Samstag, 18. November 2023

Podcast: "Wandel dich, nicht das Klima“

Der Podcast wurde von Deutschlandfunk Nova am 13.06.2021 veröffentlicht. Gegenstand des Podcasts ist ein Online-Vortrag des Umweltpsychologen Gerhard Reese mit dem Titel “Wandel dich, nicht das Klima“, den er am 29.10.2020 gehalten hat. In seinem Vortrag geht er der Frage nach, warum wir trotz des Wissens, dass wir mit unserem Verhalten der Umwelt schaden, nicht in erforderlichem Maße intervenieren, obwohl wir sogar wissen, was wir tun müssten. Auch thematisiert er, was uns dazu bringen kann, unser Verhalten zu ändern und klimafreundlicher zu leben. Die wichtigsten Erkenntnisse seines Vortrages werden hier zusammengefasst.

Die oben genannten Fragestellungen sind Gegenstand der Klimapsychologie, eines neuen Forschungszweigs (vgl. 01:35 - 01:55). Zunächst betont Reese, dass laut einer repräsentativen Studie vom Bundesamt für Naturschutz 95% der Menschen angeben, dass es die Pflicht des Menschen sei, die Natur zu schützen (vgl. 12:01 - 12:12). Dabei betont er, dass nicht auszuschließen sei, dass einige der Befragten lediglich aufgrund der sozialen Erwünschtheit antworteten, dass ihnen der Umweltschutz wichtig sei, und diese Auffassung in Wirklichkeit nicht vertreten und dementsprechend nicht umweltbewusst handeln. Dennoch wäre, auch wenn man diesen Anteil herausrechnet, der weit überwiegende Teil der Menschen tatsächlich der oben genannten Auffassung (vgl. 13:16 - 13:31).

Umso verwunderlicher sei es, dass in Sachen Klimaschutz nicht ausreichend interveniert wird. Zu den möglichen Gründen hierfür kommt Reese an späterer Stelle in seinem Vortrag. Er führt eine weitere Studie aus dem Jahr 2018 an, die belegt, dass Menschen mit einem hohen Umweltbewusstsein dazu neigen, einen höheren CO2-Abdruck zu hinterlassen (vgl. 16:10 - 16:31). Gründe hierfür seien, dass die Menschen mit einem hohen Umweltbewusstsein häufig einen höheren Bildungsgrad haben, dadurch ein höheres Einkommen und dadurch mehr konsumieren (vgl. 16: 32 - 17:00).

Als Antwort auf die Frage, warum wir trotz besserem Wissen nicht umweltbewusster handeln, nennt Reese 5 Hauptargumente:

1. (Angenommene) zeitliche und räumliche Distanz + Klimakrise nicht die einzige Krise, welche es zu bewältigen gilt

Die Folgen der Klimakrise waren lange Zeit sowohl zeitlich als auch räumlich gesehen weit weg. Man dachte, dass spürbare Folgen erst in einigen Jahrzehnten folgen könnten und dann auch primär nicht bei uns, sondern in weit entfernten Ländern wie z.B. dem globalen Süden. Jedoch ließ sich dies nicht bestätigen (vgl. 17:07 - 18:01). Da man dies lange Zeit jedoch nicht erkannte, führte es dazu, dass man wenig interveniert hat, da das Problem zeitlich wie räumlich gesehen weit weg schien und die Risiken für uns somit als gering eingeschätzt wurden (vgl. 18:15 - 18:23).

Hinzu kommt, dass die Klimakrise nicht die einzige Krise ist, welche der Mensch bewältigen musste, und so andere Krisen wie z.B. die Corona-Pandemie mehr Aufmerksamkeit und Priorität im Handeln erfahren haben, auch weil hier die Auswirkungen unmittelbar spürbar waren (vgl. 18:24 - 18:34). An dieser Stelle betont Reese auch die Bedeutung von Emotionen, welche uns dazu bewegen, ein bestimmtes Verhalten zu veranlassen – je nach Emotion mag dies positiv oder negativ für die Umwelt ausfallen (vgl. 18:45 - 19: 14).

2. Fehlende Selbstwirksamkeit

Wir Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach dem Gefühl der Selbstwirksamkeit, so auch in Bezug auf umweltbewusstes Verhalten. Wir wollen sehen und erleben, dass wir durch unser umweltbewusstes Verhalten im positiven Sinne etwas bewirken können. Dieses Feedback sei jedoch in Hinblick auf die Umweltkrise sehr begrenzt zu erzeugen, was einen stark demotivierenden Charakter haben kann, weiterhin umweltbewusst zu handeln (vgl. 20:11 - 21:15). Reese sieht die Möglichkeit des Erzeugens von Selbstwirksamkeit in dieser Thematik darin, dass man sich als Teil einer Gruppe sieht, welche in Summe etwas bewegen kann (vgl. 21:16 - 21:45).

