Donnerstag, 4. April 2019

Nachhaltigkeitspolitik in Deutschland - der PBNE

Für viele Menschen, die gerade neu nach Ludwigsburg ziehen, ist die wohl deutschlandweit einzigartige Mülltrennung vollkommenes Neuland. Getrennt wird nach Flach, Rund, Bio und noch einigen weiteren Kategorien. Ähnlich wird es denjenigen gehen, die die Mülltrennung in Deutschland allgemein neu kennen lernen. Viele fragen sich vielleicht, wo dabei der Sinn sein soll und wozu der ganze Aufwand betrieben wird.

Eine mögliche Antwort ist: Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist unglaublich breit gefächert und lässt sich in den verschiedensten Bereichen wiederfinden: Im Bildungsplan von Baden-Württemberg beispielsweise ist die Bildung für nachhaltige Entwicklung als Leitperspektive verankert (vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport 2019). Weiterhin gibt es Ratgeber zur nachhaltigen Lebensführung oder Zertifikate für Firmen, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben.

Auch in diesem Blog finden sich bereits Beiträge beispielsweise zur nachhaltigen Mobilität oder der Nachhaltigkeit von E10. Ein ganz anderer Bereich ist die Deutsche Nachhaltigkeitspolitik bzw. die Nachhaltigkeitsstrategie, die hier betrachtet werden soll. Außerdem wird der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung (PBNE), ein bedeutsames Gremium im Zusammenhang mit dieser Strategie, vorgestellt und seine Bedeutung und Aufgaben im Rahmen der Strategie verdeutlicht. Doch warum sollte ausgerechnet die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie so spannend sein?

Eine mögliche Antwort ist, dass die Bundesrepublik Deutschland (BRD) zusammen mit allen anderen Mitgliedsstaaten der UN im September 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet hat, deren Kernelement 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung darstellen (Pufé 2017, S. 55). Ein Beschluss also, der weltweit eine große Bedeutung hat und für alle Mitgliedsstaaten gleichermaßen gilt.

Dies war der Anlass für die BRD, die bisherige nationale Nachhaltigkeitsstrategie nochmals vollständig zu überarbeiten und 2017 zu veröffentlichen (von Hauff et al. 2018, S. 32). Aber warum ausgerechnet der Fokus auf den PBNE?
„Die Einrichtung von Nachhaltigkeitsbeiräten kann dazu beitragen, die nachhaltige Entwicklung in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu fördern […]“ (Schomerus, Thomas 2011, S. 1).
Im weiteren Verlauf dieses Beitrags soll erläutert und argumentiert werden, weshalb es sinnvoll ist, den PBNE eingehender zu analysieren. Zunächst soll nach einigen Begriffsdefinitionen und Erklärungen aber die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie vorgestellt werden. Es erfolgt zunächst ein historischer Umriss der Nachhaltigkeitsentwicklung in Deutschland, um ein tiefergehendes Verständnis für die heutige Situation zu erlangen, und die Strategie an sich wird dann erläutert.

Nach der Überleitung mit Argumenten für die Betrachtung der institutionellen Seite der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird der PBNE vorgestellt und seine Aufgaben und Funktionen gezeigt. Sinnvollerweise wird dieses Gremium erst nach der Vorstellung der Nachhaltigkeitsstrategie behandelt, da somit deutlich werden kann, wie der PBNE mit der gesamten Strategie zusammenhängt. Im Anschluss wird er zusammen mit der Strategie kritisch betrachtet.


Begriffsdefinitionen

Damit die folgenden Ausführungen über die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie und den PBNE verständlich sind und es eindeutig ist, was gemeint ist, werden in diesem Abschnitt die grundlegenden Begriffe definiert und erläutert. Da es sich um die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie handelt, wird Nachhaltigkeit hier nach dem Verständnis der Bundesregierung definiert. Diese setzt den Begriff Nachhaltigkeit mit dem der nachhaltigen Entwicklung gleich (Die Bundesregierung 2017, S. 24).
„Dem Leitprinzip der nachhaltigen Entwicklung zu folgen bedeutet für die Bundesregierung […], darauf hinzuarbeiten, mit ihrer Politik gleichermaßen den Bedürfnissen der heutigen sowie künftiger Generationen gerecht zu werden […] und ihnen ein Leben in voller Entfaltung ihrer Würde zu ermöglichen. Dafür bedarf es einer wirtschaftlich leistungsfähigen, sozial ausgewogenen und ökologisch verträglichen Entwicklung, wobei die planetaren Grenzen unserer Erde zusammen mit der Orientierung an einem Leben in Würde für alle […] die absolute äußere Beschränkung vorgeben“ (Die Bundesregierung 2017, S.24).
Unter einem Leben in Würde für alle versteht die Bundesregierung die Einhaltung der fünf Kernbotschaften der Agenda 2030 (vgl. ebd., S. 24). Dazu gehört, dass die Würde des Menschen im Mittelpunkt steht, der Planet geschützt wird, Frieden und Wohlstand gefördert und globale Partnerschaften aufgebaut werden (Pufé 2017, S. 56).

Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie an sich stellt dar, „wie das Leitprinzip der Nachhaltigkeit in der Regierungsarbeit der Bundesregierung derzeit und künftig konkret umgesetzt wird. Die Nachhaltigkeitsstrategie bildet einen wesentlichen Rahmen für die nationale Umsetzung der Agenda 2030“ (Die Bundesregierung 2017, S. 24). Dies dient hier vorab nur als ein Orientierungspunkt, die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie wird im Folgenden noch ausführlicher vorgestellt.

