Unsere Gesellschaft ist mittlerweile so sehr darauf konditioniert, günstige Lebensmittel zur Verfügung gestellt zu bekommen, dass sich die Wertschätzung im Preis kaum mehr widerspiegelt. Ganz nach dem Motto "Immer viel und immer günstig" werden die Regale und Theken der Discounter leergefegt.
Doch wie so oft, wenn Menschen sich ihrer blinden Gier hingeben, entstehen auch Gegenbewegungen, die uns einen Ausweg bieten. Dieser Blog-Beitrag soll nun drei Projekte aufzeigen, die sich in unserer unmittelbaren Nähe für einen nachhaltigen, fairen und wertschätzenden Konsum einsetzen und somit den Realitätsverlust in Bezug auf Lebensmittel mildern helfen.
Solidarische Landwirtschaft (kurz: SoLaWi)
Viele Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, müssen aufgrund niedriger Preise um das Überleben ihrer Höfe kämpfen, da der ökologische Anbau unter hohem Marktdruck steht. Zudem sehen sie sich oft vor die Wahl gestellt, entweder sich oder die Natur auszubeuten.
Die Solidarische Landwirtschaft ist ein Beispiel dafür, wie nachhaltig, wertschätzend und vor allem solidarisch gewirtschaftet und konsumiert werden kann, und bietet somit eine regionale, saisonale und gerechtere Alternative zum gewohnten Gang in den Supermarkt. Bei SoLaWi geht es jedoch nicht nur darum, dass frische Nahrungsmittel erzeugt werden, sondern auch eine vielfältige, bäuerliche Landwirtschaft erhalten bleibt. Dabei steht, wie schon im Namen mit inbegriffen, vor allem die Solidarität im Vordergrund.
Ein großer Unterschied zur herkömmlichen Landwirtschaft stellt die Finanzierung dar, denn die Lebensmittel werden nicht über den Markt vertrieben. Bei SoLaWi schließen sich Erzeuger*innen und Verbraucher*innen zusammen, wobei letztere mitfinanzieren und auch mitorganisieren.
Auf der einen Seite erhalten die Verbraucher*innen frische Nahrungsmittel, gewinnen Transparenz über Kosten und Anbau und fördern zugleich die regionale Nachhaltigkeit. Auf der anderen Seite erhalten die Erzeuger*innen ein gesichertes Einkommen und somit die Möglichkeit, in finanzieller Sicherheit zu produzieren und dabei rücksichtsvoll und nachhaltig mit der Umwelt, den genutzten Flächen und ihren Beschäftigten umzugehen.
Wer gerne noch mehr über SoLaWi erfahren möchte, findet dazu weitere Informationen auf deren Homepage und zahlreiche interessante Berichte auf YouTube. Anlaufstellen in der Umgebung befinden sich z.B. in Stuttgart, Schwäbisch Hall, Esslingen oder bei Lauffen a.N.
Raupe Immersatt
Die Zahl 313 verdeutlicht, wie weit es mittlerweile durch unseren gnadenlosen Konsum gekommen ist: denn 313 Kilo genießbare Nahrungsmittel landen laut einer Studie des WWF pro Sekunde in deutschen Mülltonnen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass derzeit jährlich 2,6 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche völlig umsonst bewirtschaftet wird. Das erschreckendste daran ist, dass diese Lebensmittelverschwendung durch die einfachsten Mittel vermeidbar wären. Korrekte Nahrungsmittellagerung oder ein bewussterer Einkauf könnten hier schon eine Menge bewegen.
Aus diesem Grund haben sich fünf Menschen ein Herz gefasst und das erste Food-Sharing-Café Deutschlands in Stuttgart eröffnet, um einen Teil dieser Lebensmittel zu retten. Viel Herzblut haben die fünf Gründer*innen in ihr Projekt „Raupe Immersatt“ gesteckt. Doch nicht nur sie, auch zahlreiche Unterstützer*innen spendeten Geld, Mobiliar oder technische Ausstattung.
