Der Klimawandel ist eines der größten und komplexesten Probleme unserer heutigen Zeit. In allen größeren Parteien Deutschlands findet man in den Programmpunkten einige Ansätze und Vorschläge, wie die schlimmsten Auswirkungen verhindert werden können. Und dennoch bekommen wir bereits heute die ersten Konsequenzen des Klimawandels zu spüren: Immer häufiger erreichen uns Nachrichten von riesigen Waldbränden, ausgelöst durch lange Hitzewellen, oder von Fluten, welche ganze Ortschaften zerstören. Und so steigt auch die Angst vieler Bürgerinnen und Bürger, die sich zunehmend direkt bedroht fühlen (vgl. Heeke 2021).
Diese zunehmend erlebte Gefährdung drückt sich auch in globalen Organisationen wie „Fridays for Future“ aus. Diese organisieren regelmäßig globale Streiks gegen den Klimawandel und fordern dabei immer wieder die Politik auf, Maßnahmen zu ergreifen, um das Klima zu schützen (vgl. Fridays for Future 2022).
Doch obwohl das Problem des Klimawandels eine hohe mediale und politische Aufmerksamkeit genießt, reichen die Beschlüsse und Maßnahmen nicht aus, um das Problem zu lösen (vgl. Sadik 2020). Es scheint, als fehle der Wille oder die Kompetenz, um den Klimawandel wirklich wirksam zu bekämpfen. Doch warum ist dies so?
Was, wenn unsere gesamte Art zu leben, unser Wirtschaftssystem und unsere Werte gegen eine Bekämpfung des Klimawandels sprechen? Wie wirkt sich der Kapitalismus auf die Bekämpfung des Klimawandels aus? Als Antwort lautet die These dieser Arbeit: Der Kapitalismus teilt unsere Gesellschaft in zwei Gruppen auf: Personen mit und ohne Kapital. Dabei existiert ein Wachstumsgedanke in beiden Gruppen, welcher sich unterschiedlich bemerkbar macht, im Effekt jedoch die Lösung des Klimaproblems verhindert.
Um dies zu zeigen, widmet sich der erste Teil der Arbeit dem Kapitalismus aus einer allgemein gefassten Perspektive. Im Anschluss folgt eine Erklärung, was unter Kapital zu verstehen ist. Dann wird der Einfluss des Kapitalismus zunächst auf die Politik und anschließend auf die soziale Struktur unserer Gesellschaft untersucht.
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich dem Wachstumsgedanken. Nach einer Erläuterung, was unter Wachstum zu verstehen ist, wird aufgeführt, woher dieser stammt. Die Arbeit endet mit der Thematik, wie sich das Wachstum auf den Klimawandel auswirkt. Dabei wird zuerst die Seite der Konsumgesellschaft und anschließend die Seite der Unternehmen beleuchtet.
Kapitalismus
Um nachvollziehen zu können, weshalb der Wachstumsgedanke die Bekämpfung des Klimawandels bremst, wird im ersten Teil näher auf gegenwärtige gesellschaftliche Strukturen eingegangen, welche unter anderem durch die kapitalistische Marktwirtschaft determiniert werden. Wie Boike Rehbein in seinem Werk „Die kapitalistische Gesellschaft“ gleich zu Beginn deutlich macht, handelt es sich beim Kapitalismus um eine Herrschaftsordnung, welche auf verschiedene, nicht kapitalistische, Wirtschaftsformen angewiesen ist, diese jedoch in dem Maße transformiert, dass als Ergebnis die Gesamtheit gesellschaftlicher Strukturen in eine kapitalistische geändert wird (vgl. Rehbein 2021: 9).
Der Kapitalismus beschränkt sich also nicht auf unsere Form des Wirtschaftens, sondern durchdringt auch andere Bereiche unseres alltäglichen Lebens. Wichtig für die Bekämpfung des Klimawandels sind hierbei der Einfluss auf die Politik sowie auf gesellschaftliche Strukturen. Bevor diese beleuchtet werden, folgt eine Beschreibung einiger Grundprinzipien des Kapitalismus.
Einige Grundprinzipien des Kapitalismus
Wie funktioniert der Kapitalismus und durch welche Aspekte zeichnet er sich im Allgemeinen aus? Um diese Fragen zu beantworten, sehen wir uns zunächst ein Zitat des Soziologen Max Weber an, welcher kapitalistische Handlungen folgendermaßen beschreibt:
„Sie sind Investitionen von Kapital mit der Erwartung eines Gewinns“ (zit. nach Rehbein 2021: 13).
Um was es sich beim Kapital genau handelt, wird später noch beleuchtet. So viel vorab: Geld kann eine Form von Kapital sein, muss es aber nicht. Wichtig ist zunächst, dass ein Gewinn erzielt werden soll, um das Kapital zu vermehren oder es zumindest zu behalten (vgl. Rehbein 2021: 13). Dieser Zuwachs des Kapitals ist auf den Kapitalisten beschränkt und somit der Allgemeinheit nicht zugänglich (ebd.). Der Kapitalist handelt in seinem eigenen Interesse, nur das Kapital in seinem Besitz soll vergrößert werden.
„Kapitalisten sind - zu allen Zeiten - zunächst Menschen, die Kapital mit der Erwartung eines Gewinns investieren“ (Rehbein 2021: 15).
Um eine solche Vergrößerung des Kapitals zu realisieren, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Boike Rehbein nennt dazu die folgenden: Die Ausbeutung der Arbeitskraft von anderen Personen zur Produktion von Gütern, der Rohstoffabbau, die Sklavenarbeit und das Finanzgeschäft (ebd.). Als historisch sehr bedeutsam beschreibt Rehbein zudem die Ausnutzung des Unterschieds zwischen Angebot und Nachfrage an zwei verschiedenen Orten (ebd.). Dieser Unterschied kann dazu genutzt werden, einen Gewinn zu erzielen und somit das eigene Kapital zu vergrößern: Was an einem Ort sehr einfach (oder anders gesagt: günstig) zu erwerben ist, wird dann an einem anderen Standort teuer verkauft (ebd.).
