Montag, 31. Oktober 2022

Globales Lernen in der Schule als Schlüssel für eine zukunftsfähige Welt?

1. Einleitung

„Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, es wäre nur deine Schuld, wenn sie so bleibt...“ (Die Ärzte 2004).

Globales Lernen nimmt für sich in Anspruch, die im Zitat angesprochene notwendige Veränderung der Welt mitzugestalten und zu einer globalen Transformation hinsichtlich Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit beizutragen. Diese Arbeit wird der Frage nachgehen, ob Globales Lernen in der Schule als Schlüssel für eine zukunftsfähige Welt gesehen werden kann: Kann man mit Bildung die Welt verändern?

Um die Fragen zu beantworten, wird zu Beginn der Begriff Globales Lernen, seine Herkunft und die Relevanz des Themas erklärt. Im dritten Kapitel wird der Bezug zu Schule erläutert. Dafür wird der von der Kultusministerkonferenz bereitgestellte Orientierungsrahmen für globale Entwicklung vorgestellt, auf den auch in den weiteren Kapiteln immer wieder Bezug genommen wird. Er bietet die Grundlage für die Arbeit.

Im vierten Kapitel geht es um die Auswirkungen auf den Unterricht. Es werden die neuen Anforderungen, wie zum Beispiel neue Inhalte, Ziele und veränderte Kompetenzen, dargestellt. An dieser Stelle soll auch ein kurzer Bezug zur schulischen politischen Bildung hergestellt werden, bevor die Leitfrage im Fazit der Arbeit aufgegriffen und beantwortet wird.

2. Globales Lernen

Zu Beginn stellt sich die Frage, was genau Globales Lernen ist, wo es seinen Ursprung hat, warum es notwendig ist und wie es begründet wird. Im nachfolgenden Kapitel werden daher die grundlegenden Informationen zum Globalen Lernen erläutert.

2.1 Definition und Herkunft

Der Begriff Globales Lernen sagt schon aus, dass es dabei um ein Lernen über die, in der und mit der globalen Welt geht. Es geht vorrangig um Lernprozesse im Horizont des Globalen (vgl. Lang-Wojtasik 2022, S. 12). Globales Lernen ist ein Bildungskonzept, das sich als pädagogische Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung aller Lebensbereiche versteht. Das Konzept ist eingebunden in eine Bildung für nachhaltige Entwicklung und versteht nachhaltige Entwicklung als eine kooperative globale Aufgabe. Ziel von globalem Lernen ist es, gemeinsame Möglichkeiten zu schaffen, um unsere Welt lebenswert zu erhalten. Dies funktioniert durch prozessorientiertes Lernen voneinander und mit Methoden mit einem ganzheitlichen Zugang zu weltweiten Zusammenhängen (vgl. Bildung trifft Entwicklung 2022).

Der Begriff Globales Lernen ist seit Beginn der neunziger Jahre vermehrt zu finden. Hier trat er im deutschsprachigen Raum auch erstmals auf. Der konzeptionelle Diskurs über ‚Global Education‘ oder ‚Global Learning‘ begann in den USA allerdings circa 20 Jahre früher als in Europa. Hier gibt es schon Definitionen seit 1976.

Das Globale Lernen geht auf unterschiedliche Strömungen zurück, die teilweise nacheinander, teilweise aber auch parallel abliefen. Eine dieser Strömungen ist die Dritte-Welt-Pädagogik, die ungefähr 1950 im Mittelpunkt der Debatten stand. Seitz schreibt hier:

„Der entwicklungspolitischen Bildung dieser Zeit kam vor allem die Aufgabe zu, in der Öffentlichkeit Verständnis und Unterstützung für das entwicklungspolitische Engagement von Staat, Kirche und nichtstaatlichen Hilfswerken zu wecken“ (Seitz 2022, S. 37).

Das Sprechen über Globales Lernen geht in Deutschland mit einer epochalen Wende einher. Das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland werden häufig mit dem „Jahrzehnt der Globalisierung“ (ebd.) gleichgesetzt. Globales Lernen, wie wir es heute kennen, ist damit nichts Neues, sondern eine veränderte Wahrnehmung der bisherigen weltweiten Entwicklungsherausforderungen.

Die Entwicklungsproblematik wird nun nicht mehr entlang der Ost-West-Grenze gesehen, sondern im Kontext der Globalisierungsdebatte universalisiert (vgl. ebd.). Verschiedene politische Konferenzen und Gipfel versuchen, Lösungen für neue globale Probleme und Herausforderungen zu finden. Zu nennen sind hier beispielsweise die Konferenz für Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992, der Weltsozialgipfel 1995 oder der Welternährungsgipfel 1996.

