Dienstag, 3. Oktober 2023

Umweltrassismus – Facetten, Auswirkungen und Wege zur Bekämpfung

In einer Welt, die sich zunehmend der Wichtigkeit des Umweltschutzes bewusst wird, ist es an der Zeit, über ein Thema zu sprechen, das nicht nur unsere Ökosysteme betrifft, sondern auch tiefergreifende soziale Ungerechtigkeiten aufdeckt. Wir sind alle Zeugen und Verursacher des Klimawandels und seiner verheerenden Auswirkungen. Nun wollen wir genauer hinsehen und verstehen, wie dieser Wandel bestimmte Gemeinschaften in unverhältnismäßigem Maß betrifft. Die Rede ist von Umweltrassismus.

Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Umweltprobleme nicht gleichmäßig auf alle Bevölkerungsgruppen verteilt sind, sondern oft die treffen, die bereits benachteiligt sind. Dafür wird zuerst der Begriff Umweltrassismus aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Anschließend wird an Beispielen genauer aufgezeigt, was für Arten es gibt, bevor es um Lösungsvorschläge gehen wird.

In dem Beitrag wird von BIPoC gesprochen. BIPoC steht für “Black, Indigenous and People of Colour”. Das Akronym setzt sich also aus politischen Selbstbezeichnungen von Menschen zusammen, die von rassistischer Unterdrückung betroffen sind.

Ursprung des Begriffs "Umweltrassismus"?

Dass die Folgen des Klimawandels immer verheerender werden, ist nichts Neues. Und dass dies enorme Gesundheitsfolgen mit sich bringt, ist auch bekannt. Dabei wird zwischen direkten (primären) Folgen und indirekten (sekundären und tertiären) Folgen unterschieden. Zu den direkten Folgen zählen eine erhöhte Sterbe- und Erkrankungsrate durch Ereignisse wie Hitzewellen, Überschwemmungen oder Waldbränden. Zu den indirekten Folgen gehören Auswirkungen wie Nahrungsmittelknappheit, Zunahme von Infektionskrankheiten und Allergien. Außerdem gibt es sozial bedingte Folgen, beispielsweise Hungersnöte, Entwicklungsstagnation oder Kriege (Kuehni, Egger 2012, S. 190). Doch was ist, wenn Teile der Erde oder bestimmte Gruppen schlimmer unter den Folgen des Klimawandels leiden als andere? In diesem Zusammenhang wird mittlerweile immer häufiger von “Umweltrassismus” gesprochen.

Der Begriff kam Anfang der 1980er Jahre auf. Damals suchte der Bundesstaat North Carolina einen Ort, an dem man mit Polychlorierte Biphenylen (PCB) verseuchte Erde entsorgen kann. Zuerst war eine Entsorgungsdeponie in einem Bezirk mit hauptsächlich weißen Menschen geplant. Eine Bürgerinitiative verhinderte dies. Daraufhin war schnell klar, dass die Deponie in einem der Bezirke mit hauptsächlich schwarzen, armen oder anderweitig benachteiligten Nachbarschaften errichtet werden sollte.

1982 wurde beschlossen, die verseuchte Erde in einer kleinen Gemeinde namens Afton zu entsorgen. Diese Stadt liegt in Warren County, dem damals ärmsten Landkreis in North Carolina mit einem schwarzen Bevölkerungsanteil von 65 %. Die Bevölkerung versuchte dagegen anzugehen. Zuerst gerichtlich, doch als das nichts half, gab es über sechs Wochen Sitzblockaden, Straßensperren und Demonstrationen. Dabei wurden mehr als 500 Demonstrierende verhaftet. Doch alle Bemühungen halfen nichts. Die Mülldeponie wurde dennoch gebaut. (Ituen/Tatu Hey 2021, S. 4-5). Kurz darauf wurde PCB weltweit verboten, da es sich als hochgiftig, krebserregend und erbgutschädigend herausstellte (Warda 2020).