Schließlich ist auch noch der PBNE bedeutsam. Dieser „begleitet die Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung im Bundestag“ (ebd., S. 28). Der PBNE wird ebenfalls im Verlauf dieses Beitrags genauer beschrieben und erklärt. Um Unklarheiten zu vermeiden, sollte auch noch erwähnt werden, dass die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie am 11.01.2017 verabschiedet worden ist, allerdings oftmals den Untertitel „Neuauflage 2016“ trägt. Dies liegt daran, dass die Strategie an sich bereits 2016 als Entwurf fertiggestellt, allerdings erst im Januar des Folgejahres offiziell verabschiedet wurde (vgl. ebd., S. 259).

Außerdem wurde die Strategie bereits aktualisiert. In dieser Aktualisierung aus dem Jahr 2018 wurden vor allem Berichte und Erfahrungen dargestellt und Indikatoren vereinzelt angepasst. So wurde bei einem Ziel beispielsweise das Jahr hinzugefügt, bis zu welchem dieses erreicht werden soll (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2018, S. 45). Insgesamt haben sich zwar einige Details zur Vorgängerversion verändert, doch ist die Strategie im Kern dieselbe geblieben, weshalb sich dieser Beitrag auf die Version vom Januar 2017 bezieht. Auch die allgemeine Betrachtung der Strategie ermöglicht es, die Version von 2017 als Hauptquelle zu nutzen (vgl. ebd., S. 7).

Historischer Umriss der Nachhaltigkeitsentwicklung in der BRD und die Agenda 2030

In diesem Kapitel wird dargestellt, wie sich die Debatte um Nachhaltigkeit in Deutschland entwickelt hat. Die wichtigsten Etappen sollen dabei kurz ausgeführt werden. Ursprünglich stammt der Begriff der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft. Bereits 1713 verwendete Carl von Carlowitz das Wort „nachhalten“ (Pufé 2017, S. 37). Damals forderte er eine Holzwirtschaft, in der nur so viele Bäume abgeholzt werden, wie auch nachwachsen können, so dass die Menschen auch in Zukunft dieses Holz nutzen können. Diesem Verständnis nach ist Nachhaltigkeit also vor allem eine Angelegenheit der Ökonomie und der langfristigen Ressourcennutzung (vgl. ebd., S. 37f.).

Viele Jahre später, 1972, errang die Ökologie eine größere Bedeutung in der Debatte um  Nachhaltigkeit. In diesem Jahr wurde der Bericht „Grenzen des Wachstums“ von einem Forscherteam veröffentlicht. Kern dieses Berichts war, dass bei der Fortführung des Wachstums der Weltbevölkerung, der Industrialisierung und dem Verbrauch von Ressourcen, die endlich sind, bereits in einigen hundert Jahren eben jene Grenze erreicht werden würde (vgl. ebd., S. 39).

Der Bericht wurde weltweit millionenfach verkauft und in viele Sprachen übersetzt. Er erlangte somit weltweite Beachtung und war zusammen mit einigen weiteren Berichten der Grund dafür, dass die UN 1983 die Brundtland-Kommission einsetzte. Deren Auftrag war es, „Empfehlungen für eine nachhaltige Entwicklung auszuarbeiten und diese als globales Ziel zu etablieren“ (von Hauff et al. 2018, S. 29).

Vier Jahre später wurde der Bericht fertiggestellt und veröffentlicht. Erwähnenswert ist diese Kommission und ihr Bericht (offizieller Titel: „Our Common Future“) deshalb, weil das Verständnis von Nachhaltigkeit, das der Nachhaltigkeitsstrategie in Deutschland zugrunde liegt, bis heute auf diesen Bericht aus dem Jahre 1987 zurückgeht (vgl. Die Bundesregierung 2017, S. 24). Damals wurde Nachhaltigkeit wie folgt verstanden:
„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährleistet, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende“ (Pufé 2017, S. 42).
Verglichen mit der heutigen Definition von Nachhaltigkeit der Bundesregierung lassen sich hier also große Parallelen feststellen. Weiterhin wurde im Bericht erstmals betont, dass das Konsum- und Produktionsverhalten des globalen Nordens die globalen ökologischen Probleme wie auch die extreme Armut im globalen Süden bedingt. Dies war ein weiterer Grund für die steigende Popularität der Ökologie, und der Begriff der nachhaltigen Entwicklung wurde weiter verbreitet, da die eben beschriebenen Differenzen durch die Nachhaltigkeit im Sinne von Umwelt und Entwicklung gelöst werden sollten (vgl. ebd., S. 43).

Schließlich gab es noch ein weiteres sehr bedeutsames Ergebnis der Brundtland-Kommission (deren Leiterin und Namensgeberin übrigens die Norwegerin Gro Harlem Brundtland war (vgl. Mumm 2016, S. 30)): Die Idee einer Weltkonferenz zum Thema nachhaltige Entwicklung (vgl. von Hauff et al., 2018, S. 30). Die sogenannte Rio-Konferenz (aufgrund des Veranstaltungsortes Rio de Janeiro) fand daraufhin 1992 statt (vgl. Michelsen 2017, S. 8).

