Dass die Themen Klima und Umwelt wichtiger sind denn je, zeigt die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg und die von ihr ausgelöste Schülerbewegung „Fridays For Future“. Weltweit demonstrieren jeden Freitag zehntausende Schüler_innen im Schulstreik als Appell an die Politik, aktiv gegen die bevorstehende Katastrophe vorzugehen und radikaler zu handeln.
Das 2015 auf der UN-Klimakonferenz verabschiedete Klimaabkommen zeigt, dass die internationale
Bereitschaft, der Klimakatastrophe entgegenzuwirken, vorhanden ist. Hier heißt
es im Wortlaut:
„Wir sind entschlossen, den Planeten vor Schädigung zu schützen, unter anderem durch nachhaltigen Konsum und nachhaltige Produktion, die nachhaltige Bewirtschaftung seiner natürlichen Ressourcen und umgehende Maßnahmen gegen den Klimawandel, damit die Erde die Bedürfnisse der heutigen und der kommenden Generationen decken kann.“ (2015)Auch in den aktuellen Regierungsprogrammen der großen Industrienationen sind vergleichbare Formulierungen zu finden. So lautet ein Ziel im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD:
„Wir wollen für unsere Kinder und Enkelkinder eine intakte Natur bewahren. Eine saubere Umwelt und der Schutz der Biodiversität sind unser Ziel. Dafür werden wir das Prinzip der Nachhaltigkeit umfassend beachten und wirksame Maßnahmen ergreifen, um den Artenschwund zu stoppen, die Landnutzung umweltgerechter zu gestalten, Wasser und Böden besser zu schützen, die Luft sauberer zu halten und unsere Ressourcen im Kreislauf zu führen.“ (2018)Es gibt bereits eine Fülle von Vorschlägen und Konzepten, wie sich Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft im Bereich Nachhaltigkeit verbessern und optimieren lassen. Christian Felber beispielsweise hat das Wirtschaftsmodell der Gemeinwohl-Ökonomie entworfen. Mithilfe der Gemeinwohl-Matrix können Unternehmen, Gemeinden, Bildungseinrichtungen und Privatpersonen ihren gesellschaftlichen Mehrwert bestimmen und sukzessive erhöhen. Welche Möglichkeiten wir im Mobilitätssektor haben, zeigt Matthias Wagner (2018) mit seiner Seminararbeit mit dem Titel „Kostenloser Nahverkehr - ein Weg zu nachhaltiger Mobilitätin Deutschland?“ auf.
Recycling – Der richtige Umgang mit Müll?
Im Rahmen des Seminars haben wir bereits ein Problemfeld unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft kennengelernt. Die resultierenden Unmengen an Müll stellen ein riesiges Problem für Mensch und Umwelt dar. Elektrogeräte zum Beispiel sind sehr häufig so konzipiert, dass sie eine geplant begrenzte Lebensdauer haben und anschließend nicht repariert oder ihre Einzelteile nicht für die Herstellung neuer Produkte verwendet werden können. In diesem Fall landet der Elektroschrott aus westlichen Ländern oftmals in großen Mengen illegal in ärmeren Ländern Afrikas oder Asiens, wo er, falls nicht mehr zu reparieren, zu Lasten der jeweiligen Bevölkerung und Biosphäre entsorgt wird (vgl. Wagner, 2018). Genauere Informationen hierzu finden Sie im Blog-Beitrag von Matthias Wagner.
Im Koalitionsvertrag von 2018 ist davon die Rede, dass das Ziel ist, die Ressourcen in einem Kreislauf zu behalten. Dies gelingt in Deutschland bisher jedoch nur bedingt. Das Umweltbundesamt hat zum Thema Müll und seiner Verwertungsquote beeindruckende, wie leider auch besorgniserregende Zahlen veröffentlicht (2018). Demnach fielen im Jahr 2016 insgesamt 411.518.000 Tonnen Müll an, von denen 81% stofflich und energetisch verwertet wurden. Die Recyclingquote liegt bei 71%. Das bedeutet, dass ca. 19% (78.188.000 Tonnen) unserer Abfälle, und damit wichtige Ressourcen, vernichtet oder deponiert wurden. Für die ausführlichen Statistiken klicken Sie bitte hier.
