Samstag, 13. Mai 2023

Klein, aber oho! – der Tiny Forest

Etwa 80% der Menschen in Deutschland wohnen in Städten. Prognosen zeigen, dass dieser Trend weiter zunimmt. Das Problem dabei ist, dass sich der Mensch in der Stadt von der Natur entfremdet. Die Menschen verlieren, umgeben von einer Betonwüste, den Bezug dazu, woher ihre Lebensgrundlagen wie Wasser oder Nahrungsmittel stammen. Gleichzeitig trifft der Mensch genau aus diesem Lebensstil heraus Entscheidungen, die die Natur zutiefst beeinflussen und die Biosphäre destabilisieren (vgl. Scharfe, 2022, S. 2 f.).

Folgen unseres (Nicht-)Handelns

Die Folgen davon sehen wir in den Auswirkungen des Klimawandels. Arten sterben, weil sie mit den veränderten klimatischen Bedingungen nicht mehr zurechtkommen oder weil der Mensch ihnen ihre Lebensgrundlage entzogen hat, um Lebensmittel anzubauen (vgl. Steingässer & Scharfe, 2020, S. 1). In Deutschland gibt es nur noch 0,6 % Fläche, die naturbelassen ist (vgl. Scharfe, 2022, S. 2). Gleichzeitig staut sich im Sommer die Hitze zwischen Asphalt und Beton und lässt das Leben in den Städten unerträglich werden (vgl. Enwadlt & Mende, 2023, S. 1). Die Auswirkungen zeigen sich auch in der menschlichen Gesundheit, so nehmen z.B. Lungenentzündungen oder Krebs zu. Der Mensch hat vergessen, was für einen positiven Effekt die Natur auf ihn hat. Nicht umsonst wird psychisch sowie physisch kranken Menschen der Kontakt zur Natur empfohlen. Die Natur stärkt unser Immunsystem und wirkt sich positiv auf unser Wohlbefinden aus (vgl. Scharfe, 2022, S. 3).

Was braucht es, um den negativen Auswirkungen unserer Entfremdung von der Natur entgegenzuwirken?

Der japanische Pflanzensoziologe Akira Miyawaki entwickelte genau hierfür eine Idee. Die sogenannten Tiny Forests. Seine Idee ist nicht so neu, wie sie vielleicht klingt. Bereits vor ca. 50 Jahren erkannte er mit seinen Kollegen den Wert der kleinen Wälder (vgl. Enwadlt & Mende, 2023, S. 1). Was genau muss man sich unter einem Tiny Forest vorstellen? Das offensichtlichste Merkmal eines Tiny Forest ist wohl seine Größe. Ein Tiny Forest entsteht bereits auf gerade einmal 100 - 200 Quadratmetern Fläche. Der Boden auf dieser Fläche wird genaustens untersucht. Anhand der Untersuchungsergebnisse wird versucht, den Boden hinsichtlich seiner „Korngrößenverteilung, [seines] ph-Wert[s] und Humusanteil[s]“ (Steingässer & Scharfe, 2020, S. 1) zu optimieren, um somit die perfekten Bedingungen für den kleinen Wald zu schaffen. Die Bepflanzung erfolgt schließlich mit heimischen Bäumen und Sträuchern, die eine möglichst große Diversität mit sich bringen. Auf einem Quadratmeter finden sich so etwa drei Pflanzen (vgl. Steingässer & Scharfe, 2020, S. 1).

Die haben ja gar keinen Platz?

Richtig und das ist auch gut so. Denn in diesem Fall gilt: „Konkurrenz belebt das Pflanzenwachstum“. Ein Tiny Forest wächst etwa 10-mal so schnell wie ein klassischer Wald und benötigt so gerade einmal drei Jahre, bis er sich in ein beständiges Ökosystem verwandelt hat (vgl. Steingässer & Scharfe, 2020, S. 1). Dieses beständige Ökosystem kann schließlich ein Zuhause für zahlreiche Vögel und Insekten sein. Es filtert die vielen Schadstoffe in den Städten und saugt bei Überschwemmungen eine große Menge Wasser auf (vgl. Enwadlt & Mende, 2023, S. 2). Gleichzeitig steigern Tiny Forests das Wohlbefinden der Menschen in den Städten, senken den CO2-Gehalt und sind durch ihre Größe flexibel einsetzbar. Sie sind „Temperatur- und Lärmpuffer“ (Steingässer & Scharfe, 2020, S. 2). Ein Tiny Forest dient keinen ökonomischen Zwecken. Die Natur soll an diesen Flecken einfach nur existieren dürfen (vgl. Steingässer & Scharfe, 2020, S. 2).

Tiny Forest als pädagogisches Projekt

Neben den zahlreichen positiven Effekten, die der Tiny Forest auf die menschliche Gesundheit hat, ist er eine Methode, um dem Menschen die Natur wieder näherzubringen. So wird er derzeit für Bildung für nachhaltige Entwicklung eingesetzt. Kinder haben die Möglichkeit, die Entstehung eines Waldes hautnah mitzuerleben sowie die Vielfalt an Tieren und Insekten, die dort wohnen, kennenzulernen (vgl. Scharfe, 2022, S. 3).

Wo findet man Tiny Forests?

2020 entstand einer der ersten Tiny Forests in der Uckermark auf einer Fläche von ca. 800 Quadratmetern. Mittlerweile findet man Tiny Forests aber auch in Herford oder im niederländischen Utrecht (vgl. Scharfe, 2022, S. 3). Auch die Tiny Group aus Waiblingen hat sich zum Ziel gesetzt, die kleinen Wälder populärer zu machen. Sie zeigen u.a. Firmen auf, welchen Nutzen Tiny Forests haben. Gleichzeitig sieht sich die Tiny Group auch als Vermittler zwischen Wirtschaft und Kommunen, wenn es beispielsweise um die Umsetzung von Tiny Forests an Flächen wie dem Marienplatz in Stuttgart geht, der im Sommer extrem heiß wird (vgl. Kölbl, 2023, S. 1).

Fazit

Natürlich muss man realistisch bleiben. Tiny Forests retten uns nicht vor dem Klimawandel. Denn sie setzen lediglich an einem der vielen Probleme an, die der Klimawandel mit sich bringt. Kritiker befürchten zudem, dass die kleinen Wälder womöglich keine lange Lebensdauer aufweisen (vgl. Kölbl, 2023, S. 1). Dennoch setzt der Ansatz an einer wichtigen Stelle an: Er bringt Mensch und Natur einander wieder näher. Denn ohne das Verständnis, wie wichtig die Natur für den Menschen ist, wird es schwer sein, die Menschheit davon zu überzeugen, dass diese schützenwert ist.

Quellen:

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