Bis dahin war dies die weltweit größte Konferenz zu dieser Thematik: 178 Staaten nahmen an der 12-tägigen Konferenz teil. Ziel war es, die Umwelt- und Entwicklungsanliegen zu verbinden und sie in einem gemeinsamen Abkommen festzuhalten. (vgl. Pufé 2017, S. 48). So wurde unter anderem die Agenda 21 dort beschlossen. Diese war die Grundlage dafür, dass fünf Jahre später alle Staaten, die diese Agenda 21 unterzeichnet hatten, durch eine UN-Sondervollversammlung dazu verpflichtet wurden, bis zum Jahre 2002 eine Nachhaltigkeitsstrategie zu veröffentlichen (vgl. Michelsen 2017, S. 8).

Bis heute gilt die Rio-Konferenz als ein „Höhepunkt weltweiter politischer Bemühungen um Nachhaltigkeit“ (Pufé, 2017, S. 49) und war mit der Hauptgrund dafür, dass Nachhaltigkeit in die Politik Einzug hielt (vgl. ebd., S. 50). Auch in Deutschland wurde im Jahre 2002 erstmals eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet und somit der Vereinbarung der UN nachgekommen (vgl. Die Bundesregierung 2017, S. 25).

Bevor es schließlich zur Verabschiedung der Agenda 2030 kam, ist noch eine bedeutende Station auf dem Weg zum heutigen Verständnis und der heutigen Auslegung von Nachhaltigkeit zu nennen. Die Millenium Development Goals (MDG), die 2000 verabschiedet worden sind und nun im Gegensatz zu vorherigen Abkommen vor allem auch soziale Ziele beinhalteten.

Inhaltlich umfassten die MDG 8 Kernziele wie beispielsweise „die vollständige Bekämpfung extremen Hungers und extremer Armut“ (von Hauff et al. 2018, S. 30f.). Diese Ziele sollten eigentlich innerhalb von 15 Jahren erreicht werden, doch wurde schon bald klar, dass dies nicht möglich war. Daraufhin wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Aufgabe hatte, universelle Entwicklungsziele festzulegen, die die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie, Soziales) gleichermaßen beachten sollten (vgl. ebd., S. 31).

Dies führte dazu, dass 2015 schließlich auf dem UNO-Nachhaltigkeitsgipfel in New York die Agenda 2030 verabschiedet worden ist, welche die aktuelle Grundlage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bildet. Diese ist eine Zusammenführung „der Agenda 21 und des Prozesses der Milleniumentwicklungsziele“ (ebd., S. 33). Kern der Agenda 2030 bilden 17 Sustainable Development Goals (SDG), die bis zum Jahre 2030 von allen 192 Unterzeichnerländern erreicht werden sollen (vgl. Martens/Obenland 2017, S. 7).
„Durch die Anerkennung der Universalität der Agenda, […] bekräftigen Industrie-, Schwellen-und Entwicklungsländer ihre gemeinsame Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft“ (Fischer/Scholz 2015, S. 7).
Im Gegensatz zu den MDGs, die von den Entwicklungsländern umgesetzt werden sollten, wird hier also die Notwendigkeit der Beteiligung aller Staaten betont (vgl. von Hauff et al. 2018, S. 32). Den 17 Zielen übergeordnet stehen die fünf Kernbotschaften, die bereits in diesem Beitrag erwähnt worden sind.

Die Umsetzung dieser Agenda bleibt jedem Staat selbst überlassen. Dies bietet den Vorteil, dass jeder Staat gemäß seiner Kapazitäten und Entwicklungsstände mit jeweils geeigneten Methoden und Maßnahmen eine Strategie dazu entwickeln kann (vgl. ebd., S. 32).

Auch die Bundesregierung bezieht sich in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie auf die Agenda 2030 und betont deren Bedeutung. Gleichzeitig lässt sich im folgenden Zitat nochmals gut zusammenfassen, wie die verschiedenen historischen Ereignisse zusammenhängen und inwiefern ihr Zusammenspiel für die heutige Situation relevant ist:
„Die Agenda 2030 ist Ausdruck einer neuen Qualität der internationalen Nachhaltigkeitspolitik. Denn sie überwindet das Nebeneinander der beiden Perspektiven „Umwelt und Entwicklung“, das den Grundkonsens von Rio 1992 prägte, indem sie die im Rio-Folgeprozess entwickelten globalen Nachhaltigkeitskriterien und -ziele und den entwicklungspolitischen Diskurs mit den Millenniumszielen (MDG’s) in einem umfassenden System globaler Ziele für nachhaltige Entwicklung integriert“ (Die Bundesregierung 2017, S. 22).

Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie

In diesem Kapitel wird nach der Darlegung der verschiedenen historischen Etappen, die zur Agenda 2030 und somit auch zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie geführt haben, nun die Nachhaltigkeitsstrategie an sich vorgestellt.

Die erste Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland gab es im Jahr 2002. Seit 2004 wurde die Nachhaltigkeitsstrategie alle vier Jahre weiterentwickelt und stellt in ihrer aktuellen Version die „umfassendste Weiterentwicklung der Strategie seit ihrem erstmaligem Beschluss […]“ (Die Bundesregierung 2017, S. 11) dar.

Die 17 SDG der Agenda 2030 sind die Grundlage dieser Strategie (vgl. Michelsen 2017, S. 7f.). In der Strategie wird diesen 17 Zielen jeweils mindestens ein Indikator zugeordnet, welcher wiederum meistens mit quantifizierten Zielen verbunden wird. Insgesamt gibt es so 63 „Schlüsselindikatoren“ (Die Bundesregierung 2017, S.12).

