Dienstag, 28. November 2023

Essbare Städte - ein Konzept, das funktioniert

Essbare Städte haben viele Gesichter. In der Fußgängerzone Gemüse ernten, in öffentlichen Parks Obst pflücken und vor dem Rathaus Kräuter für das nächste Gericht sammeln. Diesem Prinzip folgen viele Städte wie München, Kassel, Trier und Crailsheim. Sie nehmen sich den Vorreiter Andernach, eine Stadt mit circa 30.000 Einwohnern in Rheinland Pfalz, als Vorbild. Andernach war die erste „essbare Stadt“ in Deutschland und begann mit dem Konzept 2010. Die Ziele, die die Städte verfolgen, ähneln sich stark, sie wollen den Stadtraum zum Anbau von Lebensmitteln nutzbar machen und eine lokale Versorgung aufbauen. Städte sollen so widerstandsfähiger gegen die Klimakrise werden.

Heute gibt es im Zentrum Andernachs Obst- und Gemüsebeete, so wachsen an der historischen Stadtmauer Kartoffeln, Zucchinis, Grünkohl und sogar Hopfen. Der Burggraben ist zu einer Art Mini-Weinberg geworden, am Stadtrand ist eine 13 Hektar große Permakultur entstanden. Die Verkehrsinseln locken mit ihren Staudenbeeten Bienen und Schmetterlinge an. Damit trägt das Konzept der „essbaren Städte“ auch zum Erhalt der Biodiversität bei. Auch durch den Anbau regionaler und seltener Sorten wird die urbane Biodiversität unterstützt und nebenbei ein Gefühl von Identifikation mit der Heimat gestärkt oder sogar erschaffen.

Wo es andernorts heißt „Betreten verboten“ heißt es in Andernach „Pflücken erlaubt!“. Durch dieses Motto wird klar, dass das Wichtigste in einer essbaren Stadt ist, dass jeder Bürger und jede Bürgerin das Obst und Gemüse, das in der Stadt wächst, ernten und verwerten darf. Die Bürger können jedoch nicht nur Gemüse und Obst aus ihrer essbaren Stadt mitnehmen, auch Informationsveranstaltungen finden zum Beispiel in Andernach statt und informieren die Bürger über ihre Chancen, die essbare Stadt zu nutzen.

Streuobstwiesen oder Hochbeete in der Stadt können aber auch als Treffpunkt dienen und somit die Gemeinschaft stärken. Wer möchte, kann die Angebote einer „essbaren Stadt“ auch als „Lernort“ nutzen und an einem Hochbeet viel über das Gärtnern oder lokale Gemüse- und Obstsorten lernen. Das Gelände der Permakultur in Andernach kann zur Umweltbildung und Naherholung genutzt werden. Es gibt Themenführungen, Mitmachaktionen und ein „Glashaus“, das als Eventlocation genutzt werden kann

Neben den sozialen Aspekten der Bildung, der Stärkung der Gemeinschaft und auch der Tradition durch die heimischen und seltenen Pflanzen wird in Andernach zusätzlich noch die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in die Erwerbstätigkeit gefördert. Langzeitarbeitslose übernehmen hier den Job, den in andern Städten der Bauhof, Vereine oder engagierte Bürgerinnen und Bürger übernehmen. Sie kümmern sich in der Permakultur am Stadtrand von Andernach um die Beete, Tiere und den Bau von Insektenhotels. Die hier produzierten Lebensmittel werden jedoch in einem Laden verkauft und sind somit nicht für jeden frei zugänglich.

Die Frage, die sich viele stellen dürften, wenn sie von den „essbaren Städten“ hören, wird sein, ob es nicht zu Vandalismus an Beeten, Insektenhotels oder anderen im öffentlichen Raum vertretenen Teilen der „essbaren Städte“ kommt. Lutz Kosack, Botaniker und Geoökologe, nahm dazu im Juni 2020 in einem FAZ-Interview, in dem es um Andernach ging, Stellung:

„Es gibt auch wesentlich weniger Vandalismus, als wir befürchtet haben.“

Damit dürfte auch die Sorge, dass Vandalismus das Konzept behindert, aus dem Weg geräumt sein. Eine essbare Stadt hat also viele Vorteile es gibt aber auch noch Verbesserungspotenzial. Im Februar und März 2019 befragten Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung 380 Andernacher Bürger und Bürgerinnen zum Konzept der essbaren Stadt. Hier gaben die meisten an, dass sie die Flächen nur zur Erholung nutzen und nur 10% seien in das Projekt eingebunden. Die Hälfte der Befragten ist aber vollkommen davon überzeugt, dass das Konzept „essbare Stadt“ zur Attraktivität von Andernach beiträgt, und nur für 3% der Befragten trifft diese Aussage nicht zu. Alles in allem also ein gutes nachhaltiges Konzept mit viel Potenzial, dem sich bestimmt noch weitere deutsche Städte anschließen werden.

Quellen

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