Zu den globalen Herausforderungen zählt in erster Linie auch der Klimawandel, der bereits 1990 im ersten veröffentlichten Weltklimabericht deutlich wird. Darin zeigt der Weltklimarat einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Treibhausgas-Emissionen und Klimaveränderungen. Dieser Bericht bildete die Grundlage für viele weitere Aktionen und eine Mobilisierung der Öffentlichkeit. Außerdem begann mit ihm der Einzug des Themas in die Schulen (vgl. ebd., S.33 f.). Auf der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 wurde ein Leitbild für nachhaltige Entwicklung entworfen, „das für Ost und West, Nord und Süd gleichermaßen gilt, und sich auch als Referenzrahmen jeglicher Bildung etabliert“ (Seitz 2022, S. 39).

2.2 Warum Globales Lernen?

Der Klimawandel ist Realität. Viele der heutigen Entscheidungen beeinflussen das zukünftige Klima. Und von diesen Entscheidungen sind daher nachfolgende Generationen abhängig. Da Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, erfordert eine Begrenzung des Klimawandels eine weitreichende Veränderung in allen der drei genannten Bereiche.

In der großen Klimadebatte gibt es einige Fakten, über die man sich weitestgehend einig ist. Dazu gehört grundlegend auch, dass der Mensch die Hauptursache des gegenwärtigen Klimawandels ist (vgl. DKK Deutsches Klima Konsortium et al. 2020). Mehr als die Hälfte der gesamten Treibhausgas-Emissionen, die seit der Industrialisierung in der Atmosphäre gelandet sind, wurden nach 1990 ausgestoßen. Ca. 85% aller ausgestoßenen Emissionen stammen aus der Zeit nach 1945, ein Großteil aus der Zeit nach 1990. Das zeigt, dass die Klimakatastrophe, die uns aktuell bevorsteht, innerhalb einer Generation entstanden ist, obwohl bereits in den neunziger Jahren die Ernsthaftigkeit der Lage von Wissenschaftlern erkannt wurde. Historisch gesehen sind die Industrieländer für fast 80% der CO2-Zunahme verantwortlich (vgl. Seitz 2022).

Der rasche Anstieg des Meeresspiegels bedroht viele Städte und Küsten auf der ganzen Welt. In den kommenden Jahren wird der Meeresspiegel noch drastischer ansteigen, wenn der Ausstoß der Emissionen ab sofort nicht stark gesenkt wird. Auch die Extremwetterereignisse mit unzähligen Todesopfern sind eine Folge des Klimawandels (vgl. DKK Deutsches Klima Konsortium et al. 2020). Eine Studie, die im Deutschen Ärzteblatt (vgl. Deutsches Ärzteblatt 2019, S. 522) erläutert wird, kam zu dem Ergebnis, dass Herzinfarkte öfters durch hohe Temperaturen ausgelöst werden und dass bei ungebremstem Klimawandel die Häufigkeit temperaturbedingter Herzinfarkte deutlich zunehmen wird. Die negativen Folgen der Erderwärmung überwiegen bei Weitem. Der Klimawandel bedeutet für die meisten Menschen auf der Erde eine Verschlechterung ihrer Lebensumstände, wobei auch immer wieder Akteure und auch die nördlicheren, wohlhabenderen Industriestaaten davon profitieren. Die negativen Auswirkungen betreffen daher die sowieso schon Benachteiligten am meisten.

Nicht nur die Zerstörung der Umwelt ist durch den Klimawandel und die globalen Veränderungen enorm. Auch ethische und wirtschaftliche Faktoren spielen eine Rolle für die Zunahme der Relevanz von Globalem Lernen in der Schule. Aus unserer europäischen Sicht sind das beispielweise der „Erhalt der Schöpfung, Verteilung von Ressourcen und Bereitstellung von Energie, Frieden, Sicherheit und Überwindung von Gewalt, Entwicklung, Verteilung von Wohlstand und Überwindung von Armut, Umgang mit Migration und Multikulturalismus sowie ein konsequentes Eintreten für Menschenwürde und -rechte“ (Lang-Wojtasik 2019, S. 9).