Alle zwei Jahre gibt es einen Indikatorenbericht, der Auskunft darüber gibt, inwieweit die Ziele erreicht wurden bzw. ob die Zielerreichung noch weit entfernt ist (vgl. Presse-und Informationsamt der Bundesregierung 2017, S. 12). Der aktuelle Indikatorenbericht ist im Dezember 2018 veröffentlicht worden und somit erst einige Monate alt (Statistisches Bundesamt 2018, S. 2).

Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie ist ein 260 Seiten langes Dokument, das neben der genauen Beschreibung der einzelnen Indikatoren auch Informationen darüber enthält, welche Bedeutung Nachhaltigkeit an sich hat und was die Strategie neben den Indikatoren kennzeichnet.

Zuständig für die Strategie ist das Bundeskanzleramt. „Nachhaltige Entwicklung ist damit in Deutschland „Chef-" bzw. „Chefin“-sache“ (Die Bundesregierung 2017, S. 13), allerdings wirken alle Ressorts bei der Gestaltung und Umsetzung mit. Diese sind auch selbst dafür verantwortlich, die Strategie in ihrem jeweiligen Gebiet umzusetzen. Weiterhin gibt es drei wichtige Gremien, die ebenfalls die Strategie begleiten und bei der Umsetzung unterstützen.

„Der Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung ist das zentrale Steuerungsorgan der Nachhaltigkeitsstrategie“ (ebd., S. 27). In diesem sind StaatssekretärInnen aus allen Ressorts vertreten, und die Hauptaufgabe des Ausschusses besteht darin, die Strategie zu prüfen und dementsprechend weiterzuentwickeln. Der Ausschuss besteht bereits seit 2000 und wurde von der damaligen Regierung ins Leben gerufen.

Ein Jahr später wurde der Rat für Nachhaltige Entwicklung gegründet. (vgl. Michelsen 2017, S. 8). Dieses Gremium dient der Beratung und Beantwortung von Fragen der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung. Daneben trägt er auch zur Nachhaltigkeitsstrategie bei und fungiert als „wichtiger Akteur im gesellschaftlichen Dialog“ (Die Bundesregierung 2017, S. 31). Die Mitglieder dieses Rates sind in ihrem Mandat frei und werden von dem/der jeweiligen Bundeskanzler/in ernannt (vgl. ebd., S. 30f).

Das dritte und letzte Gremium ist der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung. Dieser wurde 2004 vom Bundestag eingesetzt, um die „Nachhaltigkeitsstrategie parlamentarisch [zu] begleiten“ (Michelsen 2017, S. 9). Dieser wird im weiteren Verlauf noch genauer vorgestellt und seine Bedeutung innerhalb des politischen Systems soll verdeutlicht werden.

Der Grund, warum diese drei Gremien hier explizit erwähnt und kurz vorgestellt wurden, ist, dass die letztgenannte institutionelle Einrichtung, der PBNE, nun vertieft behandelt wird. Nach der Darstellung des historischen Hintergrundes und der Nachhaltigkeitsstrategie an sich soll nun dieses Gremium genauer analysiert werden. Der bisherige Inhalt diente also dazu, einige Basisinformationen zu geben und die gesamte Strategie vorzustellen.

Warum ausgerechnet eine Fokussierung auf den PBNE erfolgen soll, mag zunächst nicht naheliegend erscheinen. Die Begründung für diese Fokussierung wird daher im nächsten Schritt vorgenommen, um anschließend den PBNE an sich zu betrachten.

Relevanz von Institutionen und dem PBNE für die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie

Insgesamt sind es vier Punkte, die hier angesprochen werden und allesamt Argumente für die Notwendigkeit der Betrachtung von Institutionen und insbesondere des PBNE darstellen. Dass Nachhaltigkeit auf Bundesebene überhaupt relevant ist, findet sich in GG Art.20a wieder:
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“ (Bundesamt für Justiz 2019).
In diesem Artikel wird deutlich, dass der Schutz für die künftigen Generationen (welcher sich ja auch in der Definition von Nachhaltigkeit wiederfindet) in der BRD so bedeutsam ist, dass er sich in einem Artikel des Grundgesetzes wiederfindet. Es werden hier sowohl die Exekutive als auch die Judikative und die Legislative angesprochen und somit ist klar, dass das Thema der Nachhaltigkeit alle Gewalten durchdringt. Auch die Institutionen sind Teil dieser Ebenen und deshalb relevant für die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Insbesondere bei der Gesetzgebung wirkt auch der PBNE mit, wie im Folgenden verdeutlicht wird.

Gemäß §44 der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien werden „die beabsichtigten Wirkungen und die unbeabsichtigten Nebenwirkungen“ (Bundesministerium des Inneren 2011, S. 31) eines Gesetzes festgestellt. Der PBNE hat dabei die Aufgabe, zu bewerten, ob die Bundesregierung ihrer Aufgabe, „darzustellen, ob die Wirkungen eines Vorhabens einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen […]“ (Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung 2017, S. 1), nachkommt. Dies nennt man auch die sogenannte Nachhaltigkeitsprüfung (vgl. ebd., S. 1).