Dies hängt im weitesten Sinne auch mit dem kapitalistischen Verständnis von Innovationen zusammen. Nach v. Hauff (2013) zielen Innovationen des „ökonomischen Mainstreams“ immer auf eine Effizienz- und somit auch auf eine Gewinnmaximierung ab. Diese werden nochmal in die drei Ebenen Produkt, Produktionsprozesse und Organisation unterschieden. Ein innovativer Produktionsprozess dient hier dazu, eine gleichbleibende Menge an Output mit einer Verringerung des Inputs zu erzeugen. Auf der Produktebene bemisst sich der Erfolg aus dem dadurch entstandenen Gewinn, welcher durch haptische Produkte sowie Dienstleistungen entstehen kann (vgl. v. Hauff, 2013). Ökologische und soziale Faktoren spielen hier, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle, weshalb dem kapitalistischen System ein großer Einfluss auf die drohende Klimakatastrophe und die bereits vorherrschende Ressourcenknappheit zuzuschreiben ist.
Um den negativen Entwicklungen entgegenzuwirken und nachhaltige Innovationen zu fördern, bedarf es eines starken systemischen Pfadwechsel. Demnach müssen laut v. Hauff (2013) institutionelle, organisatorische und individuelle Verhaltensänderungen verstärkt gefördert werden, um alte Denkmuster zu überwinden und zukünftig im Sinne des dreidimensionalen Konzepts der Nachhaltigkeit zu handeln.
Nachhaltigkeit als Ausweg aus der Misere?
Nicht wenn es nach dem deutschen Chemiker Prof. Dr. Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten und Designer William McDonough geht. Sie bezeichnen unser heutiges Verständnis von Nachhaltigkeit als reines Schuldmanagement, bei dem es lediglich um Schadensbegrenzung und nicht um eine aktive positive Zukunftsentwicklung geht (vgl. Braungart, 2008). In den folgenden Abschnitten soll nun aufgezeigt werden, wo nach Braungart und McDonough der Ursprung des Problems liegt und wie ihr Konzept für die Rettung des Planteten aussieht.
Das Cradle to Cradle-Konzept - Grundidee
Wer sich einen Vortrag von Michael Braungart anschaut, dem wird schnell klar, dass dieser mit dem Begriff der Öko-Effizienz im Bezug auf nachhaltige Entwicklung nur wenig anfangen kann. Diese beruht auf dem Grundkonzept der Industrieproduktion, in dem die Lebenszyklen von Produkten nach dem Prinzip „Von der Wiege bis zur Bahre“ beschrieben werden. Es wird nach dem „Tod“ zwar versucht, durch aufwendiges Recycling den Nährwert von Stoffen zu erhalten, jedoch gelingt dies in unserem aktuellen System nur bedingt (vgl. Braungart & McDonough, 2008).
Ein sehr anschauliches Beispiel hierfür gab Braungart vergangenes Jahr während eines Vortrags im österreichischen Kommunalwirtschaftsforum: Durch das Recycling eines Smartphones können lediglich 9 von 41 chemischen Elementen zurückgewonnen werden. Diese sind fast ausnahmslos die in diesem Fall unwichtigsten Elemente (Braungart, 2018). Der Wert der enthaltenen Stoffe kann also nicht ansatzweise aufrechterhalten werden, was Braungart dazu veranlasst, von „Downcycling“ statt Recycling zu sprechen. Den Link zum kompletten Vortrag finden Sie hier.
Dass wir bei jedem Recyclingprozess einen Wertverlust der Materialien hinnehmen müssen, liegt in den allermeisten Fällen an einer effizienzbasierten Planung der Produkte. Sie sind schlichtweg nicht dafür konzipiert, nach Verbrauch oder Gebrauch vollständig in Nährstoffkreisläufe zurückgeführt zu werden.
Der Club of Rome mahnte bereits vor knapp 50 Jahren
Mit ausschlaggebend für die Arbeit Braungarts war der im Jahre 1972 veröffentlichte Report des „Club of Rome“. Der Zusammenschluss von Experten aus unterschiedlichen Disziplinen setzt sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschen und des Planeten ein und stellte in seinem Report mit dem Titel „The Limits To Growth“ eindeutig fest, dass wir viel sorgsamer mit der endlichen Natur verfügbarer Ressourcen umgehen müssen. Des Weiteren erzeugen wir durch industrielle Verarbeitungsprozesse Materialien, deren Stoffe ein hohes Risiko sowohl für die Artenvielfalt als auch für die menschliche Gesundheit darstellen (Behrens, Meadows, D. H., Meadows, D. L. & Randers, 1972).