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat in diesem Zusammenhang beispielweise festgestellt, dass eine Korrelation zwischen der Höhe des Kapitalvermögens der einzelnen Länder und der Höhe ihrer CO2-Emissionen besteht. Man spricht dabei auch von der Kohlenstoff-Schuld der reichen Länder. Beim Thema Globalisierung gibt es also auch Gewinner und Verlierer. Verlierer sind die ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung, die vom wachsenden Wohlstand eher ausgeschlossen sind. Die negativen Auswirkungen des Klimawandels erschweren die Sicherung der Grundbedürfnisse und verstärken die Armut. Die Schere zwischen Arm und Reich wird daher immer größer (vgl. Müller 2008). Pierre L. Ibisch schreibt hierzu:

„Die wissenschaftlichen Befunde sind eindeutig, das Wissen ist hinreichend – die Menschheit ist gewarnt […]. Die verschiedenen ökologischen und gesellschaftlichen Probleme greifen ineinander und verstärken sich gegenseitig. Ihr Ausmaß ist historisch ohne Vergleich, und niemand kann ernsthaft behaupten, dass die Situation noch unter Kontrolle wäre. Die aktuell steil nach oben schießenden – Wachstum, Verbrauch und Zerstörung beschreibenden – Kurven deuten Unheil an“ (Ibisch 2018, S. 33).

Die Komplexität und Langfristigkeit des Klimawandels mit seinen oft irreversiblen Folgen stellen die Menschheit vor Herausforderungen, die sich nicht einfach mit bekannten Methoden und Ideen bewältigen lassen. Aus diesem Grund fordern aktuell immer mehr junge Menschen Politik und Gesellschaft dazu auf, die Klimakrise und die Zeichen ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln. Letztlich ist es ihre Zukunft – und die der kommenden Generationen. Deshalb nimmt die Klimakrise, aber auch der Wandel durch die Globalisierung einen immer größeren Raum in aktuellen Bildungsdebatten ein. Bildung erhält auch bei diesem Thema eine Schlüsselrolle. Wie genau sich das auswirkt, soll im nächsten Kapitel genauer erläutert werden.

3. Neue Aufgaben für die Schule? Pädagogisch-didaktische Herausforderungen

Die Globalisierung und die damit einhergehenden strukturellen und gesellschaftlichen Veränderungen, die wachsende Komplexität der Entwicklungen und die Unsicherheit der einzelnen Menschen werden national wie international als neue Herausforderungen für die Bildung begriffen (vgl. Kater-Wettstädt 2013, S. 12). Jede Gesellschaft steht vor der Aufgabe, die besonderen Herausforderungen der Zeit zu erkennen und für sich zu analysieren, was Bildung unter diesen Verhältnissen bedeutet und wie sie entsprechend umgesetzt werden kann.

Klafki definierte im Jahr 1995 im Kontext einer zukunftsorientierten Allgemeinbildung die sogenannten „epochaltypischen Schlüsselprobleme“. Das sind grundlegende Probleme der Menschen und der Gesellschaft in einer bestimmten Epoche, die aber einen Problemkanon haben, der in Zukunft wandelbar ist. Aufgrund dieser Probleme sollte Allgemeinbildung immer wieder neu durchdacht und angepasst werden. 1995 nannte Klafki die Friedensfrage, die Problematik des Nationalitätsprinzips, die Umweltproblematik, die wachsende Weltbevölkerung und das Problem der gesellschaftlich produzierten Ungleichheit als Schlüsselprobleme (vgl. ebd., S. 12).

Um diese Herausforderungen zu bearbeiten, sind verschiedene sogenannte Überlebenspädagogiken entstanden, die mit Globalem Lernen überschrieben werden können. Überlebenspädagogiken sind: Entwicklungspädagogik, Menschrechtsbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung/Umweltbildung, Friedenspädagogik, Konstruktive Konfliktbearbeitung und Interkulturelle Pädagogik (vgl. Lang-Wojtasik 2022, S. 16). Das politische Ziel einer nachhaltigen Entwicklung vereint also verschiedene Bildungskonzepte vor dem Hintergrund der epochaltypischen Schlüsselprobleme und impliziert daher einen Bildungsauftrag.

Im September 2015 wurden von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet, die Sustainable Development Goals (SDG). Diese können jedoch nur durch hochwertige Bildung erreicht werden, wie der Weltbildungsbericht eindeutig belegt hat: Bildung ist essentiell für den Erfolg aller SDG (vgl. Benk 2019, S. 8).