Trotz der Niederlage bei dem Bau der Deponie waren diese Proteste von großer Bedeutung und wurden von vielen anderen als Vorbild genommen. Aus Kämpfen gegen diese Art von Umweltrassismus ist schließlich die Bewegung für Klimagerechtigkeit hervorgegangen, welche erstmals Fragen sozialer Gerechtigkeit im Zusammenhang mit umweltpolitischen Aspekten betrachtete (FARN, o.J.). Geprägt wurde der Begriff Umweltrassismus von dem Bürgerrechtler Dr. Benjamin F. Chavis Jr., der an den Demonstrationen in Afton beteiligt war. Er definiert Umweltrassismus als

“the intentional siting of polluting and waste facilities in communities primarily populated by African Americans, Latines, Indigenous People, Asian Americans and Pacific Islanders, migrant farmworkers, and low-income workers” (Ihejirika 2023)

Chavis veröffentlichte im Jahr 1987 gemeinsam mit der United Church of Christ (UCC) Kommission eine Studie zum Thema “Toxic Wastes and Race in the United States”. Aus der Studie ging hervor, dass drei von fünf BIPoC nahe einer Giftmülldeponie wohnen. In einem Dokumentarfilm sagte Davis:

“The issue of environmental racism is an issue of life and death. It is just not an issue of some form of prejudice where someone doesn’t like you because of the color of your skin. This is an issue that will take your life away, if you don’t get involved.” (United Church of Christ 2023 / o.J.).

Die Protestaktion und der Film löste eine nationale Debatte über Umweltrassismus aus (United Church of Christ 2023). Die Studie von 1987 wurde bis 2007 fortgesetzt und zeigte, dass nach wie vor eine Ungleichheit herrscht und Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe einem höheren Risiko von umweltschädlichen Stoffen ausgesetzt sind. Noch immer werden Mülldeponien eher an Standorten mit einem hohen Anteil an BIPoC erbaut, als dort, wo weiße Menschen leben (Bullard et. al. 2007, S. 155).

Seither gibt es immer mehr Studien zu Umweltrassismus. Diese bestätigen, dass PoC viel stärker Umweltrisiken ausgesetzt sind als weiße Personen. Die Ursache liegt vor allem darin, dass die Industrie sich meistens dort ansiedelt, wo hauptsächlich BIPoC leben. Deshalb sind schwarze Menschen 1.5 Mal, Hispanics 1.2 Mal und einkommensschwache Menschen 1.3 Mal so viel Feinstaub ausgesetzt wie weiße Menschen bzw. einkommensstarke (Warda 2020). Durch die Studien und Veröffentlichungen zum Thema Umweltrassismus hat sich der Begriff weiterentwickelt. Der amerikanische Soziologe Robert Bullard definiert ihn als

“any policy, practice or directive that differentially affects or disadvantages (where intended oder unintended) individuals, groups or communities based on race or color” (Batiste 2022, S. 1).

Das Projekt “ENRICH” (Environmental Noxiousness, Racial Inequities, and Community Health) unterscheidet zwei Bestandteile des Umweltrassismus. Zum einen gibt es die räumliche Verteilungsungerechtigkeit, die sich auf die Standortwahl industrieller Umweltverschmutzer und anderer umweltgefährdender Projekte bezieht. Zum anderen handelt es sich um die Verfahrensungerechtigkeit. Dabei stehen die institutionellen Mechanismen und Richtlinien im Mittelpunkt, welche die Ungerechtigkeit aufrechterhalten (ENRICH o.J.).

Umweltrassismus, Klimawandel und Kolonialismus

Durch den Klimawandel werden weitere, ganz neue Seiten von Umweltrassismus aufgezeigt. Die Ursachen und Folgen des Klimawandels sind ungleich über den Planeten verteilt. Länder im globalen Süden sind meist viel stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Und das, obwohl sie deutlich weniger CO2-Emissionen erzeugen als der globale Norden (Warda 2020). Das zeigt, dass die Klimakrise die (globale) soziale Krise und somit den Umweltrassismus in großen Dimensionen enorm beeinflusst. Um dieses Ungleichgewicht von Nord- und Südkugel, welches mit dem Klimawandel einhergeht, zu erfassen, muss der Kolonialismus berücksichtigt werden.