Als Leiter der Chemieabteilung von Greenpeace landete Braungart 1986 als Umweltaktivist auf dem Schornstein des damaligen Schweizer Chemiekonzerns Ciba-Geigy, deren giftige Chemikalien ein großes Risiko für Mensch und Natur darstellten (vgl. Braungart und McDonough, 2008). Die daraus resultierenden Gespräche mit Alexander Krauer, dem Vorstandsvorsitzenden der Firma, der seinerseits ebenfalls fieberhaft an einer Wende gearbeitet hatte, ermutigten Braungart dazu, seinen Plan zur Gründung eines Umweltinstituts, mit dem er Lösungen entwickeln wollte, umzusetzen (vgl. Braungart und McDonough, 2008). Die von Braungart gegründete EPEA (Environmental Protection Encouragement Agency) berät nun mittlerweile seit über 30 Jahren Unternehmen weltweit und setzt wichtige Impulse, wenn es um industrielle Innovationen geht.
Das Ziel, realisierbare Lösungen zu entwickeln, unterscheidet die EPEA vom häufig problematischen Verhältnis von Wissenschaft und Politik. Diesem wirft Braungart vor, lediglich einen Selbstzweck zu verfolgen: Die Wissenschaft weist Probleme als ungelöst aus, um weitere Forschungen finanzieren zu können. Die Politik wiederum begrüßt dies, da ungelöste Probleme nicht zur Handlung verpflichten (vgl. Braungart und McDonough, 2008). Natürlich ist diese Annahme sehr vereinfacht formuliert, im Kern jedoch durchaus häufig Realität.
Mit dem Auftrag, Lösungen zu finden, machte sich Braungart zwischen den Jahren 1990 und 1991 auf, um von den unterschiedlichsten Kulturen zu erfahren, was Nachhaltigkeit bedeutet. Die wichtigste Erkenntnis seiner Reise: Müll ist Nährstoff. Dieses neuartige Verständnis von industriell produzierten Abfallprodukten bildet die Grundlage des Cradle To Cradle-Konzepts. Wenn Produkte also so konzipiert sind, dass all ihre Bestandteile in geschlossenen Kreisläufen gehalten werden können, bilden diese immer wieder aufs Neue eine neue Produktionsgrundlage, die den Verbrauch von neuen Ressourcen quasi überflüssig macht.
Um dies zu realisieren, wandten sich Braungart und McDonough vom bisherigen „Triple-Bottom-Line“-Ansatz ab, der gemeinhin für nachhaltige Entwicklung stand und auf deren drei Säulen Ökologie, soziale Gerechtigkeit und Ökonomie basiert (vgl. Braungart und McDonough, 2005). De facto steht auch hier jedoch die ökonomische Rentabilität im Vordergrund. Ökologische Nebenprodukte, wie ein geringerer Energieverbrauch bei der Produktion, oder soziale Aspekte, wie beispielsweise weniger Arbeitsunfälle, werden im Sinne der Öko-Effizienz zur Profitabilität dazu addiert (vgl. Braungart und McDonough, 2005).
Die besseren Resultate erreicht man jedoch, davon sind Braungart und McDonough überzeugt, wenn man sich die relevanten Fragen zu allen drei Bereichen bereits bei der Planung von Produkten und Produktionsstätten stellt (vgl. Braungart und McDonough, 2005). Diesen Ansatz nennen die beiden „Triple-Top-Line“.
