de/node/82695/revision/1011803 [Zugriff am 09.08.2022]
  • Nestlé Lagebericht (2021): Lagebericht 2021. In: https://www.nestle.de/sites/g/files/pydnoa391/files/2022-03/lagebericht-2021.pdf [Zugriff am 19.07.2022]
  • Nestlé, (2022), In: https://www.nestle.de/unternehmen/geschichte/internationaler-zeitstrahl, [Zugriff am 17.07.2022]
  • Nestlé Leben Pur, In: www.nestle.pk [Zugriff am 26.07.2022]
  • Nestlé Kennzahlen, 2021, In: https://www.nestle.de/unternehmen/kennzahlen [Zugriff am 17.07.2022]
  • Neue Märkte, (2022), In: www.worldtimes-online.com [Zugriff am 26.07.2022]
  • Was ist eigentlich… Virtual Water?, (2020) In: Wasser wissen, https://www.icon-h2o.com/was-ist-eigentlich-virtual-water/ [Zugriff am 14.03.22]
  • Winter, S., (2021), Nestlé halbiert sein Wassergeschäft, In: https://www.rnd.de/wirtschaft/nestle-halbiert-sein-wassergeschaft-26BJSMZRR5AAPDFKHYNMQMBT5E.html#:~:text=Im%20Jahr%202019%20machte%20Nestl%C3%A9,6%2C7%20Milliarden%20Euro%20Umsatz. [Zugriff am 19.07.2022]

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