Dasselbe Prinzip gilt für den Rohstoffabbau. Sagen wir, eine Firma baut an einem Standort relativ günstig Gold ab und verkauft dieses dann für mehr Geld in verarbeiteter Form in einem Juwelierladen. Diese Firma konnte ihr finanzielles Kapital ebenfalls steigern, da der Gewinn durch den Verkauf größer ist als die Kosten für den Abbau. Im Bereich des Finanzgeschäftes kann ein Gewinn erzielt werden, indem Geld verliehen und dabei Zinsen verlangt werden.
Nun haben wir einige Arten zur Gewinnung von Kapital kennengelernt, aber wozu dient das ganze? Um die Motivation hinter solchen Handlungen verstehen zu können, ist es wichtig, Kenntnis davon zu haben, dass in kapitalistischen Gesellschaften Menschen mit Kapital die herrschende Klasse bilden (vgl. Rehbein 2021: 15). Mitglieder dieser herrschenden Klasse monopolisieren zu einem großen Teil das Kapital und leben von Investitionen, um eben dieses zu vergrößern (ebd.).
Der Rest der Gesellschaft, welcher kein Kapital besitzt, bildet eine Gruppe, die von den Kapitalisten abhängig und auf Lohnarbeit angewiesen ist, „weil sie weder Zugang zu Kapital noch zu Subsistenzmitteln wie Ackerland oder Waldprodukten hat und durch die Institutionen von Staat und Wirtschaft zu Arbeit gezwungen wird“ (Rehbein 2021: 15).
Halten wir also fest: Innerhalb kapitalistischer Gesellschaften tätigen Kapitalisten Investitionen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung. Gewinn kann erzielt werden durch die Ausbeutung von Arbeitskräften, den Abbau von Ressourcen, Sklavenarbeit und Finanzgeschäfte. Kapitalisten bilden dabei die herrschende Klasse unserer Gesellschaft. Damit haben wir die Grundprinzipien festgestellt, diese werden später hinsichtlich der Bekämpfung des Klimawandels noch eine wichtige Rolle spielen. Doch bevor wir dazu kommen, wird im nächsten Abschnitt erläutert, was Kapital eigentlich ist und welche Arten dabei unterschieden werden können.
Was ist Kapital?
Die Vergrößerung des eigenen Kapitals ist ein essenzielles Vorhaben innerhalb des Kapitalismus, und Geld kann eine Form von Kapital sein, nämlich finanzielles. Wenn nun eine Person 5 Euro besitzt, sich davon einen Hamburger kauft, diesen isst und danach nichts weiter unternimmt, handelt es sich aber bei dieser Person um keinen Kapitalist. Die 5 Euro werden in diesem Zusammenhang auch nicht als Kapital bezeichnet. Wir könnten nur dann von Kapital sprechen, wenn die Person ihr Geld so investieren würde, dass sie am Ende einen Gewinn gemacht hat.
Um auf den Hamburger zurückzukommen, müsste die Person den Hamburger kaufen, nicht essen, sondern für 6 Euro weiterverkaufen. Nun hat sie einen Gewinn von einem Euro gemacht, ihr Geld hat sich vermehrt. Dieses Beispiel ist sehr vereinfacht, und in einem solchen Zusammenhang könnten wir weder von Kapital noch von einem Kapitalisten sprechen, da unter anderem die eingesetzte Geldmenge und der resultierende Profit zu gering sind (vgl. Rehbein 2021: 48f.). Es macht aber dennoch deutlich, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um von Kapital sprechen zu können. Dies ist nur dann der Fall, wenn Vermögen oder Besitz gewinnbringend investiert wird, und zwar in einem solchen Maße, dass der Kapitalist von dem Profit leben kann (ebd.).
„Das Kapital im Sinne einer kontrollierbaren Investition gehört im Kapitalismus einer kleinen Gruppe. Alle anderen können nur überleben, wenn ihnen erlaubt wird, dieses Kapital zu nutzen und einen Teil der Profite zu erhalten - mit denen sie Konsumgüter kaufen, deren Erlös wiederum an die Kapitalisten fließt“ (Rehbein 2021: 50).
Durch dieses Zitat wird deutlich, dass die Gruppe der Kapitalisten ihr Kapital für eine Gebühr all jenen zur Verfügung stellt, die selbst kein Kapital besitzen und deshalb auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft für einen Lohn angewiesen sind, um lebensnotwendige Güter konsumieren zu können (vgl. Rehbein 2021: 49). Die durch diesen Mechanismus entstehende Abhängigkeit von den Kapitalisten zwingt den Rest der Bevölkerung also zur Arbeit, um überleben zu können. Dadurch entsteht ein Profit, welcher den Eigentümern des Kapitals zugutekommt; die Ausbeutung der Arbeitskraft anderer Personen zur Produktion von Gütern bildet eine Möglichkeit, Kapital zu vergrößern.
Kapital ist also Eigentum, welches durch Investitionen einen Profit erzielt und den Lebensunterhalt des Kapitalisten sichert. Die Struktur unserer Gesellschaft teilt sich somit in zwei Gruppen: Kapitalisten und Personen ohne Kapital. Letztere müssen für Kapitalisten arbeiten, um einen Lohn (einen Teil des Kapitals des Kapitalisten) abzubekommen und somit überleben zu können. Eine weitere wichtige Eigenschaft des Kapitalismus ist der Wachstumsgedanke. Dieser ist jedoch für die Bekämpfung des Klimawandels von so großer Bedeutung, dass er gesondert in einem späteren Abschnitt der Arbeit behandelt wird. Zunächst wird auf den Einfluss des Kapitalismus auf Politik sowie auf die soziale Ordnung unserer Gesellschaft eingegangen.
