Donnerstag, 21. Mai 2020

Wachstumsdenken - Versuch einer Bilanz

Hinsichtlich der Thematik "Wachstum in den Köpfen - kulturelle Prägungen" (3. Sitzung, 12.05.20) soll nun eine Bilanz zu den Texten von Naomi Klein und Harald Welzer folgen. Dazu ziehen wir (Tahira Schierle, Mareike Gebauer und Felicitas Boneberger) u.a. die gemeinsame Ausarbeitung aus unserem Arbeitsauftrag hinzu.

Harald Welzer: Wie das Wachstum in die Köpfe kam

Welzers Vorstellungen vom grenzenlosen Wachstum: Seit der Industrialisierung leben wir in einem System, in dem unablässig für die Herstellung einer unendlichen Reihe von Produkten gearbeitet wird. Im Fokus der Produktion stehen die Verbesserung und Erweiterung der Produktpalette zur ununterbrochenen Gewinnung von Mehrwert. Hierfür wird die Arbeit als Zweck verstanden, um Produkte als Mittel zum Zweck herzustellen. Aufgrund des unendlichen Wachstums ist der Arbeitsprozess niemals abgeschlossen, wodurch kein Zweck je erreicht wird. Daraus resultiert eine nie endende Produktion von Wachstum bzw. ein nie endendes Wachstum von Produktion.

Auch in Bezug auf das lebenslange Lernen ist der homo oeconomicus niemals fertig. Die Vorstellung, dass der zukünftige Zustand ein „Mehr” gegenüber der Gegenwart bedeuten muss, hat sich während diesem Prozess in unserem Denken und Handeln festgesetzt. Daraus bildete sich eine Mentalität des “Niemals-fertig-seins”. Aus diesen Kategorien konstruiert der Mensch einen individuellen Lebenslauf mit dem Ziel, so viel wie möglich aus der verfügbaren Zeit und den verfügbaren Ressourcen auszuschöpfen und nichts zu verpassen - ein „Immer-besser-weiter-höher-mehr”.

Dieses Wachstumskonzept ist längst fest in der menschlichen (Selbst-)Vorstellung verankert. Der Mensch steckt tief im Selbstzwang, so viel Welt wie nur möglich zu ergreifen. Was dabei aus dem Bewusstsein verschwindet - die Gegenwart.

Naomi Klein: Machen wir Halt: Der Kampf unseres Lebens

Naomi Klein hebt in ihrem Artikel die Inkongruenz des Konsumverhaltens mit dem Klimawandel hervor. Als es in den 1980er Jahren an der Zeit war, den Konsum einzuschränken, bemächtigte sich das Konsumdenken bereits sämtlicher Lebensbereiche. In der modernen Gesellschaft werden Identitäten durch Anschaffungen gebildet. Was zur Folge hat, dass die Menschheit kontinuierlich weiter und mehr konsumiert. Eine Änderung des Konsumverhaltens wird als Angriff auf das Selbst aufgefasst.

Beobachtungsinstrumente, die von der Realität des Klimawandels überzeugen könnten, fehlen. Erlebt werden gefüllte Supermarktregale, obwohl die heimischen Äcker nur noch schwer bewirtschaftet werden können. Dies suggeriert, dass ein Unterlassen unnötig erscheint und weitergemacht werden kann wie gewohnt, da sich die Probleme weit außerhalb der eigenen Reichweite befinden.

Ein „weg” wird dabei vielmehr mit „gut” assoziiert, was sich im Umgang mit Dingen, die nicht mehr benötigt werden, erweist. Im „Weg” scheint es nur einen einzigen Leitgedanken zu geben („Hauptsache in die richtige Tonne”). Weicht das Abfallprodukt aus den Augen, so scheint es ab dem Moment des Wegwerfens auch dem Sinn zu entweichen, obwohl es sich nach wie vor auf dem Planeten befindet.

Mit dem Hinweis auf die drei Rs (reduce, reuse, recycle) hebt Naomi Klein die Veränderungen hervor, die im menschlichen Konsumverhalten umgesetzt werden müssten, um den Klimawandel zu verlangsamen. Die Klimakatastrophe ist ein kollektives Problem, das kollektives Handeln erfordert. Für den einzelnen Menschen bedeutet dies konkret, das Reduzieren und Wiederverwenden von Dingen in den Fokus zu nehmen.

Wie bereits Harald Welzer beschrieb, haben wir die Gegenwart aus unserem Bewusstsein katapultiert. Dabei handelt es sich um etwas sehr Bedeutungsvolles. Wenn wir uns vertraut machen mit den Orten, die wir als Lebensräume nutzen, gewinnen wir an Vertrautheit mit den jeweiligen spezifischen Ökosystemen. In diesen können wir die Veränderungen durch den Klimawandel wahrnehmen und gelangen zu einem Verantwortungsbewusstsein, wodurch ein Überdenken unseres Verhaltens wahrscheinlicher wird.

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