Im Zuge der Kolonialisierung kam es zu neuartigen globalen Handels- und Machtbeziehungen, welche bis heute anhalten. Dadurch blühte der globale Norden auf und erreichte Reichtum und Wohlstand (Bendix 2015, S. 273). Die Länder des globalen Südens galten als “Ressourcen- und Absatzmärkte” und halfen den Ländern auf der Nordhalbkugel, ihren Reichtum zu vermehren (Öztürk 2012, S. 2).

Viele westliche Firmen wollen günstig in ärmeren Ländern produzieren. Meist haben die ärmeren Länder zudem eine fragile staatliche Struktur. Westliche Länder und Firmen nutzen dies aus und verschmutzen dadurch dort vor Ort die Natur und achten wenig auf Einheimische (Warda 2020). Der globale Süden wird ausgebeutet und leidet unter den massiven Eingriffen in deren Ökosysteme von außerhalb (Ziai 2012, S. 23).

Aktuell zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz im durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausstoß von Emissionen zwischen den ärmsten Ländern, zu welchen Niger, Somalia und die Zentralafrikanische Republik gehören. Dieser Ausstoß ist in den ärmsten Ländern mehr als 140 Mal niedriger als beispielsweise in Deutschland. Dazu kommt die historische Verantwortung des Globalen Nordens hinsichtlich des Klimawandels. Der größte Teil der Emissionen, der sich seit Beginn der Industrialisierung in der Atmosphäre gesammelt hat, geht auf den Globalen Norden zurück (Kurwan 2023).

Eine interessante Abbildung zu den Pro-Kopf-CO2-Emissionen im Jahr 2021 findet ihr hier. Dort wird der durchschnittliche Verbrauch von fast jedem Land dargestellt. Durch Klicken auf das Land kann man sehen, dass zum Beispiel Deutschland einen durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch an Emissionen von 8.09 hatte. Eine klare Nord-Süd Trennung der Welt ist erkennbar.

Damals wie auch heute sind die Länder im globalen Süden zudem stark von der Landwirtschaft abhängig. Ihre Existenz steht babei auf dem Spiel. Um sich vor den Auswirkungen zu schützen, fehlt den Menschen, aber auch den Ländern, oftmals das Geld. Von außerhalb kommt wenig Hilfe und das, obwohl der Klimawandel ein globales Problem ist. Dennoch gibt es auf politischer Ebene einen einseitigen Fokus, welcher nur auf den vergleichsweise geringen Auswirkungen auf den globalen Norden liegt. Die Länder des globalen Südens werden mit den schlimmen gesellschaftlichen und ökologischen Folgeschäden nahezu allein gelassen.

Das bedeutet nicht, dass einzelne Personen, welche die Entscheidungen treffen, eine konkrete diskriminierende Absicht haben (Bellina 2022, S. 64), aber dass viele die globalen Konsequenzen außen vor lassen und nicht bedenken. Die Folge? Sie müssen fliehen. Menschen können aufgrund der Probleme, die durch den Klimawandel ausgelöst werden, nicht in ihrer Heimat bleiben (Warda 2020).

Laut einem Bericht des Internal Displacement Monitoring Centre (iDMC) aus dem Jahr 2015 verlassen seit 2008 jedes Jahr durchschnittlich 26.4 Mio. Menschen, ihre Heimat aufgrund von Naturkatastrophen. Das ist eine Person pro Sekunde. Die Zahl der geflohenen Personen sollen sich in den nächsten Jahren vervielfachen. Hauptursachen hierbei sind wetterbedingte Katastrophen wie Stürme, Überschwemmungen und Sturmfluten. Zu eher schleichenden Umweltproblemen wie Dürren oder dem ansteigenden Meeresspiegel gibt es (noch) keine konkreten Zahlen. Das sind deutlich mehr Personen, die aufgrund von Naturkatastrophen fliehen müssen, als aufgrund von Krieg. Oft stehen Umweltkatastrophen mit anderen Konflikten im Zusammenhang, beispielsweise Wasserknappheit (Yonetani 2015, S. 8). Umweltrassismus beeinflusst also das reale Überleben dieser Menschen.