Einfluss des Kapitalismus auf Politik
Der Kapitalismus durchdringt mehrere Bereiche unserer Gesellschaft und so wird auch das politische Geschehen von ihm beeinflusst. Politische Entscheidungen sind bei der Bekämpfung des Klimawandels von großer Bedeutung, es können etwa neue Gesetze erlassen werden, die entweder den Klimawandel bekämpfen oder aber auch ignorieren. Im folgenden Teil der Arbeit werden jene Aspekte des politischen Geschehens herausgearbeitet, die vom Kapitalismus beeinflusst werden und eine Rolle in der Klimapolitik spielen.
Zunächst ist hierbei die Erkenntnis wichtig, dass die gesellschaftliche Gruppe der Kapitalisten, obwohl in unserer repräsentativen Demokratie in Deutschland alle Bürger*innen das Wahlrecht besitzen, einen größeren Einfluss auf das politische Geschehen haben als Personen ohne Kapital (vgl. Rehbein 2021: 117). Kapitalisten bilden die Gruppe der herrschenden Klasse (ebd.). Dieser Einfluss der herrschenden Klasse auf die Politik wird dadurch möglich, dass es sich bei der gegenwärtigen Demokratie nicht um eine wirkliche Volksdemokratie handelt und Parteien in erster Linie nicht das Volk vertreten, sondern versuchen, für die Wahl die nötigen Stimmen zu gewinnen (ebd.).
„Nach der Wahl vertreten sie ihre eigenen Interessen, die Interessen der Partei und die Interessen der Menschen, die sie finanzieren, unterstützen und beeinflussen - von denen ihr politisches Überleben abhängt“ (Rehbein 2021: 118).
Bei den gewählten Abgeordneten handelt es sich um Berufspolitiker, Politik kann in diesem Zusammenhang als ein Beruf verstanden werden, durch welchen der Lebensunterhalt gesichert wird (vgl. Rehbein: 118). Das bedeutet: Das Volk zu vertreten ist zweitrangig, es geht viel mehr darum, den Beruf nicht zu verlieren, mehr Einkommen zu erhalten und die Stellung innerhalb des Berufes zu verbessern (ebd.).
Um ein System zu beschreiben, in welchem Wahlen eine immer geringere Rolle spielen, verwendet der Politikwissenschaftler Colin Crouch den Begriff der „Postdemokratie“ (vgl. Crouch 2000 zit. nach Rehbein 2021: 118). Der Bedeutungsverlust von Wahlen rührt daher, dass die Berufspolitiker*innen entweder selbst aus der herrschenden Klasse stammen oder aber von einflussreichen Familien, Unternehmen und Netzwerken abhängig sind (vgl. Rehbein 2021: 118f.). Handeln Politiker*innen nicht so, wie von der herrschenden Klasse erwünscht, kann dies erhebliche Probleme für die entsprechende Person mit sich bringen.
„Die herrschende Klasse kann ohne Probleme die Existenz eines Politikers vernichten, beispielsweise indem wirkliche oder vermutete Regelwidrigkeiten aus der Vergangenheit ausgegraben und veröffentlicht werden - was regelmäßig geschieht“ (Rehbein 2021: 119).
Der Einfluss der herrschenden Klasse auf das politische Geschehenen begründet sich auch aus der Tatsache, dass viele Politiker*innen für eben diese Klasse arbeiten, und zwar als Mitarbeiter von Think Tanks, Stiftungen oder auch Institutionen (vgl. Rehbein 2021: 20). Think Tanks stellen beispielsweise Informationen und Ideen zur Verfügung, auf deren Grundlage politische Entscheidungen getroffen werden (vgl. Rehbein 2021: 122). Diese Informationen sind sehr gefragt, die Politik versorgt sich im großen Ausmaß mit ihnen, mehr noch als mit Informationen von Universitäten (vgl. McGann/ Sabatini 2011 zit. nach Rehbein 2021: 122).
Institutionen, welche als Think Tanks bezeichnet werden können, sind nicht nur untereinander, sondern auch mit der Politik, den Medien und Universitäten vernetzt (vgl. Rehbein 2021: 123f). Sie werden vom Staat, aber auch von Privatpersonen, Parteien und Unternehmen finanziert, die Spender erhalten dabei einen Einfluss auf die ideologische Orientierung des entsprechenden Think Tanks (vgl. Rehbein 2021: 123).
Ein weiterer Weg der herrschenden Klasse, um das politische Geschehen zu beeinflussen, besteht in der generellen Finanzierung der Politik, genauer der Parteien und Politiker (vgl. Rehbein 2021: 129). Dies kann etwa durch Wahlspenden von Unternehmen geschehen, welche auf Regierung und Legislative angewiesen sind, um weiter, insbesondere in den Bereichen der Rüstung und Energie, arbeiten zu können (vgl. Tabb 2006 zit. nach Rehbein 2021: 129f.).
Fassen wir also zusammen: Durch die Mechanismen des Kapitalismus erhält die herrschende Klasse einen Einfluss auf das politische Geschehen. Dies wird unter anderem möglich, da wir in unserer gegenwärtigen Demokratie von Berufspolitikern vertreten werden, welche in erster Linie auf eine gelingende Karriere hinarbeiten. Zudem sind eben diese Berufspolitiker meist Mitglieder der herrschenden Klasse oder von ihr abhängig.