Sieben Entwicklungskriterien für die nächste industrielle Revolution
Die nächste industrielle Revolution sollte das Prinzip der Öko-Effizienz hinter sich lassen und stattdessen dem der Öko-Effektivität folgen. Wörtlich ausgesprochen bedeutet dies: „Die richtigen Dinge machen, statt die Dinge richtig machen“ (Braungart und McDonough, 2008, S. 33). Es darf nicht versucht werden, ein zerstörerisches System effizienter zu gestalten. Damit versuchen wir lediglich den Schaden so gering wie möglich zu halten. Für ein neues System, das die Lebensqualität von Menschen und Natur langfristig erhöht, müssen wir endlich damit beginnen, durch unser Handeln positive Effekte zu erzielen. Die sieben Kriterien für eine solche Entwicklung werden wie folgt formuliert:
- Keine gesundheitsschädlichen Stoffe in Luft, Wasser und Erdboden entlassen.
- Den Wohlstand daran messen, wie viel natürliches Kapital wir auf natürliche Weise ansammeln können.
- Produktivität daran messen, wie viele Menschen gewinnbringend und sinnvoll beschäftigt werden.
- Den Fortschritt daran messen, wie viele Gebäude keine Schornsteine haben oder gefährliche Stoffe freisetzen.
- Keine Notwendigkeit für Vorschriften, deren Ziel es ist, uns davon abzuhalten, uns schnell umzubringen.
- Nichts produzieren, was künftige Generationen in ungerechtem Maße belastet.
- Die Fülle
der biologischen und kulturellen Vielfalt und das, was die Sonnenenergie uns
bietet, zelebrieren.
(Braungart und McDonough, 2008, S. 35)
- Abfall bedeutet Nahrung
- Nutzung der fortlaufenden Sonnenenergie
- Förderung
von Vielfalt
(Braungart und McDonough, 2008, S. 36)
Der biologische Kreislauf am Beispiel eines T-Shirts
Am Beispiel des Kirschbaums wurde deutlich, dass die Natur keinen Abfall produziert. Die biologischen Nährstoffe stellen keine Gefahr für ihre Umwelt dar, sondern bieten einen Mehrwert für das lokale Ökosystem. Nach diesem Prinzip funktioniert auch die naturnahe Produktion. Produkte, deren Lebensdauer begrenzt ist und die biologisch abbaubar sind, werden nach ihrem Verbrauch als Nährstoffe in den biologischen Kreislauf eingespeist, weshalb sie im Cradle to Cradle-Konzept auch als Verbrauchsgüter bezeichnet werden. Darunter fallen beispielsweise Nahrungsmittel, Waschmittel und Textilien aus natürlichen Fasern (vgl. Braungart und McDonough, 2008).
Der baden-württembergische Textilhersteller Trigema legte schon immer großen Wert auf hohe ökologische und soziale Standards. Seit 2006 finden sich auch Cradle to Cradle-zertifizierte Produkte in seinem Sortiment wieder. In Zusammenarbeit mit Michael Braungart und dem EPEA entwickelten sie ein komplett kompostierbares Shirt, das nach seinem Verbrauch als biologischer Nährstoff zurück in den Kreislauf geführt werden kann (vgl. Braungart und McDonough,2008). Die innovativen Shirts stellen während des Gebrauchs keine gesundheitlichen Risiken für den Menschen dar und haben aufgrund ihrer hohen Qualität eine längere Lebensdauer als herkömmlich produzierte Ware. Mittlerweile findet sich unter dem Namen Trigema Change eine breite Produktpalette an kreislauffähigen Textilien im Sortiment wieder.
Die einzelnen Schritte des biologischen Kreislaufs noch einmal kurz und knapp zusammengefasst: Naturnahe Produktion, ein biologisch abbaubares Produkt ohne gefährliche Inhaltsstoffe, das nach seiner Nutzung durch natürliche Abbauprozesse als biologischer Nährstoff die neue Grundlage für nachwachsende Ressourcen bildet. Simple as that!
Kreislauffähige Produkte? Das geht auch in der Technosphäre!
Wenn wir uns der Beschreibung des technischen Kreislaufs annähern, kommt ein revolutionärer wirtschaftlicher Ansatz ins Spiel. Dem Grundgedanken der Sharing Economy nach sollte eine Verhaltensänderung weg vom Besitz hin zum Nutzen vollzogen werden, um begrenzt verfügbare Ressourcen zu schonen. Eine ähnliche Sicht der Dinge halten Braungart und McDonough (2008) für „die nächste industrielle Revolution“. Demnach werden Gebrauchsgüter wie Elektrogeräte oder Möbel nicht von Unternehmen an ihre Kunden verkauft, sondern die jeweilige Dienstleistung. Das Material bleibt hierbei im Besitz des Unternehmens, wodurch dieses eine Art Materialbank darstellt und sich somit zukünftiges Kapital sichert.