Doch nicht nur zwischen Süd und Nord gibt es Unterschiede. Auch die Einkommensunterschiede innerhalb eines Landes tragen dazu bei. So treffen die Folgen des Klimawandels die Menschen mit weniger Einkommen oft härter. Zum einen, weil sie weniger Wohnraum und somit weniger Rückzugsorte haben, zum anderen haben Einkommensschwache meist auch kein Auto oder eine andere Möglichkeit, am Straßenverkehr teilzunehmen und vor der Katastrophe zu fliehen (Adick 2022).

Es kann auch Diskriminierung zwischen Geschlechtern und Generationen geben. Besonders Frauen und Kinder sind von den Folgen der Klimakrise betroffen (Kurwan 2023). Und das, obwohl Männer durchschnittlich mehr zur Klimaerwärmung beitragen als Frauen. Ein Grund dafür ist, dass Warnungen bei Naturkatastrophen größtenteils im öffentlichen Raum stattfinden, Frauen sich allerdings eher zuhause aufhalten und sich dort um Kinder und Haushalt kümmern und darum erst später davon erfahren. Sie sind auch bei der Flucht für Kinder und die Pflege der älteren Angehörigen zuständig (DGVN 2016). Ein weiterer Grund ist gerade bei Flutereignissen, dass Frauen seltener schwimmen können und schlechteren Zugang zu Verkehrsmitteln haben (Kurwan 2023).

Eine Folge von Umweltkatastrophen, die nichts direkt mit Umweltrassismus zu tun hat, möchte ich dennoch nicht unerwähnt lassen. Laut Studien steigt die Anzahl der gewaltsamen Übergriffe auf Frauen nach Umweltkatastrophen enorm. Oftmals verdoppeln sich die Zahl der Gewalttaten von Männern gegenüber Frauen. Warum das konkret nach Katastrophen häufiger auftritt, hängt wahrscheinlich mit den fehlenden Strukturen im Chaos zusammen. Frauen sind dadurch weniger geschützt (DGVN 2016).

Umweltrassismus kann also gegen einzelne Personen, Gruppen oder auch Länder auftreten. Aus den Kämpfen gegen Umweltrassismus erfolgten verschiedene Bewegungen für Klimagerechtigkeit. Einige sind uns allen bekannt, wie “Fridays for Future”. Sie setzen sich nicht nur für Klimapolitik und Klimaschutz ein, sondern auch für Klimagerechtigkeit, wodurch dem Umweltrassismus entgegengewirkt werden soll (Fridays for Future 2020). Es handelt sich dabei also nicht nur um eine Klimabewegung, sondern um eine Klimagerechtigkeitsbewegung.

Fallbeispiele

Um noch deutlicher zu zeigen, was für Arten von Umweltrassismus es auf der Erde gibt und wie oft diese auftreten, werden im Folgenden einige Beispiele aufgeführt.

Das erste Beispiel handelt von den USA, genauer gesagt von den Gemeinden eines über 130 km langen Landstrichs entlang des Mississippi von Baton Rounge bis New Orleans in Louisiana. Hier haben sich insgesamt über 150 Ölraffinerien, Kunststofffabriken und andere chemische Anlagen angesiedelt, die viele Emissionen ausstoßen. Und das direkt an den zuvor bestehenden Siedlungen. Gleichzeitig weist der Abschnitt eine sehr hohe Inzidenz- und Sterblichkeitsrate im Vergleich zum Rest der USA auf. Auch die Krebsrate ist viel höher als im Rest des Landes. Aufgrund dessen wird dieser Abschnitt auch “Cancer Alley”, die Allee der Krebskranken, genannt. In kaum einem anderen Bundesstaat ist die Luft so schlecht wie in Louisiana (Batiste 2022, S. 1).