Des weiteren stammen Informationen, welche die Politik nutzt, zum Teil von Think Tanks, deren ideologische Richtung ebenfalls unter dem Einfluss der herrschenden Klasse steht. Die herrschende Klasse der Kapitalisten ist bestrebt, ihr eigenes Kapital zu vermehren. Durch den Einfluss auf die Politik ist sie in der Lage, politische Entscheidungen und Mechanismen dahingehend zu beeinflussen, dass eben dieses Wachstum von Kapital nicht durch Gesetze eingeschränkt wird.
Einfluss des Kapitalismus auf die soziale Struktur
Wie bereits erwähnt, unterteilt der Kapitalismus unsere Gesellschaft in zwei Klassen: Personen mit und Personen ohne Kapital (vgl. Rehbein 2021: 61). Neben den ökonomischen existieren jedoch zudem die sozialen Klassen, welche von ersteren abgegrenzt werden müssen (ebd.). In Deutschland können wir vier soziale Klassen voneinander abtrennen: ganz unten sind die Marginalisierten, es folgen die Kämpfer, danach die Etablierten und schließlich, ganz oben, befinden sich die Enthobenen (vgl. Rehbein 2021: 69).
Die Enthobenen können als Kapitalisten oder als die herrschende Klasse verstanden werden (vgl. Rehbein 2021: 70). Wir haben bereits herausgearbeitet, dass die herrschende Klasse über immense Macht und einige Privilegien innerhalb unserer Gesellschaft verfügt. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass ein gesamtgesellschaftlicher Drang besteht, in eben diese soziale Klasse aufzusteigen. Geld kann hierbei als ein Mittel definiert werden, um in eine höhere Klasse aufzusteigen.
Für ökonomische Klassen mag das zutreffen, nicht aber für die sozialen (vgl. Rehbein 2021: 64). Dies kommt daher, dass für eine Mitgliedschaft in einer bestimmten sozialen Klasse mehr dazugehört als lediglich Geld (vgl. Rehbein 2021: 65). Neben ökonomischen Faktoren spielen hierbei die Bildung, Kulturgüter, Umgangsformen und Sprache eine wichtige Rolle, welche der Soziologe Pierre Bourdieu als „kulturelles Kapital“ bezeichnet (vgl. Bourdieu 1982 zit. nach Rehbein 2021: 65).
Außerdem spielen auch soziale Kontakte zu anderen Personen eine Rolle (ebd.), diese befinden sich üblicherweise in derselben sozialen Klasse wie man selbst. Eine Person, die sich in der untersten Klasse der Marginalisierten befindet und plötzlich im Lotto 10 Millionen Euro gewinnt, wird dadurch nicht automatisch zu der sozialen Klasse der Enthoben aufsteigen, da kulturelles und soziales Kapital fehlen.
Diese Tatsache bleibt den meisten Menschen aber verborgen, unser gesellschaftliches Bild bedient das Narrativ einer meritokratischen Gesellschaft, in der jede Person alles erreichen und aufsteigen kann, wenn sie sich nur genügend anstrengt. Durch diese Erzählung werden Menschen ohne Kapital zur Arbeit angetrieben, durch welche finanzielles Wachstum erreicht werden soll. Es besteht der Gedanke: „Wenn ich mich nur genügend anstrenge und fleißig arbeite, dann kann ich auch irgendwann zur herrschenden Klasse gehören.“
Unter anderem auf diesem Mechanismus gründet der Wachstumsgedanke, welcher im Fokus des nächsten Abschnitts steht. Vorerst halten wir fest: Die herrschende Klasse ist die oberste gesellschaftliche Schicht, es besteht ein Drang, in diese aufzusteigen. Ökonomische Klassen müssen von sozialen abgegrenzt werden, zu deren Zugehörigkeit neben finanziellen Faktoren soziales und kulturelles Kapital nötig ist. Diese Tatsache wird oft nicht gesehen, es besteht das meritokratische Narrativ, wodurch (unter anderem) der Wachstumsgedanke innerhalb des Kapitalismus entsteht.
Wachstum
Wir kommen nun zu einem Thema, welches maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich ist. Nachdem wir im vorherigen Punkt untersucht hatten, wie das System des Kapitalismus funktioniert und wie es auf Politik und soziale Struktur Einfluss nehmen kann, beschäftigt sich der nun folgende Teil der Arbeit mit einem Aspekt, der im Kapitalismus omnipräsent ist und unser Handeln maßgeblich bestimmt, nämlich dem Wachstumsgedanken.
Was ist Wachstum?
Wenn von Wachstum die Rede ist, ist damit gemeint, dass ein Zustand in der Zukunft durch ein „Mehr“ eines Aspektes im Vergleich zum Zustand in der Gegenwart charakterisiert ist (vgl. Welzer 2015: 25). Wenn wir den Zustand beispielsweise als ein Einkommen definieren, soll in der Zukunft mehr Einkommen vorhanden sein als in der Gegenwart. Betrachten wir ein Unternehmen, das Smartphones verkauft, und wird der Zustand als Verkaufszahl definiert, so möchte das Unternehmen am besten morgen schon mehr verkaufen als heute.
Hier lässt sich die Verbindung zum Kapitalismus erkennen, in welchem Kapitalisten ihr Kapital stetig vergrößern möchten und Menschen ohne Kapital versuchen, durch eine Anhäufung ihres Geldes gesellschaftlich aufzusteigen. Wir können die Omnipräsenz des Wachstumsgedanken gut nachvollziehen, wenn wir die Website eines Unternehmens besuchen, das versucht, seine Produkte an den Mann zu bringen. Schauen wir uns dazu einmal die offizielle Website von Apple an.