Aus diesem Grund haben das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die Kultusministerkonferenz (KMK) 2007 den Orientierungsrahmen Globales Lernen veröffentlicht. Zusätzlich wurde der Lernbereich Globale Entwicklung in die nationalen Bildungsstandards mit aufgenommen. Im Jahr 2016 erschien eine zweite überarbeitete Version des Orientierungsrahmens, der heute für den Schulalltag von Bedeutung ist. Dieser soll im nachfolgenden Kapitel näher betrachtet werden.

3.1 Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung

Der Auslöser für die Entwicklung einer neuen Empfehlung der KMK war die große Unzufriedenheit mit dem Beschluss aus dem Jahr 1997 „Eine Welt/Dritte Welt in Unterricht und Schule“. Es wurden die veralteten pädagogischen Ansätze kritisiert. Außerdem haben seit Mitte der 1990er Jahre vor allem Konzepte der Bildung für nachhaltige Entwicklung und Konzepte des Globalen Lernens an Bedeutung gewonnen.

2001 wurde daher auf einer Fachtagung die Absichtserklärung veröffentlicht, die bestehende Empfehlung zu überarbeiten. Ziel war es, den fachübergreifenden Inhalt des Lernbereichs zu klären, die Kompetenzen auszuführen, Schlüsselthemen zu bestimmen und die Umsetzungsmöglichkeiten innerhalb der schulischen Fächer sicherzustellen.

Die UN-Dekade (2005-2014) legte fest, Bildung für nachhaltige Entwicklung zu einem Schwerpunkt in allen Bereichen der Bildung zu machen, was für die Arbeit gute Voraussetzungen bot. Auch die Weltkonferenz in Johannesburg 2002 unterstützte die Arbeit an einem neuen Orientierungsrahmen. Die erste Ausgabe des „Orientierungsrahmens für den Lernbereich Globale Entwicklung im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wurde auf der Kultusministerkonferenz 2007 verabschiedet.

Bereits im Jahr 2015 verabschiedete die KMK eine zweite Ausgabe des Orientierungsrahmens, die auf zahlreiche weitere Erkenntnisse in der Umsetzung, aber auch auf politische Entwicklungen zurückgeht. Die zweite Ausgabe versteht sich als ein Beitrag zum BNE-Weltaktionsprogramm (2015-2019) sowie zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen (vgl. Schreiber 2017, S. 16).

Mit dem Orientierungsrahmen sollen jedoch nur Impulse und Hilfen für Schul- und Unterrichtsentwicklung gegeben werden, er ist kein verbindliches Rahmenkonzept. Er richtet sich an die einzelnen Fächer und die übergreifende Schulentwicklung auf der Ebene der Schule. Außerdem versteht er sich auch als Ratgeber für Schulleitung, Verwaltung und andere Mitarbeitende in der Schule. Für die Schulentwicklung bietet er Hilfe bei der Weiterentwicklung und Überarbeitung von Lehrplänen.

Auch für die Lehramtsausbildung ist er von Relevanz: Er gibt Hinweise für Ausbildungsschwerpunkte, Schlüsselkompetenzen und integrative Lernprozesse und Anforderungen. Durch die Ausrichtung aller Beteiligten der gesamten Bildungsinstitutionen gewinnt die Schule an Qualität. Von der KMK heißt es:

„Es geht darum, in einer Zeit großer globaler Herausforderungen sicherzustellen, dass Bildungsqualität in unseren Schulen das Fundament zukunftsfähiger Entwicklung ausmacht“ (Schreiber 2017, S. 16).

Der Begriff Lernbereich macht deutlich, dass mit dem Orientierungsrahmen nicht ein bestimmter Fachbereich gemeint ist, sondern dass alle Fächer ihre didaktischen Konzepte überdenken und nach und nach neu orientieren müssen. Fächerübergreifende und projektorientierte Unterrichtsformen sollen angeregt und in einen Zusammenhang, auch mit dem übergreifenden Schulleben, gebracht werden. Es wurden fünf Leitideen des Lernbereichs Globale Entwicklung formuliert:

  • Orientierung am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung,
  • Analyse von Entwicklungsprozessen auf unterschiedlichen Handlungsebenen,
  • Umgang mit Vielfalt, 
  • Fähigkeit zum Perspektivwechsel,
  • Kontext- bzw. Lebensweltorientierung.

Diese Leitideen werden in Kapitel 4.2 bei den Kompetenzen erneut mit aufgenommen.

