Sonntag, 19. November 2023

Podcast: Ausmisten und nachhaltiger Konsum

Der Podcast des Deutschlandfunk wurde am 31.08.2023 veröffentlicht. Gegenstand des Podcasts ist ein Vortrag der Sozialwissenschaftlerin Viola Muster von der Technischen Universität Berlin, den sie im Rahmen der Ringvorlesung zum Klimaschutz “TU Berlin for Future“ am 08.05.2023 an der Technischen Universität Berlin gehalten hat (vgl. 02:23 – 02:38).

Der Vortrag hat den Titel “Befreiung vom Überfluss – Besitzreduktion und Minimalismus als Beitrag zum Ressourcen- und Klimaschutz?“. In ihrem Vortrag geht sie der Frage nach, ob uns Decluttering (engl. Ausmisten / Aufräumen) dabei helfen kann, langfristig nachhaltiger zu konsumieren (vgl. 01:20 – 02:14). Die wichtigsten Erkenntnisse ihres Vortrages werden hier zusammengefasst. Er gliedert sich wie folgt:

  • Skizzieren des Problemhintergrundes – Was kennzeichnet unser Leben im Überfluss
  • Konsumkritik am Beispiel von Suffizienz und Minimalismus
  • Vorstellung des Forschungsprojekts

Da die ersten beiden Punkte hier im Blog bereits ausführlich behandelt wurden, werde ich mich in diesem Blogbeitrag auf den dritten Punkt fokussieren.

Als interessanten Fakt benennt Muster zunächst, dass Konzepte wie Genügsamkeit und freiwilliger Verzicht keine Neuerfindungen sind, sondern eine lange Tradition aufweisen. So sind diese bereits im Hinduismus, Buddhismus oder auch der christlichen Tugendlehre zu finden.(vgl. 25:20 - 25:49). Auch zeigt die Lebensreformbewegung auf, dass Menschen sich schon seit langem kritisch mit der starken Ausrichtung an materiellen Dingen auseinandersetzen (vgl. 25:50 - 26:22). Schon lange gibt es also viele Konzepte, Bewegungen und Begriffe, die sich alle in dem Punkt einig sind, ,,dass es um eine Abkehr von dem Zuviel geht, und das mit dem Ziel eines guten Lebens, dem Wunsch nach einem guten Leben jenseits von Massenkonsum und Überfluss“ (26:27 - 26:56).

Muster führt seit 2021 ein Forschungsprojekt mit dem Namen “Mein Ding – Ich bin, was ich nicht habe“ durch, das aktuell immer noch läuft (vgl. 37:46 - 38:38). Vor der Durchführung der Studie stellte sie gemeinsam mit ihren Kollegen Vermutungen über die Chancen und Risiken an, welche Decluttering für die Förderung eines suffizienten Konsumverhaltens mit sich bringen könnte.

Mögliche Chancen des Decluttering für die Förderung eines suffizienten Konsumverhaltens:

  • Die Decluttering-Ratgeber eignen sich für diverse Bevölkerungsgruppen, da sie in einfacher Sprache geschrieben und somit für eine breite Masse anwendbar sind. (Vgl. 38:40 - 39:20)
  • Da es beim Decluttering nicht darum geht, lediglich zu überlegen, wie man zukünftig nachhaltiger konsumieren kann, sondern man sofort mit den Dingen beginnt, welche einen im eigenen Zuhause umgeben, sind die Effekte des Ausmistens direkt zu spüren in Form des Empfindens von Befreiung und Entlastung, welche mit dem Entrümpeln einhergehen (Vgl. 39:21 – 39:53)
  • Des Weiteren nimmt man an, dass eine aktive Auseinandersetzung mit dem Besitz Reflexionsprozesse anregt, die dabei helfen können, Bedürfnisse zu erkennen und Konsumroutinen zu hinterfragen. Diese Reflexion ist nach dem aktuellen Forschungsstand maßgebend für die Verwirklichung eines nachhaltigen bzw. suffizienten Konsums (Vgl. 39:55 – 40:29)

Mögliche Risiken des Decluttering für die Förderung eines suffizienten Konsumverhaltens:

  • Kritisch sind die Decluttering-Ratgeber unter anderem deshalb zu betrachten, da sie sich häufig lediglich auf die Gebrauchsgüter im eigenen Haushalt fokussieren, aber nicht auf die tatsächlich relevanten Bereiche, welche hohe CO2-Emissionen verursachen wie z.B. Wohnfläche, Heizung, Auto usw. (Vgl. 42:00 - 42:31).
  • Ebenfalls kritisch zu betrachten sind Influencer, da man annimmt, dass diese zwar aufgeräumte Wohnungen und Kleiderschränke haben, dafür jedoch stärker ressourcenintensive Verbrauchsgüter und Dienstleistungen nutzen wie z.B. Mobilität, auswärts essen usw. Dies wird häufig jedoch nicht bedacht und vermittelt somit ein falsches Bild. (Vgl. 42:35 – 43:15).
  • Ein weiteres Risiko, welches mit dem Decluttering einhergeht und von Muster als besonders hohes Risiko eingeschätzt wird, ist, dass das Ausmisten dazu motivieren kann, Neuanschaffungen zu tätigen (Prinzip one in one out). Dadurch würde Decluttering möglicherweise im Umkehrschluss dazu beitragen, dass das Konsumverhalten nicht nur aufrechterhalten, sondern eventuell sogar verstärkt wird. (Vgl. 43:19 – 44:18 )