Direkt fällt das iPhone 13 mit seinen Features ins Auge, welche ästhetisch in Szene gesetzt werden (vgl. Apple 2022). Beworben wird das deutlich leistungsstärkere Kamera-System, der noch größere Displaybereich und schließlich auch die Batterielaufzeit, die noch nie in irgendeinem iPhone so gut gewesen sei (ebd.). In allen diesen Werbeversprechen verbirgt sich der Wachstumsgedanke, welcher die Kunden massenweise dazu bringt, das neue iPhone zu kaufen, das so viel mehr hat als alle iPhones zuvor.
Doch der Drang zum Wachstum betrifft nicht nur Verkaufszahlen, Einkommen, Kapital oder Geld, sondern dringt bis in die Psyche der Menschen ein (vgl. Welzer 2015: 28). Er bewirkt, dass der Mensch mit allem, was er macht, niemals fertig wird, alles ist immer nur die Vorstufe eines Zustandes, der in der Zukunft noch besser und effizienter werden muss (ebd.).
„Auch das Selbst wird zu einer kontinuierlichen Entwicklungsaufgabe mit festgelegten Stufen und Zielen - der biographische Erfolg wird messbar" (Welzer 2015: 29).
Deutlich wird dies, wenn wir bei einer Bewerbung einen Lebenslauf abgeben, in welchem wir Schritt für Schritt angeben, was und wann wir im Leben bereits erreicht haben. Dieser Lebenslauf soll in der Zukunft verbessert werden durch einen Zuwachs an Bildung, Kompetenzen, einem noch besseren Beruf. Dieser Zwang zur Selbstoptimierung wird dabei erst durch das meritokratische Narrativ, nach welchem jeder alles erreichen kann, ermöglicht. In einer Gesellschaft, in der ein Aufstieg prinzipiell unmöglich erscheint, braucht man sich nicht optimieren, weil es keinen Effekt hätte. Der Künstler „Kontra K“ beschreibt diesen Zwang in seinem Lied „Hände weg“ auf deutliche Weise:
„Alles Teil der Nahrungskette, jeder frisst sich hoch; Und kommen wir fett genug da oben an, dann frisst uns der Tod; Aus einem Fahrrad wird ein Auto, nach dem Auto Haus und Hof; Aus einem Cent eine Million, aber dein Nachbar hat ein Boot“ (Kontra K 2017).
Wachstum kann also als ein Zuwachs einer Eigenschaft verstanden werden, nach welchem sowohl Kapitalisten als auch Personen ohne Kapital streben. Während Kapitalisten also immer mehr verkaufen wollen, möchten Menschen ohne Kapital immer mehr von diesen Produkten erwerben. Der Wachstumsgedanke dringt bis in die Psyche der Menschen ein und bewirkt dabei einen Drang zur Selbstoptimierung.
Woher kommt der Wachstumsgedanke?
Nachdem nun geklärt wurde, was Wachstum ist und wie es sich auswirkt, beschäftigt sich der nun folgende Teil der Arbeit mit der Frage, woher der Wachstumsgedanke stammt und was Menschen versuchen, mit der Realisierung des Wachstums zu erreichen. Dabei wird auf die Resonanztheorie von Hartmut Rosa Bezug genommen, welche unter anderem aussagt, dass die Moderne als soziale Formation kulturell sowie strukturell auf die Vergrößerung der Reichweite von Welt ausgelegt ist (vgl. Rosa 2019: 11).
Was ist mit einer Vergrößerung der Weltreichweite gemeint? Es bedeutet, unsere Motivation zu handeln und unser Leben in einer gewissen Art und Weise zu gestalten, basiert auf der Annahme, dass „die Ausdehnung unserer kognitiven, technischen, ökonomischen, sozialen und auch politischen Reichweite den Maßstab für die Qualität des Lebens, für ein gelingendes Leben schlechthin darstellt“ (Rosa 2019:11).
Wir tragen also den Glauben in uns, dass wenn wir schlauer werden, technisch mehr erreichen können, mehr Freunde haben und politisch mehr verstehen und partizipieren, glücklicher werden. Kurzum: Alle Bereiche des Lebens müssen kontinuierlich gesteigert werden, es darf nicht zum Stillstand kommen, denn nur mit stetigem Wachstum, so glaubt es der Mensch zumindest, wird Glück ermöglicht. Hartmut Rosa geht sogar soweit, dass er mit dem Begriff der „dynamischen Stabilisierung“ postuliert, moderne Gesellschaften müssen, um ihre Struktur erhalten zu können, auf Wachstum, Innovationsverdichtung und Beschleunigung setzen, weil sie ansonsten nicht bestehen könnten (vgl. Rosa 2019: 12f.).
Geld wird hierbei als Mittel gesehen, dieses Wachstum bzw. die Weltreichweite möglich zu machen (vgl. Rosa 2019: 11). Mit Geld können wir uns zum Beispiel das bereits erwähnte iPhone 13 Pro kaufen, welches unsere Weltreichweite größer werden lässt. Auf einmal haben wir alle unsere Freunde immer und überall in der Hosentasche dabei und damit nicht genug: Wir können jederzeit die Nachrichten des Tages abrufen, sind immer bestens informiert, können jedes noch so abwegige Thema im Internet nachschlagen.
Bricht man alle zuvor genannten Werbeversprechen des Konzerns auf eine essenzielle Aussage herunter, so lautet diese: Kaufe dieses Produkt, dann bist du glücklich. Ob Glück auf diesem Weg gesichert werden kann, ist sicherlich mehr als fraglich. Hartmut Rosa spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die zunehmend erreichbare Welt durch eben diesen Prozess zurückzuweichen scheint, sich also viel mehr entfremdet als sich uns aneignet (vgl. Rosa 2019:13).
Das bedeutet: Subjektives Glück durch Wachstum ist eine Illusion, aber eine so starke, dass sie innerhalb unserer Gesellschaft dennoch bestehen bleibt. Die vollständige Resonanztheorie von Hartmut Rosa hier zu erläutern, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Es ist daher zunächst essenziell festzuhalten, dass sich der Wachstumsgedanke durch den Versuch begründet, mehr Welt durch stetiges Wachstum erreichbar zu machen und damit ein glückliches Leben zu führen.