Ein weiteres Beispiel für die Notwendigkeit von Nachhaltigkeitsbeiräten wurde bereits in der Einleitung angesprochen. Thomas Schomerus betont die Förderung der nachhaltigen Entwicklung eben durch solche Gremien (vgl. Schomerus 2011, S. 1). In seinem Beitrag geht er vor allem auf eine weitergehende Institutionalisierung dieser Räte ein, welche „einen wichtigen Baustein für ein im Entstehen begriffenes Nachhaltigkeitsrecht bilden [kann]“ (ebd., S. 1). Ein solches Recht wiederum würde sich dann positiv auf die Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auswirken.

Der letzte Punkt, der nochmals die besondere Stellung des PBNE hervorheben soll, zeigt sich durch eine Forschungsarbeit von Gerrit Mumm, die im Jahre 2016 veröffentlich wurde (Mumm 2016, S. 1). In dieser Arbeit untersucht er die Wirkung des PBNE auf die Bundesregierung und deren Nachhaltigkeitsstrategie (vgl. ebd., S. 80). Die zugrundeliegende Theorie ist die Principal-Agent-Theorie, die ursprünglich aus der Wirtschaftswissenschaft kommt und hier die Wichtigkeit des PBNE erklären soll:
„Im Mittelpunkt der Principal-Agent-Theorie steht die arbeitsteilige Beziehung zwischen Principal und Agent. Eine derartige Beziehung entsteht, wenn ein Auftraggeber (Principal) einem Ausführenden (Agent) zur Realisierung seiner Interessen Entscheidungs- sowie Ausführungsbefugnisse überträgt und ihm dafür eine Entlohnung bietet“ (Buxmann et al. 2015, S. 51).
Bezogen auf eine politikwissenschaftliche Untersuchung ergeben sich allerdings einige Änderungen. Zunächst einmal fungiert hier das Parlament (vertreten durch den PBNE) als Principal und die Regierung als Agent. Begründet wird dies mit der Tatsache, dass das Parlament die Regierung wählt und vor allem auch kontrolliert. In dieser Principal-Agent Beziehung gibt es keine Arbeitsverträge, sondern das Grundgesetz, welches klare Rahmenbedingungen absteckt und die Regierung in eine bessere Position stellt als den Agenten im ökonomischen Kontext (vgl. Mumm 2016, S. 71).

In dieser Untersuchung „wird insbesondere der Einfluss der Legislative […] durch öffentliche Stellungnahmen auf die Signale der Bundesregierung […] gemessen“ (ebd., S. 70). Diese wiederum beschließt ja die Nachhaltigkeitsstrategie. Das Ergebnis der Untersuchung ist, dass „die öffentlichen Stellungsnahmen […] des Beirats den größten beobachtbaren Einfluss auf die Signale der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie haben“(ebd., S. 80) und „die meisten Veränderungen der Strategie […] den Positionen des Beirats [entsprechen]“ (ebd., S. 227).

In diesem letzten Argument wird nochmals das Beziehungsgeflecht zwischen dem PBNE und der Bundesregierung (welche die Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet) vor allem durch die Principal-Agenten Konstellation verdeutlicht. Es zeigt sich, dass der PBNE eine tragende Rolle spielt und einen großen Einfluss auf die Nachhaltigkeitsstrategie hat und es deshalb lohnenswert ist, diesen Beirat genauer zu betrachten.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung

Der PBNE wurde 2004 erstmals vom Bundestag eingesetzt, um die Nachhaltigkeitsstrategie parlamentarisch zu begleiten (Michelsen 2017, S. 9). Er wurde seitdem in jeder Legislaturperiode wieder eingesetzt und besteht aktuell aus 17 Mitgliedern unter dem Vorsitz von Andreas Lenz aus der Fraktion CDU/CSU (Deutscher Bundestag 2018, S. 9). Der Beirat setzt sich zusammen aus allen Fraktionen, die jeweils im Bundestag vertreten sind. Er tagt teilweise öffentlich und teilweise nicht-öffentlich in den Sitzungswochen des Bundestages.

„Heute nicht auf Kosten von morgen leben! – so lautete das Leitmotiv für eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Politik, die Verantwortung für die heute lebenden Menschen genauso wie für künftige Generationen übernimmt“ (Andreas Jung, zit. nach Presse- und Informationsamt der Deutschen Bundesregierung 2017, S. 30) – so beschreibt der Vorsitzende selber das Motiv und Motto des Beirats.

Die genauen Aufgaben haben sich im Lauf der Jahre etwas verändert. Während am Anfang vor allem die nationale Nachhaltigkeitsstrategie begleitet wurde, steht heute auch die internationale Nachhaltigkeitspolitik auf seiner Agenda. Auch die bereits erwähnte Kontrollfunktion wurde stetig erweitert und ist heute mit einer seiner Hauptaufgaben (Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung 2018, S. 2f.).

Weitere Aufgabenbeschreibungen finden sich auch in dem Antrag auf die Einsetzung des PBNE, der von allen Fraktionen des Bundestages eingereicht und in diesem Wortlaut auch angenommen wurde. Der PBNE begleitet die nationale Nachhaltigkeitsstrategie parlamentarisch und zwar insbesondere bei der genauen Festlegung der Indikatoren und Ziele (dem Herzstück der Nachhaltigkeitsstrategie) und deren Fortentwicklung sowie der Vernetzung von Politikansätzen dazu (Fraktionen CDU/CSU et al. 2018, S. 1). Auch bei der „Festlegung und Konkretisierung von Maßnahmen und Instrumenten zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie“ (ebd., S. 1) steht der PBNE der Bundesregierung begleitend zur Seite.