3.2 Leitperspektive BNE und Globales Lernen

Im Juni 2017 wurde durch die Bundesregierung der Nationale Aktionsplan „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, kurz BNE, verabschiedet. Mit Hilfe seiner 130 Ziele und zahlreichen Handlungsempfehlungen soll der Aktionsplan dazu beitragen, dass BNE in Schulen, Hochschulen, Kindergärten und Kommunen bundesweit verankert wird.

Relativ zügig wurde die Leitperspektive BNE in die neuen Bildungspläne für die allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg eingegliedert. Damit ist es in Baden-Württemberg gelungen, BNE systematisch und verbindlich in den curricularen Vorgaben des Landes für alle Fächer und Wahlbereiche, Jahrgangsstufen und Schularten zu verankern. Nun stellt sich die Frage, warum es neben der Leitperspektive BNE noch den Orientierungsrahmen zum Globalen Lernen benötigt, oder auch anders herum.

Mittlerweile ist erkannt, dass Globales Lernen und BNE nicht in Konkurrenz zueinander stehen und auch nicht als Alternativen gesehen werden (vgl. Benk 2019, S. 9). Eher im Gegenteil: Der Orientierungsrahmen kann als ein erster Versuch gesehen werden, die Konzepte von BNE und Globales Lernen miteinander zu verknüpfen. Das Globale Lernen wird als ein wesentlicher Bestandteil der BNE gesehen (vgl. Kater-Wettstädt 2013, S. 12).

Im Orientierungsrahmen wird beschrieben, dass Globales Lernen in der Vergangenheit eher sozialethische Aspekte weltweiter Gerechtigkeit vertrat, während BNE mehr Wert auf die ökologischen Faktoren und den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen legte. In globaler Perspektive sind jedoch beide Aspekte wichtig und untrennbar miteinander verbunden. Ökologische, ökonomische und soziale Aspekte bedingen sich gegenseitig (vgl. Benk 2019, S. 7).

Im Nationalen Aktionsplan werden BNE und Globales Lernen in besonderer Weise mit dem konkreten Konzept des „Whole Institution Approach“ verbunden, das wiederum den Gedanken der Partizipation beinhaltet: Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an schulinternen und kommunalen Entscheidungen und Prozessen. Wie sich das auswirkt und welche Ziele und Kompetenzen durch den Orientierungsrahmen gefördert werden sollen, zeigt sich im nächsten Kapitel.

3.3 Globales Lernen im Schulkontext

Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte leben aktuell in einer Welt, die von immer schnelleren und weitreichenderen Globalisierungsprozessen geprägt ist. Einzelne Auswirkungen fallen sofort auf, andere Auswirkungen der Globalisierung werden wiederum nur selektiv und begrenzt wahrgenommen. Die Auswirkungen für die Schule gehören zu den offensichtlicheren: Weltoffenheit, interkulturelle Prägung und die Herausforderungen, Chancen und Grenzen für soziale Diversität und pädagogische Inklusion. Damit diesen globalen Veränderungen und Herausforderungen eine Chance gegeben werden kann, müssen Schule und Unterricht in ihrem Verhältnis zueinander und zu ihrer direkten Umwelt reflektiert und überdacht werden.

Ein Ansatz innerhalb der Institution Schule ist das Konzept „Whole School Approach“, welches einen ganzheitlichen Blick auf alle Bereiche schulischer Aktivitäten lenkt. Mit diesem Ansatz sollen die 17 Sustainable Development Goals nicht nur als fachliches bzw. fächerübergreifendes Wissen vermittelt werden. Zentral ist es, das praktische Handeln im gesamten Schulalltag umzusetzen. Ziel des Konzepts ist es, dass Schülerinnen und Schüler Selbstwirksamkeit erfahren, demokratische Beteiligung lernen und ihre Gestaltungs- und Handlungskompetenzen kennen (vgl. Greenpeace e. V. 2021, S. 7).

Schule kann als ein Mikrokosmos der Gesellschaft gesehen werden. Sie hat in Anbetracht der Nachhaltigkeit dieselben Aufgaben wie andere Institutionen der Gesellschaft. Diese umfassen ein nachhaltiges Facility Management und den verantwortungsbewussten Gebrauch von Ressourcen. Außerdem hat Schule die Aufgabe, demokratische Partizipation, Inklusion und die Bearbeitung soziokultureller Konflikte zu gestalten.