Diesen Überlegungen geht Muster im Rahmen des Forschungsprojektes nach. Dieses führt sie gemeinsam mit ihren Kollegen der TU Berlin, dem ConPolicy Institut für Verbraucherpolitik sowie Bürgerwissenschaftlern durch. Letzteres sind Bürger, die sich freiwillig dafür angemeldet haben, am Forschungsprojekt teilzunehmen. Jedoch sind sie nicht nur Teilnehmer, sondern Mitgestalter des Projektes. Sie konnten mitwirken bei der Entwicklung der Fragestellung sowie des Umsetzungsdesigns, der Datenerhebung und auch der anschließenden Auswertung. (Vgl. 36:30 – 37:45).

Die Bürgerwissenschaftler setzen sich primär aus älteren Menschen zusammen, die im Laufe ihres Lebens eine Menge an Konsumgütern angesammelt haben – mittlerweile mit der Feststellung, dass sie diese enorme Masse in großen Teilen gar nicht benötigen. Auch sind die Teilnehmenden größtenteils Akademiker und weiblich. Dennoch hält Muster die Studie für repräsentativ (Vgl. 47:48 – 49:04).

Die genannten Faktoren haben jedoch nachweislich einen Einfluss auf das Konsumverhalten, weil ältere Menschen in der Regel mehr besitzen als jüngere. Auch Menschen weiblichen Geschlechts sowie Menschen mit großer Wohnfläche neigen dazu, mehr zu besitzen. Auch spielt der Bildungsgrad in Bezug auf das Konsumverhalten eine entscheidende Rolle, da Menschen mit einem höheren Bildungsgrad i.d.R. ein höheres Einkommen haben und dadurch oftmals mehr konsumieren (Vgl. 49:05 – 49:45).

Zunächst wurden die Bürgerwissenschaftler befragt, was sie sich selbst vom Ausmisten erhoffen. Die häufigsten Schlagworte waren hierbei: ,,Mehr Klarheit, Übersicht, Ordnung, Entlastung, Erleichterung, Entspannung, Seelenruhe, mehr Freiheit, Befreiung, Freiraum, mehr Zeit und weniger Aufwand“. Dies verdeutlicht, dass mit dem Überkonsum stark negative Emotionen verbunden sind. (Vgl. 46:00 – 46:50).

Anschließend erhielten die Bürgerwissenschaftler bzw. Teilnehmenden Übungen mit Tipps zum Reflektieren, zum Dokumentieren und zum Ausmisten, wozu sie selbst Erfahrungsberichte angefertigt haben. Daraufhin haben sie selbst mit Personen aus ihrem Umfeld Befragungen zu deren Erfahrungen mit Besitzreduktion und Ausmisten durchgeführt. (Vgl. 44:23 – 45:06).

Dabei kam heraus, dass die Mehrheit der Befragten den Platz, welchen sie durch das Ausmisten gewonnen haben, auf lange Sicht nicht frei halten konnten und dieser sich wieder gefüllt habe. Ein kleiner Teil gab an, hierzu keine Angaben machen zu können, oder auch, dass dies je nach Kategorie (Kleidung, Technik…) variiere. In manchen Kategorien hätten sie den gewonnenen freien Platz auf lange Sicht halten können, in anderen wiederum habe sich der Platz nach kurzer Zeit wieder gefüllt. Insgesamt zeigte sich mehrheitlich die Tendenz, dass sich der Platz nach dem Ausmisten auf lange Sicht wieder gefüllt hat. (Vgl. 49:48 – 50:49)

Auch wenn die Studie aktuell noch immer läuft, stellt Muster aus den bereits gewonnenen Erkenntnissen ein vorläufiges Fazit an:

  • Das Interesse an Minimalismus und Decluttering resultiert oftmals auf der negativen Wahrnehmung des Konsumdruckes (Vgl. 51:45 – 52:22)
  • Die Übungen zu der bewussten Auseinandersetzung mit dem Besitz können dabei helfen, das Anschaffungsniveau zumindest für einen bestimmten Zeitraum zu senken. Unklar ist es noch, ob dieser Effekt nur vorübergehender Natur ist (Vgl. 52:23 – 52:49)
  • Weiterhin ist bisher noch unklar, mit Hilfe welcher Maßnahmen genau dieser Rückfall oder auch das weitere Beibehalten der alten Konsumgewohnheiten verhindert werden kann. (Vgl. 52:52 – 53:03)
  • Muster sieht die Besitzreduktion als Chance, jedoch nicht als Garantie an, sein Konsumverhalten nachhaltig zu verändern. Jedoch betont sie, dass hierfür Unterstützung notwendig sei. (Vgl. 53:04 – 53:23)
  • Als besonders hohes Risiko betont sie die “one in one out-Praktiken“, die dazu führen können, Konsum nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar zu verstärken. (Vgl. 53:25 – 53:50)

Quelle

Deutschlandfunk Nova Podcast: Überfluss. Was Ausmisten (nicht) mit nachhaltigem Konsum zu tun hat, 31.08.2023. Online verfügbar unter: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/ueberfluss-was-ausmisten-nicht-mit-nachhaltigem-konsum-zu-tun-hat (zuletzt geprüft am 19.11.2023)

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