Außerdem fertigt der Beirat gutachtliche Stellungnahmen und Empfehlungen an, die anderen Gremien zur Information dienen können und ebenfalls beratenden Charakter haben. Diese erhalten beispielsweise Ausschüsse, die sich mit Themen der nachhaltigen Entwicklung beschäftigen. Weiterhin empfiehlt er auch dem Bundestag oder der Bundesregierung weitere Möglichkeiten, um eine nachhaltige Entwicklung zu verstärken, sofern er solche als geeignet erachtet (vgl. ebd., S. 1f).

Der Beirat arbeitet somit zwar hauptsächlich in beratender Funktion an den verschiedenen Stellen und gibt Stellungnahmen und Empfehlungen ab, doch zeigt er auch selbst Initiative. So finden beispielsweise Plenardebatten zum Thema Nachhaltigkeit statt, etwa „zu einer Stellungnahme des Beirats zum Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamts 2014 und den Erwartungen an die vorliegende Nachhaltigkeitsstrategie“ (Die Bundesregierung 2017, S. 30). Er plädiert außerdem auch dafür, „dem Prinzip Nachhaltigkeit Verfassungsrang zu geben“ (ebd., S. 30).

Es existieren Vernetzungen zu den anderen beiden Nachhaltigkeitsgremien, die bereits erwähnt worden sind. Der Beirat begleitet den Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung und den Rat für Nachhaltige Entwicklung ebenfalls parlamentarisch. Auch zu weiteren Institutionen hält er Kontakt (bspw. andere Parlamente oder den Bundesländern) und verbindet wichtige Nachhaltigkeitsakteure, immer mit dem Ziel der Verbesserung der nachhaltigen Entwicklung (vgl. Fraktionen CDU/CSU et al. 2018, S. 2).

Die wohl wichtigste Aufgabe bleibt jedoch die Bewertung der Nachhaltigkeitsprüfung der Bundesregierung, die bereits erläutert wurde. Das Ziel für die Zukunft soll außerdem sein, dass nicht nur Gesetze, sondern auch Anträge und Verordnungen den Leitlinien einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen. Dafür müssten die Kompetenzen weiterhin gestärkt und entsprechend dieser Anforderungen angepasst werden (vgl. ebd., S. 3).

Bezugspunkt dabei sowie bei der gesamten Arbeit des Beirates ist natürlich die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie mit ihren Indikatoren und Zielen sowie die SDG, die dieser zugrunde liegen. In der vergangenen Wahlperiode hat der Beirat aus dieser Aufgabe heraus mehr als 800 Regierungsvorhaben geprüft und gegebenenfalls Stellungnahmen dazu formuliert. Interessant ist dabei vor allem auch, dass diese Prüfung nicht nur fraktionsübergreifend, sondern auch im Konsens vollzogen wird (vgl. Deutscher Bundestag 2018, S. 10).

Begründet wird die Einsetzung des PBNE in der aktuellen 19. Legislaturperiode mit der Komplexität der nachhaltigen Entwicklung, „so dass es eines in diesem Sinne fachübergreifend arbeitenden Gremiums bedarf, um [diesem Anspruch] gerecht zu werden und innovativ zukunftsweisende Politik zu gestalten“ (Fraktion CDU/CSU et al. 2018, S. 3). Außerdem wird der Dialog betont, den der Beirat mit vielen Institutionen der nachhaltigen Entwicklung und auch der Zivilgesellschaft führt und der für eine nachhaltige Entwicklung unentbehrlich ist (vgl. ebd., S. 3).

Bezogen auf die Nachhaltigkeitsstrategie ist der PBNE ein sehr vielseitiges Gremium, welches seit 15 Jahren existiert. Mitglieder aus allen Fraktionen arbeiten gemeinsam für die ständige Förderung der nachhaltigen Entwicklung. Dafür setzen sie an verschiedenen Punkten an. Der Beirat stellt Informationen bereit und wirkt bei der Entwicklung der Strategie mit. Er berät andere Gremien und gibt Stellungnahmen ab.

Interessant ist auch seine Funktion als Knotenpunkt zwischen den verschiedenen institutionellen wie auch zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und Bereichen. Der Beirat ist somit gut vernetzt und hat die Möglichkeit, durch verschiedene Informationsquellen auch selber die Initiative bei dringenden Anliegen zu ergreifen oder die Kommunikation zwischen verschiedenen Einrichtungen zu stärken.

Durch seine Kontrollfunktion hat er auch die Möglichkeit, ganz konkrete Bewertungen abzugeben. Er zeichnet sich also insgesamt als ein Akteur aus, der durch seine umfangreichen Aufgabengebiete an vielen Stellen präsent ist und somit mit seiner Arbeit darauf einwirken kann. Im nächsten Kapitel werden einige kritische Stimmen zum PBNE und seiner Bedeutung und Arbeit betrachtet.

Kritik an der Nachhaltigkeitsstrategie und dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung

Im bisherigen Beitrag wurde vor allem die Nachhaltigkeitsstrategie, ihre historische Entstehung und der PBNE dargestellt. Dabei wurde vor allem der PBNE in seiner Bedeutung für die Strategie und seine vielfältigen Aufgaben als durchaus bereicherndes Gremium veranschaulicht. Dennoch gibt es auch Untersuchungen und Artikel, die diese Sichtweise nicht teilen und sich kritisch gegenüber der Nachhaltigkeitsstrategie und dem PBNE äußern.