All die übergreifenden Aufgaben können in der Institution Schule mit dem Bildungsauftrag verbunden werden. Alle Aktivitäten werden daher unter dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zusammengefasst. Das beginnt bei der Ausrichtung der Schule mit ihrem Schulcurriculum und führt über die Unterrichtsgestaltung in den einzelnen Fächern bis hin zu allen anderen schulischen Einrichtungen und unterrichtsergänzenden Aktivitäten (vgl. ENGAGEMENT GLOBAL gGmbH). Im folgenden Kapitel soll nun die Umsetzung im Unterricht näher betrachtet werden.

4. Globales Lernen im Unterricht

„Der Lernbereich Globale Entwicklung orientiert sich in seinen Leitideen und Kernkompeten­zen an den Anforderungen, die durch Veränderungen im beschleunigten Verlauf der Globa­lisierung auf jede(n) Einzelne(n), aber auch auf gesellschaftliche Institutionen zukommen“ (Schreiber und Siege 2016).

Wie sich das auswirkt, um welche Leitideen und Kernkompetenzen es sich handelt und wie sich das am Beispiel des Politikunterrichts zeigt, soll nachfolgend beschrieben werden.

4.1 Ziele für den Lernbereich globale Entwicklung

Als übergeordnetes Ziel für den Lernbereich globale Entwicklung wird im Orientierungsrahmen ein Lernziel formuliert:

„Bildung im Lernbereich Globale Entwicklung soll Schülerinnen und Schülern eine zukunftsoffene Orientierung in der zunehmend globalisierten Welt ermöglichen, die sie im Rahmen lebenslangen Lernens weiter ausbauen können. Unter dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zielt sie insbesondere auf den Erwerb grundlegender Kompetenzen für eine entsprechende Gestaltung des persönlichen und beruflichen Lebens, auf gesellschaftliche Mitwirkung und globale Mitverantwortung“ (Lang-Wojtasik und Klemm 2017, S. 309).

Im Orientierungsrahmen werden für die unterrichtliche Erschließung der Globalisierung vier Zieldimensionen nachhaltiger Entwicklung genannt. Dabei ist von sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, demo­kratischer Politikgestaltung und ökologischer Verträglichkeit die Rede. Diese vier Ziele werden auch als die vier Entwicklungsdimensionen der Bereiche Soziales, Wirtschaft, Politik und Umwelt dargestellt. Sie sind für eine zukunftsfähige Bildung relevant und müssen untereinander abgestimmt und kombiniert werden. Vor dem Hintergrund unterschiedlichster Akteure und einer großen kulturellen Diversität soll der Orientierungsrahmen eine Hilfestellung für Analyse, Urteilen und Handeln geben (vgl. Schreiber und Siege 2016, S. 19).

Die zentrale Herausforderung liegt darin, die einzelnen Ziele entsprechend miteinander zu verknüpfen. Die Dynamik der Globalisierung führt dazu, dass beinahe alle Bereiche der Wissenschaft von diesem Wandel betroffen sind. Daher muss der Blick und das Wissen aller Disziplinen entsprechend zusammengeführt werden. Der Orientierungsrahmen versucht, dabei eine Hilfe zu sein, die Entwicklungen kohärent darzustellen. Folgende Ziele werden dazu genannt:

„Wahrnehmung von Umwelt und Entwicklung (in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik) als gleichrangige und voneinander abhängige Zielbereiche, Gewinnung von Synergien durch abgestimmte Maßnahmen in den verschiedenen Entwicklungsdimensionen, Vermeidung bzw. Lösung oder Minderung von Zielkonflikten zwischen den Dimensio­nen, die nachhaltige Entwicklungserfolge gefährden könnten“ (Schreiber und Siege 2016, S. 40).

Um das Verhältnis dieser Dimensionen zu beschreiben, gibt es in der aktuellen Debatte verschiedene Modelle, die an dieser Stelle aufgrund des Umfangs der Arbeit nicht weiter beschrieben werden können. Als Beispiele seien das eindimensionale Modell oder das integrative Modell genannt (vgl. ebd.). Außerdem können die Dimensionen auch auf den verschiedenen Handlungsebenen Individuum, Familie, Gemeinde, Region, auf nationaler oder transnationaler bis hin zur globalen Ebene betrachtet werden. Je nach analytischem Zweck und aktueller Entwicklung kann es zweckmäßig sein, die Ebenen und Modelle anders auszuwählen.