Veranschaulichen wir uns dieses Konzept an einem konkreten Beispiel: Der Hersteller eines Bürostuhls verkauft nicht einfach seinen Stuhl, sondern bietet dem Kunden fünf Jahre komfortables Sitzen. Anschließend geht der Stuhl zurück an das Unternehmen, wo er in seine Einzelteile zerlegt wird und diese wiederum, ohne dass die verwendeten Materialien einen Wertverlust erfahren, für die Produktion neuer Produkte dienen. Hierbei ist von großer Bedeutung, dass nur die umweltfreundlichsten Materialen verbaut werden und die einzelnen Komponenten kreislauffähig und einfach voneinander zu trennen sind (vgl. Braungart und McDonough, 2008).
Damit dies gegeben sein kann, muss zunächst in der Phase der Produktplanung eine sorgfältige Materialbewertung und -analyse erfolgen, die bis zur molekularen Ebene reichen kann. Ebenfalls in der Planung berücksichtigt werden sollten die Umweltauswirkungen des Produkts in jeder Phase seines Lebenszyklus. Somit kann sichergestellt werden, dass der technische Kreislauf geschlossen bleibt, der aus den folgenden Stufen besteht:
- Aufwendig und sinnvoll geplante Produktion,
- Nutzung des Produkts,
- Rücknahme durch den Hersteller,
- Demontage und kompletter Erhalt
der technologischen Nährstoffe, aus denen neue Produkte entstehen können.
(vgl. Braungart und McDonough, 2008)
- „frei von…“
- Persönliche Präferenz (aufgrund wissenschaftlicher Erfahrung)
- Die passive Positivliste
- Die aktive Positivliste
- Neu-Erfindung
Das Handeln der Industrie sollte sich am Wissen von Experten und Wissenschaftlern orientieren, um den Konsumenten die Auswahl aus den besten Produkten zu ermöglichen und nicht, wie noch immer viel zu häufig der Fall, das für sie und die Umwelt geringste Übel.
Wenn Unternehmen bereits mit einem Produkt auf dem Markt sind, gilt es zunächst, mithilfe der passiven Positivliste alle karzinogenen und mutagenen Stoffe aus der Produktion auszuschließen. Dieser Schritt macht die Produkte zunächst weniger schädlich, währenddessen grundlegende Strukturen und Produktionsverfahren neu erarbeitet werden, damit anschließend das Produkt aktiv „gut“, das heißt als Nährstoff entweder für biologische oder technische Kreisläufe, genutzt werden kann (vgl. Braungart und McDonough, 2008).
Der letzte Schritt, die Neu-Erfindung, besteht darin, „[…] das gesamte Produkt neu zu überdenken und alle Veränderungen vorzunehmen, die nötig sind“ (Braungart und McDonough, 2008, S. 49), wodurch neue innovative Produkte entstehen.
Fazit und Ausblick
Für Unternehmen, die nach dem Cradle to Cradle-Konzept produzieren und wirtschaften möchten, gibt es neben der Beratung durch die beiden Institutionen EPEA und MBDC auch die Möglichkeit, sich durch das Zertifizierungsprogramm für ein ökologisches Zertifikat zu bewerben (vgl. Braungart und McDonough, 2008). Dadurch können die teilnehmenden Unternehmen ihre Erfolge in puncto ökologisch-intelligentem Design glaubwürdig kommunizieren.
Ein weiterer Benefit entsteht für den Verbraucher, dem durch das Zertifikat direkt ersichtlich ist, dass er ein Produkt umfänglicher ökologischer und sozialer Qualität konsumiert (vgl. Braungart und McDonough, 2008). Je nach Umfang erfüllter Kriterien wird das Zertifikat in den Abstufungen Basic, Bronze, Silver, Gold und Platinum vergeben. Aktuell gibt es nach Angaben des Produkt-Innovationsinstituts von Cradle to Cradle insgesamt 543 zertifizierte Produkte auf den unterschiedlichen Märkten.