Doch nicht alle Menschen am Mississippi sind gleichermaßen betroffen. Vor allem die hier lebenden schwarzen Menschen auf der einen Seite des Flusses kämpfen gegen den Krebs. Verantwortlich dafür wird die Industrie gemacht. Auf der anderen Seite des Flusses leben hauptsächlich weiße Menschen, oftmals derselben Gemeinde. Aufgrund von Protesten wurden dort keine Industrieanlagen erbaut. Diese sehen die Industrie mittlerweile als Chance für neue Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Aber nur, wenn sie in einem bestimmten Abstand erbaut werden. Studien haben gezeigt: Je näher die Menschen an den Industrieanlagen wohnen, desto höher das Gesundheitsrisiko. Und da sich die Industrie hier auffällig nahe in Nachbarschaften mit hauptsächlich BIPoC oder Armen angesiedelt haben, gehen diese von einem rassistischen Motiv aus. Sie haben das Gefühl, geopfert zu werden, an zweiter Wahl zu stehen (Schmidt 2023).

Eine Studie aus den USA zeigt, dass es eine besonders hohe Sterberate bei BIPoC gibt im Zusammenhang mit Hitzewellen. Vor allem in Großstädten sterben doppelt so viele wie weiße Menschen. Das liegt an den Temperaturdifferenzen innerhalb der schwarzen und weißen Nachbarschaft, welche bei bis zu 1.7° Celsius liegen kann (Ituen/Tatu Hey 2021, S. 12/13).

Doch Umweltrassismus gibt es auch in Deutschland. So wurde durch verschiedene Studien festgestellt, dass es beispielsweise in Kassel eine erhöhte Luftverschmutzung in den Bezirken gibt, in welchen Menschen mit niedrigen sozioökonomischen Status und Migrationshintergrund wohnen (Ituen/Tatu Hey 2021, S. 9). Auch andere marginalisierte Gruppen, wie Sinti*zza und Rom*nja erleben dies immer wieder. Meistens werden sie in Gegenden mit einer hohen Umweltbelastung geschoben und von Umweltgütern wie sauberem Trinkwasser ausgeschlossen (Ituen/Tatu Hey 2021, S. 8).

Eine neue Studie aus Chicago verdeutlicht, dass Schwarze während der Pandemie für 50 % der Corona-Infektionen und sogar 70 % der Todesfälle verantwortlich waren. Und das, obwohl sie lediglich 30 % der Bevölkerung von Chicago ausmachen. Und auch in Großbritannien zeigt sich, dass schwarze Menschen fast doppelt so häufig wie weiße Menschen einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an Covid-19 zu sterben (Ituen/Tatu Hey 2021, S. 13).

Ebenso können ganze Länder von Umweltrassismus betroffen sein, wie beispielsweise Senegal. Der globale Süden ist durch Kolonialisierung und jahrhundertelange Ausbeutung viel später in die Industrialisierung eingestiegen. Bis dahin haben die Länder des Nordens schon viel, viel mehr CO2 ausgestoßen, welches über 100 Jahre in der Atmosphäre bleibt. Trotzdem sollen die Länder des globalen Südens genau so viel CO2 einsparen wie die Länder auf der Nordhalbkugel. Gleichzeitig sollen sie die Schulden gegenüber dem globalen Norden abbauen. Das führt dazu, dass Länder im Süden (z.B. Senegal) ihre fossilen Energieträger von Industrienationen ausbeuten lassen, um nicht noch tiefer in die Schulden zu stürzen (Adick 2022).

Umweltrassismus bekämpfen

Die Bekämpfung von Umweltrassismus wird von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt. Der gemeinsame Kern ist jedoch, dass das Leid der betroffenen Personen gemindert werden soll. Diese wollen auf sich aufmerksam machen und gegen das Unrecht ankämpfen. So war es auch bei Cancer Alley. Gemeinsam mit Anwälten wurden Klagen gegen staatliche Einrichtungen oder chemische Fabriken angestrengt (Schmidt 2023). Robert Taylor, der Gründer der Initiative gegen die Chemiefabriken, kämpft für eine bessere Zukunft. Vor allem für die BIPoC-Kinder der Gemeinden. Weitere Forderungen sind Verschärfungen von Vorschriften der EPA (Envioronmental Protection Agency), welche eine unabhängige Behörde der USA ist und sich für den Umweltschutz und den Schutz der menschlichen Gesundheit einsetzt, und eine Wiedergutmachung für die betroffenen und hinterbliebenen Personen (Batiste 2022, S. 29).