Das Zusammenspiel von Lokalität und Globalität muss in allen Handlungsbereichen gestaltet werden. Die Kohärenz stellt oftmals eine große Herausforderung dar. Oft erscheint dem oder der Einzelnen der eigene Anteil an den über­greifenden Entwicklungen bedeutungslos, wie beispielweise beim Thema Klimawandel: "Wenn ich weniger Fleisch esse, bringt das doch gar nichts". Umgekehrt ist es beispielsweise für die Politik teilweise schwer, die Bedürfnisse und Möglichkeiten des oder der Einzelnen angemessen zu berücksichtigen.

Neben den Dimensionen ist die Umsetzung international abgestimmter Nachhaltigkeitsziele inhaltlich von großer Bedeutung. Die Nachhaltigkeitsziele sind die bereits genannten Sustainable Development Goals, mit denen 17 Ziele festgelegt worden sind.

4.2 Kompetenzen

Zur Erreichung der oben genannten Lernziele braucht es bei Schülerinnen und Schülern einen Aufbau von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Nach Ziener zielt Kompetenzunterricht „auf die Ausstattung von Lernenden mit Kenntnissen, Fähigkeiten/Fertigkeiten sowie die Bewusstmachung und Reflexion von Einstellungen/Haltungen“ (Ziener 2008) ab. Kompetenzen können nicht im klassischen Sinne gelehrt werden, sie müssen von den Schülerinnen und Schülern aktiv erworben werden. Ziener beschreibt Kompetenzen deshalb als „Fähigkeiten unter dem dreifachen Aspekt von Kenntnissen, Fertigkeiten und Einstellungen. Kompetenzen äußern sich in konkreten Handlungen“ (ebd.).

Kater-Wettstädt beschreibt die spezifischen Kompetenzen Globalen Lernens als „eine mögliche, wertorientierte Antwort auf die veränderten Anforderungen“ (Kater-Wettstädt 2022, S. 245) der Globalisierung.

Für Globales Lernen wurden im Laufe der Zeit verschiedene Zusammenstellungen von Kompetenzen entwickelt. Allerdings fehlt es noch immer an einem theoretisch und empirisch ausgearbeiteten Kompetenzmodell für Globales Lernen. Deshalb ist der Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung von besonderer Bedeutung. Er dient als Bezugspunkt in neu verabschiedeten Kerncurricula der Länder.

Kompetenzorientierte Zugänge zu Themen grenzen sich von den inhaltsbezogenen Ansätzen ab. Für das Globale Lernen ist das Prinzip der Output-Orientierung leitend: Der Output auf Seiten der Lernenden wird dabei in Form von Könnens-Zielen oder Kompetenzen, die am Ende erreicht werden sollen, formuliert, nicht an inhaltlichen Aspekten (vgl. Kater-Wettstädt 2013, S. 12).

Der Orientierungsrahmen nennt drei Kompetenzbereiche als Ziel: Erkennen, Bewerten, Handeln. Diese sind in elf Teilkompetenzen gegliedert. Außerdem bietet er Umsetzungsvorschläge für die Grundschule und die jeweiligen Fächer der Sekundarstufe an. Im Kompetenzbereich Erkennen steht der Wissenserwerb im Mittelpunkt. Dazu zählt die Fähigkeit zur Beschaffung von Informationen inklusive deren Analyse und Bewertung. Außerdem geht es um die Strukturierung von Informationen. Alles soll so angeeignet werden, dass eine zielerichtete Anwednung der Informationen zur Lösung bestimmter Aufgaben beitragen kann (vgl. Lang-Wojtasik und Klemm 2017, S. 309).

Der Übergang vom Kompetenzbereich Erkennen zum Kompetenzbereich Bewerten ist nahezu fließend. Dies zeigt sich vor allem hinsichtlich des (kritischen) Medieneinsatzes und der notwendigen Fähigkeit, die Eignung und den Wert der Quellen zu erkennen. Im Kompetenzbereich Bewerten liegt der Schwerpunkt auf dem Perspektivwechsel und der kritischen Betrachtung von dem Wissen, welches im Kompetenzbereich Erkennen angeeignet wurde. Es sollen Urteile entwickelt werden. Außerdem schließen diese Fähigkeiten mit ein, den eigenen Standpunkt, eigene Werte und Leitbilder sowie die der anderen zu hinterfragen.

Der Kompetenzbereich Handeln beschreibt die Fähigkeit, aufgrund des eigenen Urteils zielbewusst zu handeln und für das eigene Handeln und die Entscheidungen einstehen und diese vertreten zu können. Es geht vorrangig um die Bereitschaft, das eigene Verhalten mit den persönlichen Grundsätzen einer zukunftsfähigen Lebensgestaltung in Einklang zu bringen. Interessenskonflikte oder unterschiedliche Werte können im Zusammenspiel mit anderen Parteien durch eine erfolgreiche Perspektivübernahme und das Abwägen von Folgen und Handlungen geklärt werden.

