Montag, 24. November 2025

Die Ölpreiskrisen 1973 und 1979

Ein Beitrag von Kevin Weber

Was bedeutet es für die von Öl abhängigen Industriestaaten, wenn auf einmal die Energiepreise massiv in die Höhe schnellen? Richtig, sie schlittern in eine Rezession. Genau das ist zum ersten Mal im Jahr 1973 passiert. Das Gute daran? Das „Gute“ war, dass die Industriegesellschaften wieder ein Bewusstsein für Energieverbrauch und für den Wert von Nachhaltigkeit und Sparsamkeit entwickelten. Die Ölpreiskrise beendete die Zeit des unbedachten Energieverbrauchs.

Den Menschen wurde klar, dass sie sich in einer ernsten Situation befinden. Dadurch waren die meisten Menschen dazu bereit, Einschnitte in ihr Leben zu akzeptieren. Es wurden z.B. autofreie Sonntage eingeführt und die Beleuchtung von Weihnachtsmärkten wurde verboten. Es machte den Anschein, dass die Menschen verstanden haben, dass es wichtig ist, auf die Umwelt zu achten und auch nicht einfach unbedacht Energien zu verschwenden.

Allerdings blieb diese erhoffte nachhaltige Besinnung aus, als die Ölförderung erhöht wurde und alles wieder lief wie zuvor. Leider kam es dann noch viel schlimmer. 1979 begann die zweite Ölpreiskrise und diese war noch massiver und wurde damals sogar als „historische Zäsur“ gesehen. Das Zeitalter der Energiewende begann, zumindest war das damals die Annahme. Energie sparen war das Einzige, was man tun konnte. Wieder gab es Tempolimits, Tankstellen wurden geschlossen und Beleuchtungen abgeschaltet.

Es machte wirklich den Anschein, dass die Energiewende umgesetzt werden würde, denn die westlichen Regierungen begannen damit, eine intensive Energiepolitik mit Kampagnen zum „Erziehen der Konsumenten“. Außerdem wurden Verbrauchsanzeigen verpflichtend und es wurde europaweit die DIN-Norm zur Messung des Benzinverbrauchs eingeführt. Außerdem wurden erneuerbare Energien gefördert. 1981 rechneten 60% der Deutschen mit einer Bedeutungszunahme der Sonnenenergie.

Im Juni 1979 veranstaltete US-Präsident Jimmy Carter eine Pressekonferenz auf dem Dach des Weißen Hauses und präsentierte Solarzellen. Es schien also nun endlich so zu sein, dass die Menschheit verstanden hatte, wie wichtig es ist, darauf zu achten, wie man mit der vorhandenen Energie und auch mit der Umwelt umgeht, wenn man ein langfristig gutes Leben auf der Erde für die Menschheit erhalten will.

Im Jahr 1979 fand außerdem die erste Weltklimakonferenz statt, bei der darauf aufmerksam gemacht wurde, dass der Energieverbrauch zu einem Anstieg der Erderwärmung führe. Dadurch wurde klar, dass immer mehr Kohle zu verheizen keine Option ist. Zudem verlor Öl und Atomkraft immer mehr seinen guten Ruf, da zuerst im Jahr 1978 der Unfall des Öltankers Amoco Cadiz und im Jahr 1979 der Atomunfall von Harrisburg stattfand.

Das Jahr 1979 hätte also in die Geschichte eingehen können als das Jahr der Energiewende. Leider war dies nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, der Energieverbrauch wuchs noch bis in die 1980er Jahre, danach nahm er dann jedoch ab. Allerdings bei weitem nicht so stark, wie man es von den technischen Möglichkeiten und der Dringlichkeit hätte erwarten können. Es gab vereinzelt gute Ansätze und einige Länder, die sich daran beteiligt haben. Dennoch lag der Fokus viel zu sehr auf fossilen Brennstoffen.

Umweltpolitik 1972 - 2015

Ein Beitrag von Fabian Schrezenmeir

Als die Welt 1972 den Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ in Händen hielt, war das ein Schockmoment. Zum ersten Mal wurde einer breiten Öffentlichkeit klar, dass es planetare Grenzen gibt und dass moderne Industriegesellschaften diese rücksichtslos überschreiten. Der Bericht erschien zu einer Zeit, in der Flüsse stanken, Pestizide in Lebensmitteln landeten, die Luft voller Schadstoffe war und Atomkraftwerke als Zukunftstechnologie galten. Umweltzerstörung war plötzlich kein lokales Ärgernis mehr, sondern ein globales Risiko.