Mittlerweile hat auch Präsident Joe Biden davon gehört und Taylor ins Weiße Haus eingeladen. Hier soll er verdeutlichen, dass Umweltschutz oberste Priorität hat und somit auch dem Umweltrassismus entgegengewirkt werden kann. Es gibt den Anwohner*innen und Umweltgruppen Hoffnung. Außerdem verlangen sie mehr Forschung zu dem Thema, um besser ihr Leid belegen zu können. Sie glauben, dass die Politik ihnen dann mehr Glauben schenkt (Schmidt 2023). Die daraus resultierende nationale Aufmerksamkeit soll der Wendepunkt von Cancer Alley sein (Batiste 2022, S. 29).

Ein weiteres einzigartiges und innovatives Projekt wurde 2012 von Dr. Ingrid Waldron in Kanada ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um das sogenannte ENRICH-Projekt (Environmental Noxiousness, Racial Inequities, and Community Health), welches sich auf die sozialen, ökologischen, politischen und gesundheitlichen Auswirkungen von Umweltrassismus in Mi´kmaq-Gemeinden (Ureinwohner*innen) und Nova Scotia, einer kleinen Provinz in Kanada, spezialisieret (ENRICH o.J.). Die hauptsächlich dort lebenden BIPoC berichten von Krankheiten wie Krebs oder Diabetes, welche aufgrund von Mülldeponien, die 1974 und 2006 eröffnet wurden, hervorgerufen wurden. Außerdem hatten sie kaum Zugang zu sauberem Trinkwasser, da das Wasser viele Giftstoffe enthielt. Der Müll zog zudem Bären, Waschbären und Insekten an (Klingbeil 2016).

Das Projekt will Wege finden, um räumliche wie verteilungstechnische Arten des Umweltrassismus in diesen Gemeinden anzugehen und mithilfe der Bürger*innen die Politik bzw. Politiker*innen zum Handeln zu zwingen. Des Weiteren wollen sie national über die Ansiedlung und Regulierung von Industrieanlagen im Zusammenhang mit Umweltrassismus informieren. Das machen sie mithilfe von Interessenvertretungen, gemeinschaftlichem Engagement, Mobilisierung und Kapazitätsaufbau in betroffenen Gemeinden, öffentlicher Bildung, Studierendenausbildung, sektorübergreifenden Partnerschaften, Workshops und Kommunikation (ENRICH o.J.). Auch ihnen ist es in erster Linie wichtig, auf diese Umstände aufmerksam zu machen. Die Beteiligten schafften es, dass im Jahr 2015 zum ersten mal in Kanada ein Gesetzesentwurf zum Thema Umweltrassismus eingebracht und bis zur zweiten Lesung durchgebracht wurde. Allerdings wurde das Gesetz nicht verabschiedet (Klingbeil 2016).

Das Projekt sorgte weltweit für Aufsehen. Im April 2018 veröffentlichte Waldron das Buch “There´s something in the water” und verwendete Nova Scotia als Fallbeispiel, um die Auswirkungen von Umweltrassismus und dessen gesundheitliche Folgen auf indigene und schwarze Gemeinschaften in Kanada zu untersuchen. Das Buch erhielt zwei Preise. 2019 wurde der gleichnamige Dokumentarfilm veröffentlicht.

Das sind einzelne Projekte, die wichtig sind und von denen Betroffene profitieren können. Jedoch können sie nicht dem globalen Umweltrassismus entgegenwirken, welcher heute enorme Dimensionen angenommen hat. Nicht nur Bevölkerungsgruppen, sondern auch Länder sind unterschiedlich von den Folgen des Klimawandels betroffen. Die Politik kann und muss dagegen ankämpfen. Es gibt schon Lösungsideen, wie dem Umweltrassismus entgegengewirkt werden kann.