Auswirkungen auf den Klimawandel
Bisher waren der Kapitalismus und damit verbunden der Wachstumsgedanke Bestandteil dieser Arbeit. Im nun folgenden Abschnitt wird näher untersucht, wie sich diese auf zwei Ebenen auf die Bekämpfung des Klimawandels auswirken. Die erste Ebene ist dabei die Gesellschaftsgruppe ohne Kapital, die Konsumenten. Diese bilden eine Konsumgesellschaft und werden im folgenden Abschnitt untersucht. Anschließend wird sie Seite der Kapitalisten bzw. die der Unternehmen näher beleuchtet.
Konsumgesellschaft
Durch die Struktur und Funktionsweise des Kapitalismus ist eine Konsumgesellschaft entstanden, welche sich durch die Norm auszeichnet, immer mehr Güter zu erwerben. Man könnte sagen, das stetige Wachstum bezieht sich innerhalb der Konsumgesellschaft darauf, immer mehr zu kaufen. Davon ist dann wiederum das Wachstum des Unternehmens abhängig, welches auf den Profit durch den Verkauf seiner Güter angewiesen ist. Der hohe Drang zu konsumieren, kann als ein Symptom des Kapitalismus verstanden werden, welcher dann wiederum den Klimawandel zur Folge hat.
„Der Spätkapitalismus lehrt uns, uns durch unsere Konsumentscheidungen selbst zu erschaffen: Durch Anschaffungen finden wir unsere Identität, finden wir Gesellschaft und drücken wir uns aus. Wenn man den Menschen nun sagt, dass sie nicht so viel kaufen können, wie sie möchten, weil die Versorgungssysteme des Planeten überlastet sind, so kann dies als eine Art Angriff verstanden werden - so als sage man ihnen, sie dürften nicht länger sie selbst sein“ (Klein 2015: 21).
Schauen wir uns dazu noch einmal die Resonanztheorie von Hartmut Rosa an, welche erklärt, wie es überhaupt zum Wachstumsgedanken gekommen ist. Die Vergrößerung der Reichweite von Welt wird in der Konsumgesellschaft damit erreicht, dass immer mehr gekauft und konsumiert wird. Damit möchte der Konsument sich ein glückliches Leben sichern (vgl. Rosa 2019: 11). Der Konsum kann also als eine höchst persönliche Tätigkeit gesehen werden und die Forderung, darauf zu verzichten, somit als ein Angriff auf die eigene Identität.
Wie bereits erläutert wurde, besteht innerhalb des Kapitalismus das Narrativ einer meritokratischen Gesellschaft. Das bedeutet, es besteht der Glaube, jede Person kann in jede soziale und ökonomische Schicht der Gesellschaft aufsteigen, wenn sie sich nur genügend anstrengt. Da ein Aufsteigen in eine höhere gesellschaftliche Schicht angestrebt wird, kann der Erwerb bzw. der Konsum von Gütern als Statussymbol verwendet werden, zu einer bestimmten Klasse zu gehören.
Wer sich beispielsweise eine Rolex kauft, möchte damit nicht nur die Uhrzeit feststellen, sondern vor allem ausdrücken: „Ich kann mir diese Uhr leisten! Ich verdiene gutes Geld, ich gehöre zu einer hohen sozialen Schicht“. Auch hier wird wieder deutlich, wie persönlich der Konsum verstanden wird. Der eigentliche Zweck der Uhr spielt keine Rolle, das Produkt wird zum Statussymbol für den persönlichen Erfolg umfunktioniert.
Das kann die Begründung dafür sein, warum es vielen Menschen so schwer fällt, einmal nicht die allerneusten Sneaker zu besitzen oder sich das neue iPhone zu kaufen, was für die Bekämpfung des Klimawandels jedoch sehr nützlich wäre. Ein weiterer Aspekt, welcher den Konsum noch dazu anheizt, ist die geplante Obsoleszenz, die viele Unternehmen einsetzen.
„Der Begriff der geplanten Obsoleszenz wird in der Wirtschaft und im Industriedesign gebraucht und bezeichnet die einem Produkt innewohnende oder eingebaute Eigenschaft, die es vorzeitig altern lässt oder gar unbenutzbar macht“ (Reuß/ Dannoritzer 2015: 61).
Wenn also die neu gekauften Sneaker nach einigen Monaten bereits Löcher haben, so kann es gut sein, dass das Unternehmen dies so beabsichtigt hat. Es darf nicht vergessen werden: Das Unternehmen möchte wachsen und sein Kapital vermehren! Die Kombination aus geplanter Obsoleszenz und einer Gesellschaft, die Konsum zu einem höchst persönlichen Aspekt des Lebens macht, bewirkt zwar einen beträchtlichen Umsatz, aber auch einen enormen Ressourcenverbrauch und damit verbunden deutliche Folgen für Mensch und Natur (vgl. Reuß/ Dannoritzer 2015: 61).
Zu Beginn der Arbeit wurde bereits erwähnt, dass die Ausnutzung von Ressourcen ein Mittel ist, um Kapital zu vermehren. Diese Art der Kapitalvermehrung hat jedoch beträchtliche Folgen für die Umwelt (ebd.). Zum einen entsteht dadurch eine beträchtliche Menge an Müll, welche in Entwicklungsländern wie Ghana abgeladen wird (vgl. Reuß/ Dannoritzer 2015: 65), zum anderen wird durch die enorme Produktion an Gütern aller Art auch eine große Menge an CO2 ausgestoßen (vgl. Reuß/ Dannoritzer 2015: 68f.).