3. ,,Wenn andere nicht mitziehen, dann bringt es doch eh nichts“ (vgl. 21:47 - 22:03)

Reese betont, dass dieses Denken ebenfalls viele Menschen davon abbringt, sich umweltbewusst zu verhalten. Danach betont er, wie sehr die sozialen Gruppen, welchen wir angehören, beeinflussen, wie umweltbewusst wir uns verhalten (vgl. 22:07 - 22:17). So wird ein Freundeskreis, der gerne Flugreisen unternimmt, vermutlich dazu führen, dass man selbst auch gerne Flugreisen unternimmt. Während ein Freundeskreis, welcher sich vegetarisch ernährt, dazu führen könnte, dass man selbst auch seine Ernährung umstellt und so umweltbewusster lebt (vgl. 22: 18 - 22: 37).

4. Der Einfluss des Politik- und Wirtschaftssystems, in welchem wir leben

Reese betont, dass dieses Argument in keinem Fall damit zu tun hat, die Schuld von der Einzelperson oder Gruppe abzuschieben. Jedoch ist es ein Fakt, dass unser Wirtschaftssystem ein System des Konsums ist, was sich unmittelbar auf uns auswirkt (vgl. 23:12 - 23:18). So sagt Reese:

"Wir leben in einem System, welches unser Handeln begünstigt. Wir bräuchten eigentlich ein System, was umweltgerechtes Handeln fördert und das haben wir zur Zeit nicht“ (vgl. 23:50 - 23:55).

Des Weiteren könne ein bestehendes System auch Handeln erschweren. Wenn man z.B. eigentlich eine positive Einstellung zur Bahn hat und eine negative Einstellung zum Auto, aber die fehlende oder schlecht ausgebaute Nahverkehrsanbindung dafür sorgt, dass man gezwungen ist, aufs Auto umzusteigen (vgl. 24:50 - 25:10). Eine Studie von Sebastian Bamberg aus dem Jahr 2007 zeigte, dass Umweltverhalten sehr stark geprägt ist von Intentionen, welche einen Teil des Verhaltens begünstigen / erklären. Diese Intentionen hängen von einer Reihe psychischer Variablen ab, z.B. der eigenen Einstellung, dem eigenen moralischen Kompass, von Schuldgefühlen oder auch der eigenen Problemwahrnehmung. Allerdings können diese Intentionen nur ein Viertel unseres Verhaltens erklären. Daher entspringt nur ein kleiner Teil unseres Umweltschutzverhaltens aus der Intention. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass noch andere Faktoren eine bedeutende Rolle spielen (vgl. 26:01 - 27:23).

5. Die wichtige Rolle von Gruppenzugehörigkeiten

Die Umweltpsychologie hat nach Auffassung von Reese die soziale Dimension, deren Bedeutung im Vortrag mehrfach verdeutlicht wurde, lange Zeit vernachlässigt (vgl. 27:30 - 29:30). Wichtig sei es, nachhaltiges Handeln als eine kollektive Aufgabe zu verstehen. Daher ist ein Umdenken erforderlich, welches Reese wie folgt beschreibt:

"Denken weg von einem 'Was kannst du tun', hin zu einem 'Was können wir tun'."

Wie in Punkt 3 bereits erwähnt wurde, können uns Gruppenzugehörigkeiten positiv oder negativ im Hinblick auf unser nachhaltiges Verhalten beeinflussen (vgl. 29:37 - 30:10). Auch geht im positiven Falle damit eine kollektive Wirksamkeitserwartung einher, welche es wahrscheinlicher macht, dass man sich umweltgerechter verhält (vgl. 30:11 - 30:56). Wichtig ist hier auch die Idee einer globalen Identität. Diese umfasst, dass man Umweltprobleme aus einer globalen Perspektive betrachtet, welche mit sich bringt, dass die gesamte Menschheit intervenieren will (vgl. 31:07 - 32:18).

Auch wenn Reese immer wieder betont, wie stark uns Gruppenzugehörigkeiten und auch unser politisches und wirtschaftliches System in unserem umweltbewussten Verhalten in positiver oder negativer Weise beeinflussen können, betont er am Ende seines Vortrages, dass diese Erkenntnis den Einzelnen nicht aus seiner Handlungsverantwortung nehme (vgl. 33:35 - 35:38). Demnach müssen wir nicht erst politische Prozesse abwarten, sondern können selbst durch unser Verhalten etwas gegen den Klimawandel tun. Hier nennt Reese beispielsweise eine pflanzenbasierte Ernährung, das Nutzen von Ökostrom oder auch den Verzicht auf das Auto. Hierbei bleibe es jedem selbst überlassen, welche Intention diesem Verhalten zugrunde liege. In einem abschließenden Satz betont er in diesem Zusammenhang auch den Wert von Umwelt und Natur für unsere Gesundheit. 

Quelle

Deutschlandfunk Nova Podcast, Klima: Warum wir wider besseren Wissens der Umwelt schaden und wie wir es besser machen können, 16.02.2023; online verfügbar unter: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/klima-warum-wir-wider-besseren-wissens-der-umwelt-schaden-und-wie-wir-es-besser-machen-koennen (zuletzt geprüft am 16.11.2023)

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