Ein Prinzip, das dabei beachtet werden sollte, ist das Verursacherprinzip. Dabei sollen nicht nur die aktuellen Emissionen berücksichtigt werden, sondern auch die historische Verantwortung. Das bedeutet, dass beachtet werden muss, welches Land wie viel CO2 in der Vergangenheit ausgestoßen hat. Dadurch verändert sich das CO2-Budget der Länder im Norden. Teilweise wäre das Budget schon komplett aufgebraucht. Außerdem sollen die Nationen des globalen Nordens die Verantwortung als hauptsächliche Verursacher des Klimawandels auf sich nehmen und für die Kosten von Anpassungsstrategien und klimabedingten Schäden in Ländern des globalen Südens aufkommen müssen (Kurwan 2023).

Eine weitere Lösung, die das Problem beheben könnte, ist ein Schuldenerlass. Das führt dazu, dass fossile Energieträger des globalen Südes im Boden bleiben können und die Länder das Geld anders investieren können. Beispielsweise in eine Veränderung, die sozial und ökologisch gerecht wäre. Des Weiteren könnten sie mit dem Geld die Klimaanpassung (mit-)finanzieren. Viele Wissenschaftler*innen oder auch der Internationale Währungsfonds (IWF) haben sich positiv zu dieser Lösung geäußert. Somit könnte den ärmeren Ländern mehr finanzieller Spielraum gegeben werden. Das kann ein Hilfsmittel gegen die Ungerechtigkeit sein. Jedoch kann es diese nicht komplett lindern. Der Norden muss definitiv noch mehr investieren. Denn wie schon weiter oben gesagt, hängt die Klimakrise eng mit der sozialen Gerechtigkeit und somit dem Umweltrassismus zusammen.

Fazit

Der Beitrag beleuchtete das komplexe Thema des Umweltrassismus. Der Begriff wurde Anfang der 1980er Jahre geprägt und bekommt immer mehr Bedeutung. Umweltrassismus hat viele Facetten. Es tritt auf, wenn Umweltprobleme und Umweltverschmutzung unverhältnismäßig stark bestimmte Gemeinschaften betreffen. Meist betrifft es die Menschen, die bereits benachteiligt sind.

Umweltrassismus ist also nicht nur eine Frage der Umwelt, sondern auch eine der sozialen Gerechtigkeit, wenn nicht sogar eine Frage von Leben und Tod. Neben BIPoC können auch Geschlechter und Generationen sowie ganze Länder direkt oder indirekt betroffen sein. Häufig trifft es Frauen, Kinder und Einkommensschwache am stärksten.

Der globale Norden, der historisch für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich ist, leidet weniger unter den Folgen des Klimawandels als der globale Süden. Und das, obwohl der Süden deutlich weniger Emissionen verursacht.

Um dem Umweltrassismus entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Lösungsansätze. Diese reichen von gemeindebasierten Initiativen und internationaler Zusammenarbeit bis hin zu Gerichtsverfahren und politischen Maßnahmen. Ein wichtiger Schritt dabei ist es, die historische Verantwortung anzuerkennen und den globalen Norden zur Verantwortung zu ziehen. Ein Schuldenerlass für die Länder des globalen Südens könnte ihnen zudem finanzielle Ressourcen verschaffen, die sie in umweltfreundliche Technologie stecken können.

Mit diesem Beitrag soll ein Bewusstsein für Umweltrassismus geschaffen werden. Das Ziel ist es, dass weniger CO2 freigesetzt wird, um eine nachhaltige Welt zu schaffen, in der Umweltressourcen und Chancen fair verteilt werden und niemand aufgrund seiner Hautfarbe oder seines sozialen Status benachteiligt wird. Es erfordert Engagement auf individueller und globaler Ebene, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen.

Literaturverzeichnis

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