Nach dem Club-of-Rome-Bericht begann eine neue Phase. Umweltpolitik wurde in vielen westlichen Ländern ein eigenständiges Politikfeld. Filter wurden auf Schornsteine gesetzt, eine Vielzahl schädlicher Stoffe wie DDT oder später FCKW verboten. Gleichzeitig entstand eine breite gesellschaftliche Umweltbewegung. In Deutschland mündete sie 1980 in die Gründung der Grünen.

Die Ölkrisen von 1973 und 1979 verstärkten dieses Bewusstsein. Plötzlich mussten Industriegesellschaften Energie sparen, Tempolimits wurden eingeführt, Sonntage autofrei, Weihnachtsbeleuchtungen abgeschaltet. Politiker sprachen offen davon, dass der verschwenderische Lebensstil an ein Ende kommen müsse. Doch sobald der Ölpreis wieder fiel, ließ auch die Bereitschaft zum Wandel nach.

Während einige westliche Länder in den 1980ern erneuerbare Energien förderten, blieb die Bundesrepublik zögerlich. Zwar wurde ein Umweltministerium geschaffen und das Grundgesetz später um ein Staatsziel Umweltschutz ergänzt, aber ein konsequenter Umstieg auf erneuerbare Energien scheiterte. Die Technologie war vorhanden, aber die Prioritäten lagen weiterhin bei fossiler Energie, oft im Gleichklang mit starken wirtschaftlichen Interessen.

Nach dem Ende des Kalten Krieges schien der Weg frei für globale Umweltpolitik. 1992 fand in Rio der UN-Erdgipfel statt, bei dem Nachhaltigkeit als internationales Leitprinzip festgeschrieben wurde. Die Idee war optimistisch. Wirtschaftswachstum und Umweltschutz sollten sich miteinander versöhnen lassen durch Technik, Effizienz und CO₂-Bepreisung.

Auch in Deutschland begann unter Rot-Grün (1998–2005) eine ambitionierte Phase. Erneuerbare Energien wurden gefördert, eine Ökosteuer eingeführt, Naturschutzrechte gestärkt. Deutschland wurde zum Vorreiter, allerdings nur für kurze Zeit. Mit Regierungswechseln schwand der politische Mut, viele Reformen wurden abgeschwächt oder gestoppt.

Während politische Gipfel und Umweltkonferenzen sich häuften, stiegen die globalen Emissionen weiter – schneller als je zuvor. Hedwig Richter und Bernd Ulrich sprechen von einer „Beschlussosphäre“, einem Politikstil, der Probleme benennt, Abkommen unterschreibt, aber kaum grundlegende Veränderungen durchsetzt. Vorbilder hierfür gibt es genug. Klimagipfel scheiterten, Ziele wurden verschoben und Maßnahmen verwässert.

Gleichzeitig arbeiteten fossile Industrien aktiv gegen Klimaschutz. Ölkonzerne wie Exxon wussten früh um die Risiken ihrer Emissionen und investierten gezielt in Desinformation. Staaten, die wirtschaftlich stark vom Export fossiler Energien abhängig sind, blockierten Fortschritt zusätzlich.

Mit dem Pariser Klimaabkommen erreichte die Umweltpolitik einen historischen Moment. 197 Staaten verpflichteten sich erstmals, die Erderwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ zu begrenzen. Es war ein Zeichen globaler Einigkeit, getragen vom Verständnis, dass die Menschheit am ökologischen Abgrund steht. Doch die Frage bleibt. War Paris der Beginn einer echten Wende oder ein weiterer symbolischer Akt in der langen Kette unzureichender Beschlüsse?

Blickt man von 1972 bis 2015 zurück, zeigt sich ein Muster. Das Wissen war früh da, die technischen Möglichkeiten ebenfalls, doch die politische Umsetzung blieb lückenhaft, langsam und widersprüchlich. Die Umweltpolitik hat in diesen Jahrzehnten viel erkannt und viel beschlossen, aber viel zu wenig verändert. Sie hat die ökologische Krise nicht verursacht, aber zu spät und zu zögerlich auf sie reagiert. Und die Zeit, die verloren ging, macht die Herausforderungen heute größer denn je.

LiteraturHedwig Richter / Bernd Ulrich (2024): Demokratie und Revolution. Wege aus der selbstverschuldeten ökologischen Unmündigkeit, Kiepenheuer & Witsch - Kapitel "Schock und Traum (1972-2015)", S. 51-71.

Montag, 3. November 2025

Bedingungsloses Grundeinkommen und das gute Leben

Ein Beitrag von Helena Grammer 

Höher, weiter, schneller, mehr … das weltweit dominierende System des Kapitalismus ist auf dauerhaftes Wachstum, Gewinn und daraus resultierendem Wohlstand ausgerichtet. Inzwischen ist lange bekannt, dass es so wie wir wirtschaften, so wie wir leben nicht lange weitergehen kann. Vor allem der menschengemachte Klimawandel führt dazu, dass unser Lebensstandard immer schwieriger zu steigern ist. Das Versprechen der Moderne, dass es der kommenden Generation besser geht, scheint verloren.