Einige dieser Produkte sind auch bereits über den Schreibtisch von Patrick Scholz im Ludwigsburger Rathaus gegangen. Dieser ist seit Anfang des Jahres Referent für nachhaltige Beschaffung, mit der Vision, das Cradle to Cradle-Prinzip hier als Leitlinie einzuzführen (vgl. Flach, 2019).
Über Bereiche wie Büromaterial, Kaffee und Papier hinaus könnte das Cradle to Cradle-Konzept unsere Stadtbilder stark beeinflussen. Gebäude dienen als Materiallager und werden so konzipiert, dass die darin lebenden oder arbeitenden Menschen sich wohl fühlen. Die Fassaden könnten für Grünflächen genutzt werden, die die Luftqualität verbessern, Kohlenstoffdioxid binden und Lebensraum für existentiell wichtige Lebewesen wie Wildbienen bieten. Es geht darum, unser Verhalten danach auszurichten, nicht mehr die geringst mögliche Belastung für unseren Planeten darzustellen, sondern diesen durch unsere Existenz positiv zu beeinflussen.
Dass dieser Wandel eminent wichtig ist und jetzt erfolgen muss, zeigen die aktuell über 12.000 Wissenschaftler, die sich als Privatpersonen der Bewegung „Scientists for future“ angeschlossen haben. In Form einer Stellungnahme im Rahmen der Bundespressekonferenz haben sie ihre Unterstützung der bereits eingangs angesprochenen Schülerbewegung „Fridays For Future“ zum Ausdruck gebracht und wissenschaftlich fundierte Argumente für ein rasches politisches und wirtschaftliches Umdenken dargelegt. Die Nachricht ist unmissverständlich: Wir brauchen eine globale Wende, und zwar schnell!
Prof. Dr. Maja Göpel hat noch einmal darauf hingewiesen, dass Veränderungen ökologischer Systeme in ihrer Regeneration irreversibel sind. Wir sind vielleicht die letzte Generation, die noch die Chance hat, die Klimakatastrophe abzuwenden. Cradle to Cradle bietet das hierfür notwendige zirkuläre Konzept. Wir haben es selbst in der Hand.
Literatur
- Braungart, M. & Mc Donough, W. (Hrsg.) (2008). Die nächste industrielle Revolution. Die Cradle to Cradle-Community. (3. Auflage). Hamburg: EVA.
- Braungart, M. & McDonough, W. (2005). Einfach intelligent produzieren. (2. Auflage). Berlin: BvT Berliner Taschenbuch Verlags GmbH.
- Marschall, L.; Meißner, S.; Reller, A. & Schmidt, C. (Hrsg.) (2013). Ressourcenstrategien. Eine Einführung in den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Darmstadt: WBG.
- Von Hauff, M. (2013). Anforderungen an nachhaltige Innovationen. In Marschall, L.; Meißner, S.; Reller, A. & Schmidt, C. (Hrsg.) (2013). Ressourcenstrategien. Eine Einführung in den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen (S. 77-88). Darmstadt: WBG.
- Gäth, S. & Meißner, S. (2013). Ressourcenschonung durch innovative Recycling- und Kreislaufkonzepte. In Marschall, L.; Meißner, S.; Reller, A. & Schmidt, C. (Hrsg.) (2013). Ressourcenstrategien. Eine Einführung in den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen (S. 105-122). Darmstadt: WBG.
- Behrens, W.; Meadows, D. H.; Meadows, D. L. & Randers, J. (Hrsg.) (1972). The Limits To growth. New York: Universe Books.
- Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 19. Legislaturperiode. Zugriff am 10.03. unter https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975224/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1
- Wagner, M. (2019). Unser Schrottplatz in Afrika. Zugriff am 12.03. unter https://nachhaltigkeit-seminar.blogspot.com/2018/04/kostenloser-nahverkehr-ein-weg-zu.html#more
- Braungart, M. (2018). Zugriff am 15.03. unter https://www.youtube.com/watch?v=RHEgI_TQfTY Vortrag Michael Braungart in Österreich
- Flach, C. (2019). Was steht an, Herr Scholz. Zugriff am 19.03. unter https://www.ludwigsburg.de/site/LudwigsburgInternet/node/15739392/Lde?QUERYSTRING=patrick%20scholz Clemens
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