So verursachten Mobilfunkgeräte in Deutschland im Jahr 2007 mehr CO2 als der gesamte Flugverkehr (ebd.). Des weiteren werden für die Produktion von Handys kiloweise Erde bewegt und dazu mit giftigen Substanzen wie Quecksilber oder Zyanid behandelt, um das benötigte Gold zu gewinnen (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, zit. nach Reuß/ Dannoritzer 2015: 69). An der Stelle kann jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Konzern Apple sich inzwischen das Ziel gesetzt hat, bis 2030 klimaneutral zu werden und seine CO2-Emissionen im Vergleich zum Jahr 2015 um 75% zu senken (vgl. Apple 2020). Aus welcher Motivation der Konzern handelt, bleibt jedoch offen. Zumindest möglich erscheint die Vermutung, man wolle damit das Gewissen der Kunden beruhigen und somit noch mehr Produkte verkaufen.
Doch nicht nur die Produktion und der Konsum von Smartphones ist in diesem Zusammenhang problematisch, denn das Phänomen des übermäßigen Konsums kann auf verschiedene Bereiche bezogen werden. Betrachten wir dazu einmal die Modebranche. Auch in diesem Bereich wird die Dauer, nach welcher ein Produkt neu gekauft wird, immer geringer. ´Dieses Phänomen kann als „Fast Fashion“ beschrieben werden und entwickelte sich seit den 1980er Jahren, in welchen es möglich wurde, schneller auf die Bedürfnisse der Kunden zu reagieren (vgl. Less Emissions 2022).
Fast Fashion ist „ein schnelles Geschäft mir Risiken und Nebenwirkungen: Der Natur werden Unmengen an Rohstoffen entzogen, Umwelt und menschliche Gesundheit nehmen - beispielsweise durch giftige Chemikalien - Schaden. Die Herstellung von Fast Fashion findet zudem oft unter menschenunwürdigen Bedingungen statt“ (Cobbing/ Vicaire 2017: 3).
Der enorme Bedarf an ständig neuer Kleidung verschmutzt nicht nur unsere Umwelt, sondern wirkt sich auch negativ auf das Klima aus (vgl. Buckhardt 2020: 1). Die Treibhausgasemissionen, darunter auch Lachgas, entstehen dabei durch den Einsatz von Chemikalien wie Düngemittel, Pestizide und Farbstoffen, aber auch durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern, welche für die Produktion und den Transport notwendig ist (vgl. Buckhardt 2020: 2). Insgesamt verursacht die Bekleidungsindustrie jährlich 4 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß (vgl. Buckhardt 2020:1).
Halten wir hierzu also fest, dass der Kapitalismus eine Konsumgesellschaft hervorgebracht hat, in welcher der Konsum von Gütern als eine persönliche Angelegenheit begriffen wird und der verlangte Verzicht somit als ein Angriff auf die eigene Identität. Durch das meritokratische Narrativ und die geplante Obsoleszenz wird der Konsum enorm in die Höhe getrieben, als Beispiele kann man hierzu den Verbrauch von Smartphones und Kleidung betrachten. Die Folgen dieser Mechanismen sind große Mengen an Müll und Treibhausgasen.
Die Seite der Unternehmen
Wie bereits zuvor festgehalten, zeichnet sich der Wachstumsgedanke auf der Seite der Kapitalisten durch den Versuch aus, Kapital anzuhäufen. Dieser Versuch seitens der Kapitalisten wird deshalb umso brisanter, da Kapitalisten die herrschende Klasse bilden, sich somit in einer Machtposition befinden und dadurch Einfluss auf das politische Geschehen nehmen können. Schauen wir uns dazu die Welthandelsorganisation (WTO) und ihren politischen Einfluss an.
„Ziele der WTO sind eine größtmögliche Transparenz der Handelspolitiken seiner Mitglieder, die Vereinbarung, Einhaltung und Überwachung der gemeinsamen multilateralen Handelsregeln sowie die fortwährende Liberalisierung des Welthandels durch Senkung / Abschaffung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen sowie der Vereinfachung der Zollverfahren, die letztlich zur Stärkung der Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit führen sollen“ (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 2022).
Die WTO möchte den internationalen Handel also vereinfachen, damit die Wirtschaft gestärkt wird und Wachstum erreicht bzw. gesteigert werden kann. Anfang des Jahres 2017 zählte die WTO 164 Mitglieder, ein Großteil der internationalen Gemeinschaft beteiligt sich also an der Organisation und ist demnach verpflichtet, sich an entsprechende Regeln zu halten (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2017). Der Wachstumsgedanke auf Seiten der Kapitalisten bewirkt nun, dass der Handel (für diesen setzt sich die WTO ein) der Bekämpfung des Klimawandels vorgezogen wird. Und diese Bevorzugung wird wirkungsvoll, da sich die Mitgliedstaaten an die Grundsätze der WTO halten müssen.
Als Beispiel eines solchen Grundsatzes kann die Inländerbehandlung der WTO betrachtet werden, welche als eine Kernklausel fast aller Freihandelsabkommen betrachtet werden kann (vgl. Klein 2015: 91). Dieses Prinzip besagt, dass Regierungen Güter aus einheimischen Firmen nicht solchen aus ausländischen Firmen bevorzugen dürfen (ebd.). Der Grundsatz der Inländerbehandlung wurde beispielsweise dem Unternehmen „Silfab Ontario“ zum Verhängnis, bei welchem es sich um eine kanadische Solarfabrik handelt (vgl. Klein 2015: 87). Silfab hatte zuvor auf den Standort in der kanadischen Provinz Ontario gesetzt, da diese einen Klimaschutzplan einführte, der vorsah, Ontario bis in das Jahr 2014 von der Kohlenergie unabhängig zu machen (vgl. Green Energy and Green Economy Act, zit. nach Klein 2015: 88).