Doch wie funktioniert das Food-Sharing-Café? Rund 1500 ehrenamtliche Helfer*innen trommeln jeden Tag den Großteil des Essens für das Café zusammen. So findet sich schließlich eine vielseitige Auswahl an Backwaren, Süßigkeiten, Müsli, Obst und Gemüse wieder. Die Lebensmittel stammen aus über 90 Bäckereien, Kantinen oder Supermärkten und wären hier sonst auf dem Müll gelandet. Die „Raupe Immersatt“ ist dann eine von acht Stationen in Stuttgart, die einen Teil der geretteten Lebensmittel erhält. Bevor die Lebensmittel in die Regale und auf den Tellern landen, wandern sie erstmal in die Küche und werden dort auf ihren Zustand überprüft.
Da die Lebensmittel im Café kostenlos sein sollen, finanziert sich die „Raupe Immersatt“ über den Verkauf von biologischen, nachhaltigen und regionalen Getränken. Da die Kund*innen hier selbst entscheiden sollen, was ihnen der Besuch wert ist, gibt es keinen Festpreis für die Getränke. Die einen zahlen einen Euro für ihren Kaffee und die anderen 50. So kann jeder/jede einen ganz individuellen Beitrag für die Wertschätzung von Lebensmitteln beisteuern.
Die "Raupe Immersatt" steht für einen gemeinsamen, wertschätzenden und bewussten Umgang mit Nahrung. Auch hier gibt es für Interessierte ein passendes Video mit den wichtigsten Informationen.
Marktschwärmer
Der klassische Wochenmarkt weckt in vielerlei Hinsicht bei so manch einem romantische Gefühle. Man denkt vielleicht an Altstadt-Flair, Sonnenschein und reges Treiben. Das rege Treiben bleibt in diesen Tag jedoch häufig aus. Die Zahl der klassischen Wochenmärkte nimmt in Deutschland von Jahr zu Jahr ab und stetig sinkende Umsätze sowie preiswertere Angebote der Discounter führen zu einem drastischen Rückgang von Händlern (vgl. Handelsblatt). Aus Frankreich hat sich jedoch ein Trend auf den Weg gemacht, der mittlerweile auch unsere Kreise erreicht hat.
„Food Assembly“ heißt die neue Alternative und verknüpft digitale Lösungen mit dem klassischen Konzept der Wochenmärkte – so sind in Deutschland bisher rund 70 Online-Offline-Märkte entstanden. Die in Deutschland so genannten „Marktschwärmer“ sind Sammelstellen, z.B. bei Gastgebern auf Landhöfen oder auch in Markthallen. Die Verbraucher*innen können hier über eine App die Ware direkt bei ihrem/ihrer regionalen Erzeuger*in bestellen und diese in einem festgelegten Zeitfenster an der Sammelstelle abholen. Der Vorteil für die Erzeuger*innen ist, dass sie selbst entscheiden können, welche Preise für ihre Erzeugnisse fair sind und diese festsetzen. 10 Prozent des Umsatzes geht dann an die Marktschwärmer-Plattform, sowie 8 Prozent an die Gastgeber.
Die Marktschwärmer nutzen hier die komfortablen Möglichkeiten der digitalen Medien, um den Wochenmarkt zukunftssicher zu machen. Wir sehen also moderne Bezahlmöglichkeiten, digitales Netzwerken, aber auch Gedanken der Nachhaltigkeit und Fairness an Beispielen wie der Regionalität und der fairen Bepreisung miteinander vereint. Eine einfache Möglichkeit, um als Privatperson an der Agrarwende mitzuwirken.
Auch im Landkreis Ludwigsburg soll es bald eine Marktschwärmerei geben. In Bietigheim-Bissingen findet zur Zeit ein Aufbau statt. Auch hierzu könnt ihr weitere Informationen auf der Homepage oder passende Berichte auf YouTube finden.
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