Zunächst einmal kritisierte der WWF in einer Studie bereits 2012, dass der Stellenwert von Nachhaltigkeitspolitik insgesamt recht niedrig ist. Beispiele dafür sind die geringe Bedeutung und Möglichkeiten der dafür geschaffenen Institutionen und die geringe Beschäftigung mit der Thematik der Nachhaltigkeit im Tagesgeschäft. Trotz der vermeintlich hohen Bedeutung, die von den einzelnen Parteien und auch der Regierung immer wieder betont wird, stehen andere Themen oftmals im Vordergrund (vgl. WWF Deutschland 2012, S. 8f).

Auch in einem Beitrag von Norman Laws und Harald Heinrichs aus dem Jahr 2017 wird verdeutlicht, dass es kaum Veränderungen bei der Erreichung der Indikatoren gegeben hat. Es wird zwar deutlich, dass die Nachhaltigkeit auch in der Spitzenpolitik eine wichtige Rolle spielt, doch ist es nach wie vor stark von dem jeweiligen Verständnis von Nachhaltigkeit und auch dem Verständnis der jeweiligen Handlungslogik der einzelnen Politikbereiche abhängig, wie die Umsetzung im Einzelnen angegangen wird (vgl. Heinrichs/Laws 2017, S. 142ff.). Außerdem wird angemerkt, dass der jeweilige politische Wille einen starken Einfluss auf die Ambitionen zur Umsetzung hat (vgl. ebd., S. 152).
„Insgesamt erscheint die zentrale Herausforderung bei der politischen Umsetzung von Nachhaltigkeit im Allgemeinen und Nachhaltigkeitsstrategien im Besonderen der politische Wille“ (ebd., S. 153).
Weiterhin wird angemerkt, dass beachtet werden muss, dass die Ziele und Indikatoren zum Teil in einem Konflikt zueinander stehen und es zudem aufgrund des Ressortprinzips schwierig ist, alle durchgehend im Blick zu haben. Durch die Spezialisierung der einzelnen Ressorts auf ihre Bereiche kann es zu einer Vernachlässigung der Beachtung der Interdependenzen der Indikatoren und Ziele kommen (vgl. ebd., S. 147). Vor allem im Hinblick auf den zuletzt genannten Punkt ist es daher umso wichtiger, ein Gremium zu haben, das Koordinationsarbeit leisten kann.

Bereits in der Studie von 2012 fordert der WWF daher eine Aufwertung des PBNE, um dem Thema Nachhaltigkeit insgesamt einen höheren Stellenwert im parlamentarischen System einzuräumen und ihm durch die Einsetzung als Ausschuss die Möglichkeit zu geben, seinen Aufgaben besser nachkommen zu können (vgl. WWF Deutschland 2012, S. 11).

Es wurde damals außerdem auch schon kritisch angemerkt, dass der PBNE nur eine sehr geringe Wahrnehmung in der Politik wie auch in der Öffentlichkeit vorzuweisen hat. Dies hat sich bis heute nicht allzu sehr verändert.
„Der PBNE [wurde] von der Arbeitsebene der Ministerien eher als Beiwerk betrachtet“ (Heinrich/Laws 2017, S. 146).
Vor allem die Fachausschüsse hingegen werden größtenteils als wichtiger erachtet, was auch für eine Aufwertung hin zu einem Ausschuss sprechen würde. Es gibt jedoch auch Kritik aus der gegensätzlichen Richtung: Teilweise wird sogar befürchtet, dass der PBNE sich zu sehr in die Angelegenheiten der verschiedenen Ausschüsse einmischen könnte (vgl. ebd., S. 146).

Während die Nachhaltigkeitsstrategie an sich im Kanzleramt verortet ist, „ist der PBNE in der Hierarchie der Ausschüsse des Bundestages nicht besonders hoch angesiedelt“ (ebd., S. 149). Auch die Mitglieder des Beirates genießen keine allzu große Aufmerksamkeit und sind nur selten im Fokus der Medien, was wiederum dazu beiträgt, dass die breite Öffentlichkeit nur wenig von der Arbeit des PBNE mitbekommt (vgl. ebd., S. 149).

Insgesamt sind die Hauptkritikpunkte bzw. Problematiken des PBNE die fehlenden Kompetenzen, die durch eine Aufwertung zu einem Ausschuss zumindest teilweise behoben werden könnten. Auch der fehlenden Aufmerksamkeit und Beachtung sowohl innerhalb der Politik als auch der Öffentlichkeit könnte so entgegengewirkt werden.

Zusammenfassung und Schluss

Die Diskussion rund um Nachhaltigkeit kann auf eine mehrere hundert Jahre alte Geschichte zurückblicken. Ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammend, erlangte die Nachhaltigkeit mit dem Brundtland-Bericht erstmals weltweite Aufmerksamkeit. Bis heute basiert das Nachhaltigkeitsverständnis in Deutschland auf den Ausführungen dieses Berichts.

Einige Jahre später kam es dann in Rio de Janeiro zu einer Konferenz, in der unter anderem die Agenda 21 beschlossen wurde. Diese war Grundlage für die erste deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2002. Bevor schließlich die Agenda 2030 im Jahr 2015 verabschiedet wurde, entstanden die Millenium Development Goals mit vor allem sozialen Zielen.