Die Anleitung zu einem neu definierten „guten Leben“ oder jedenfalls den Impuls für eine Anleitung finden wir in den Ideen von Hartmut Rosa zur„Resonanz“ (siehe vorheriger Beitrag hier im Blog). Er beschreibt Resonanz als eine wechselseitige, lebendige Beziehung zwischen Mensch und Welt, in der wir uns berühren lassen und darauf reagieren beziehungsweise antworten können. Resonanz bedeutet dabei nicht Kontrolle oder Harmonie, sondern ein offenes Antwortverhältnis, das nur unter Bedingungen von Zeit, Achtsamkeit und Offenheit entstehen kann, aber unverfügbar bleibt.

Was dem entgegensteht, ist laut Rosa die Logik der Beschleunigung, durch die unsere Gesellschaft dynamisch stabilisiert und angetrieben wird. Resonanz soll also der Gegenentwurf zur aus dieser Beschleunigung resultierenden Entfremdung sein und eine Grundlage des „guten Lebens“ bilden, das sich nicht im Haben, sondern im In-Beziehung-Sein erfüllt.

Wenn nun Resonanz das Ziel ist, um gut zu leben, so ist die Handlungsanweisung für politische Entscheidungsträger, die daraus resultiert, es der Bevölkerung zu vereinfachen und sich Fragen zu widmen, die klären, wie Menschen Zeit, Ruhe und Sicherheit finden, um in echte Beziehungen zur Welt (und zueinander) treten zu können.

Ein schon lange diskutierter, vielversprechender Ansatz ist dabei das bedingungslose Grundeinkommen: Ein Konzept, das jedem eine ausreichende Grundsicherung zukommen lässt, um von Existenzängsten zu befreien. Das bedingungslose Grundeinkommen könnte also einen gesellschaftlichen Resonanzraum schaffen, und zwar dadurch, dass es die materielle Sicherheit, die notwendig ist, um den permanenten Druck zu durchbrechen, herstellt, so dass Sorgen vor finanziellem Ruin und sozialem Abstieg abgemildert werden können.

Wer nicht mehr aus Angst handelt, gewinnt Zeit und Freiheit, kann Tätigkeiten nachgehen, die als sinnstiftend empfunden werden, Beziehungen pflegen und sich mit der Welt verbunden fühlen. Das Verständnis von Mensch, Arbeit und Umwelt soll sich umgestalten: weg von der Logik, die „höher, weiter, schneller, mehr“ verlangt, hin zu einer Kultur der Achtsamkeit und des In-Beziehung-Seins. Zwar entsteht Resonanz dadurch nicht automatisch, aber die Bedingungen, unter denen sie möglich werden kann, werden deutlich verbessert und sind geprägt von Entschleunigung, Selbstbestimmung und sozialer Teilhabe.

Doch so überzeugend diese Vorstellung auch klingt, bleibt unsicher, ob das bedingungslose Grundeinkommen tatsächlich halten kann, was es verspricht. Es ist nicht garantiert, dass eine finanzielle Absicherung automatisch zu mehr Resonanz führt. Sie kann zwar Sorgen und Ängste mildern, ersetzt aber keine Haltung der Offenheit oder Achtsamkeit, die Resonanz erst ermöglicht. Resonanz ist nicht plan- oder garantierbar. Zudem besteht die Gefahr, dass ein solches Grundeinkommen innerhalb der von Rose skizzierten Wachstumslogik nur als Mittel zur Steigerung von Konsum und Stabilisierung des Marktes dient. Auch sozialpolitisch bleibt unklar, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen tatsächlich mehr Teilhabe und Gemeinschaft schafft oder ob es nur neue Formen von Vereinzelung und Passivität, gar Faulheit in unserer Gesellschaft hervorbringt.

Damit Resonanz wirklich entstehen kann, müsste das Grundeinkommen also Teil eines umfassenden kulturellen Wandels sein, der hin zu einer Gesellschaft führt, die Beziehungen, Zeit und Sinn höher bewertet als Leistung, Profit und Konsum. Nur wenn dieser Wandel gelingt, kann das bedingungslose Grundeinkommen mehr sein als ein wirtschaftliches Experiment, nämlich ein Schritt hin zu einer Gesellschaft, in der Menschen wieder in lebendige Beziehungen zur Welt treten können und „gutes Leben“ nicht länger aus dem Streben nach „höher, weiter, schneller, mehr“ besteht. Wo ein „gutes Leben“ Verbundenheit, Achtsamkeit und die Fähigkeit, auf einen Impuls der Welt zu antworten, bedeutet.