„Das Gesetz sah eine Einspeisevergütung vor, die Anbietern sauberer Energien langfristige Verträge für die Einspeisung ins Stromnetz mit garantierten Spitzenpreisen bot“ (Klein 2015: 88).
Unternehmen, die auf saubere Energieerzeugung setzten, wurden also durch die Gesetzgebung bewusst gefördert, so auch Silfab Ontario. Die Anbieter kamen jedoch nur dann in den Genuss dieser Vorteile, wenn sie einen Anteil von 40-60 Prozent ihrer Arbeitskräfte und Materialien aus Ontario bezogen (vgl. Ontario Power Authority, zit. nach Klein 2015: 89). Dadurch sollte der industrielle Sektor der Provinz gestärkt werden (vgl. Klein 2015: 89).
Doch gegen genau dieses Gesetz klagten bald Japan und die Europäische Union, da die Bevorzugung der lokalen Güter und Arbeitskräfte gegen die Regeln der WTO (Inländerbehandlung) verstießen (vgl. Klein 2015: 90). Die WTO entschied sich gegen Kanada und somit wurde das Gesetz hinfällig (ebd.). Dieses Beispiel macht deutlich, welche Wichtigkeit der Handel bei der Bekämpfung des Klimawandels global hat. Damit der Handel uneingeschränkt weiterlaufen kann, musste hierbei die Bekämpfung des Klimawandels zurückgestellt werden.
Des weiteren kann in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass auch Unternehmen selbst Kläger werden können, wenn sie sich durch aufkommende oder aber auch bereits etablierte Gesetze benachteiligt fühlen. Durch die Struktur des Kapitalismus sind solche Unternehmen dann in der Lage, auf das politische Geschehen einzuwirken und Gesetze zu verhindern, welche das Wachstum einschränken und somit den Klimawandel bekämpfen würden. Dies war beispielsweise im Jahr 2012 der Fall, als ein Erdölkonzern mit Hilfe des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA Schritte einleitete, um gegen das Fracking-Moratorium der kanadischen Regierung vorzugehen (vgl. Klein 2020: 94).
„In einigen dieser Fälle mag es Regierungen gelingen, ihre Maßnahmen zur Emissionsminderung vor den Schiedsgerichten erfolgreich zu verteidigen. Aber allzu oft werden sie frühzeitig klein beigeben, weil sie nicht als Gegner des Freihandels dastehen wollen“ (…) (Klein 2020: 94).
Die Fixierung auf die Vermehrung des Kapitals und die gleichzeitige Machtposition von Kapitalisten verhindert also eine wirksame Bekämpfung klimaschädlicher Aktivitäten seitens der Unternehmen.
Fazit
Der Klimawandel kann als Problem nicht isoliert betrachtet oder gelöst werden, da er mit dem Kapitalismus, dem Wachstumsgedanken und unseren Werten bzw. unserer Art zu leben verwoben ist. Um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen, müssten all diese Aspekte in unserem alltäglichen Leben geändert werden und dies ist ein langsamer Prozess.
Innerhalb des Kapitalismus bilden Menschen mit Kapital die herrschende Klasse und versuchen, ihr Kapital zu vermehren. Von Kapital ist die Rede, wenn das Eigentum gewinnbringend investiert wird und der Kapitalist von dem so erreichten Profit leben kann. Personen ohne Kapital verdienen ihren Lebensunterhalt durch Arbeit in Abhängigkeit von den Kapitalisten.
Die herrschende Klasse kann auf politische Aspekte Einfluss nehmen und somit Prozesse verhindern, die den Kapitalzuwachs hemmen würden. Des weiteren bildet die herrschende Klasse die oberste gesellschaftliche Schicht, durch das meritokratische Narrativ besteht der gesellschaftliche Glaube, durch eine Anhäufung an Geldmitteln in eben diese aufsteigen zu können. Dadurch entsteht ein Drang, Geld anzuhäufen, Menschen werden dadurch zur Arbeit angetrieben.
Auf beiden Seiten, Kapitalisten und Personen ohne Kapital, besteht ein Wachstumsgedanke, welcher Kapitalisten dazu bringt, immer mehr zu verkaufen und zu produzieren. Personen ohne Kapital werden hingegen durch den Wachstumsgedanken zu immer höherem Konsum angetrieben. Begründen lässt sich der Wachstumsgedanke in Hartmut Rosas Resonanztheorie, nach welcher Menschen durch Wachstum mehr Welt erreichbar machen möchten, um sich ein glückliches Leben zu sichern.
Der Drang zum Wachstum beeinflusst auf beiden Seiten der Gesellschaft die Bekämpfung des Klimawandels. Personen ohne Kapital bewirken durch den enorm hohen Konsum von beispielsweise Smartphones oder Kleidung große Mengen von Müll und Treibhausgasen. Auf Seite der Kapitalisten verhindert deren Machtposition und ihre gleichzeitige Fixierung auf Gewinnmaximierung eine Bekämpfung des Klimawandels.
Beide Gruppen realisieren Wachstum also auf unterschiedliche Weise: Zum einen durch Konsum und zum anderen durch Produktion und Verkauf. Im Effekt bewirkt dieser Mechanismus einen enormen Ressourcenverbrauch und anhaltende Umweltverschmutzung. Zudem geraten immense Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre, die zur Erwärmung der Erde beitragen.
Somit wurde gezeigt: Der Kapitalismus teilt die Gesellschaft in Konsumenten und Kapitalisten auf. Der Wachstumsgedanke drückt sich auf der einen Seite durch steigenden Konsum aus, auf der anderen durch eine Erhöhung der Produktion. Beide Mechanismen bewirken in der Konsequenz den Klimawandel.
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