Bis heute bildet die Agenda 2030 als eine Verbindung der Agenda 21 und der MDG die Grundlage der aktuellen Nachhaltigkeitsstrategie in Deutschland. Mit ihren 17 SDG, die für alle Länder gleichermaßen gelten, nimmt sie die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales auf und verbindet sie in den Zielen.

In Deutschland wurden diese 17 SDG wiederum ergänzt und es entstand ein Katalog aus 63 Indikatoren mit Zielen, die erreicht werden sollen, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Verortet ist die Strategie im Bundeskanzleramt, doch wirken alle Ressorts bei der Gestaltung und Umsetzung mit.

Allen voran wurde in diesem Beitrag dann eines der Gremien, die sich in Deutschland mit Nachhaltigkeit befassen, genauer vorgestellt. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung trägt neben dem Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung und dem Rat für nachhaltige Entwicklung seit 2004 zur parlamentarischen Begleitung der Nachhaltigkeitsstrategie bei.

Zunächst wurde verdeutlicht, warum Gremien und insbesondere der PBNE eine durchaus beachtenswerte Rolle spielen. Neben gesetzlichen Begründungen wurde auch die Studie von Gerrit Mumm und die darin angewandte Principal-Agent-Theorie kurz vorgestellt und deutlich gemacht, dass die Beziehung zwischen der Bundesregierung und dem PBNE und auch seine insgesamt große Bedeutung für die Nachhaltigkeitsstrategie durchaus interessant für eine tiefergehende Betrachtung sind.

Den PBNE gibt es seit 2004 und er hat ein sehr vielfältiges Aufgabengebiet. Er arbeitet begleitend, beratend und koordinierend an verschiedenen Stellen und fertigt Stellungnahmen und Papiere an. Die wohl wichtigste Aufgabe ist die Bewertung der Nachhaltigkeitsprüfung der Bundesregierung. Mitglieder aus allen Fraktionen arbeiten in diesem Gremium für die Förderung der nachhaltigen Entwicklung zusammen.

Kritische Stimmen merken die nur geringe Bedeutung von Nachhaltigkeit auf Bundesebene insgesamt an. Hinsichtlich des PBNE werden vor allem seine wenigen Kompetenzen und sein geringes Ansehen auf der politischen Ebene wie auch in der öffentlichen Wahrnehmung bemängelt.

Vielleicht ist es ja in diesem Beitrag gelungen, zumindest den letzten Punkt ein klein wenig zu ändern und die Nachhaltigkeitsstrategie und vor allem auch den PBNE etwas bekannter zu machen. Zumindest einige wichtige Punkte der Nachhaltigkeitsstrategie und auch des PBNE sollten nun bekannt sein und möglicherweise ist es ja durch die verschiedenen Argumente für die eingehende Betrachtung des PBNE auch gelungen, ein Verständnis für die Bedeutung und Notwendigkeit des PBNE zu schaffen.

Dass Nachhaltigkeit an sich ein unglaublich wichtiges und brisantes Thema der heutigen Zeit ist, bestreiten nur noch wenige, und dieser Beitrag konnte nun hoffentlich ein Stück weit darüber aufklären, wie die Strategie in Deutschland dazu aussieht und welchen Beitrag der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung dabei leistet.

Literaturverzeichnis

Monographien/Sammelbandeinträge
  • Pufé, Iris (2017): Nachhaltigkeit, 3., überarbeitete und erweitere Auflage, uvk Verlagsgesellschaft: Konstanz und München.
  • von Hauff, Michael/ Schulz, Robin/ Wagner, Robin (2018): Deutschlands Nachhaltigkeitsstrategie, uvk Verlagsgesellschaft: Konstanz und München.
  • Mumm, Gerrit (2016): Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Grundlagen-Evaluationen-Empfehlungen, Springer VS: Wiesbaden.
  • Michelsen, Gerd (2017): Verortung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, in: Michelsen, Gerd (Hrsg.), Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Wegweiser für eine Politik der Nachhaltigkeit, Hessische Landeszentrale für politische Bildung: Wiesbaden, S. 5-23.
  • Fischer, Cecilia/ Scholz, Imme (2015): Universelle Verantwortung: Die Bedeutung der 2030-Agenda für eine nachhaltige Entwicklung der deutschen Bundesländer, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik: Bonn.
  • Martens, Jens/Obenland, Wolfgang (2017): Die Agenda 2030. Globale Zukunftsziele für nachhaltige Entwicklung, Global Policy Forum/terre des hommes: Bonn/Osnabrück.
  • Buxmann, Peter/ Diefenbach, Heiner/ Hess, Thomas (2015): Die Softwareindustrie: ökonomische Prinzipien, Strategien, Perspektiven, 3. Vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer/Gabler: Berlin und Heidelberg.
  • Heinrichs, Harald/ Laws, Norman (2017): Die politische Bedeutung der Nachhaltigkeitsstrategie, in: Michelsen, Gerd (Hrsg.), Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Wegweiser für eine Politik der Nachhaltigkeit, Hessische Landeszentrale für politische Bildung: Wiesbaden, S. 141-155.
  • WWF Deutschland (2012): Politikbarometer zur Nachhaltigkeit. Mehr Macht für eine nachhaltige Zukunft, o.V.: Berlin.
Internetquellen
Zeitschriften
  • Schomerus, Thomas (2011): Nachhaltigkeit braucht Institutionen – zur Institutionalisierung von Nachhaltigkeitsräten, in: Natur und Recht, Jg. 33., Nr.1, S. 1.

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