Die Kompetenzstruktur ist jedoch nicht als hierarchisches Modell zu verstehen, alle drei Kompetenzen sind je nach Situation in unterschiedlichen Variationen und in unterschiedlichem Zusammenspiel gefordert. Daher können Sie nicht isoliert erworben und behandelt werden (vgl. ebd., S. 309).

Für Schülerinnen und Schüler in den weiterführenden Schulen im Bereich der Sekundarstufe 1 sollen erste Erfahrungen mit Globalem Lernen aus der Grundschule erweitert werden. Das heißt, die kognitive Breite und Differenziertheit der Anforderungen muss zunehmen. Das kritische Be­wusstsein, die Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, das emotionale Engagement und damit auch die Handlungsspielräume sollen erweitert werden.

Neben alldem sollen auch fachübergreifende Kompetenzen entwickelt werden, die sich nach den Leitideen des Globalen Lernens richten. Mit den Leitideen sind diese fünf gemeint, die in Kapitel 3.1 bereits erwähnt worden sind: Orientierung am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, Analyse von Entwicklungsprozessen auf unterschiedlichen Handlungsebenen, Umgang mit Vielfalt, Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, Kontext- bzw. Lebensweltorientierung (vgl. Schreiber und Siege 2016, S. 24).

Für den Sekundarstufenbereich liegt die Aufgabe und gleichzeitig auch Herausforderung darin, die Kohärenz der verschiedenen Dimensionen herauszuarbeiten sowie Zielkonflikte und Wechselwirkungen zwischen lokalen und globalen Prozessen zu erkennen und mit eigenen Wertvorstellungen und Handlungsoptionen zu verknüpfen (vgl. ebd, S. 76 f.). Dabei wird offensichtlich, dass der Kompetenzerwerb beziehungsweise die Kompetenzerweiterung nicht ohne Mündigkeit oder Moral denkbar ist. Eine direkte Messbarkeit oder Bewertung der Kompetenzen ist damit schwierig. Globales Lernen orientiert sich an Normen wie Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Änderungen in den Haltungen und Einstellungen von Menschen sind das Ziel dieser Lern- und Bildungsprozesse.

4.3 Umsetzung und Gestaltung am Beispiel des Politikunterrichts

Die Umsetzung beziehungsweise das Erreichen der Kompetenzziele bringt Folgen für die Gestaltung von Lernprozessen mit sich. Die neueren Kompetenzmodelle, gerade in Bezug auf nachhaltige Entwicklung, sind in der Regel mit dem Ziel verknüpft, zu lernen, selbstorganisierte variable Lebenssituatio­nen bewältigen zu können. Dies zeigt sich auch daran, dass selbstgesteuerte Bildungsprozesse in Deutschland immer weiter auf dem Vormarsch und als Vorbereitung auf lebenslanges Lernen von großer Bedeutung sind. Der Prozess der Kompetenzorientierung führt vor allem in der Lehrendenrolle zu einem Perspektivenwechsel: vom Lehren zum Lernen. Das ist eng mit einer Veränderung der Unter­richtsgestaltung verbunden (vgl. Schreiber und Siege 2016, S. 102).

Globalisierung hat nicht bloß Auswirkungen auf das Was, sondern auch auf das Wie der politischen Bildung. Auch in der politischen Bildung werden Inhalte und Kompetenzen angesichts des Globalen immer wieder neu überdacht. Einerseits ist Globalisierung Thema der politischen Bildung, andererseits wird sie selbst vom Globalisierungsprozess erfasst und muss durch Anpassung und Modernisierung reagieren.

Aber politische Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung im Gesamtbild zeigen sowohl bezüglich ihrer Bildungsanliegen als auch den damit verbundenen zu fördernden Kompetenzen Gemeinsamkeiten. Schon allein weil sich das Globale Lernen aus einer entwicklungspolitischen Bildung, der Friedens- und Menschenrechtspädagogik, entwickelt hat, zeigt dies eine gemeinsame inhaltliche Basis.

In der politischen Bildung gibt es die Wissenskompetenz, Analysekompetenz, Urteilskompetenz, Handlungskompetenz und Methodenkompetenz als Kompetenzbereiche. Diese überschneiden sich mit den drei Kompetenzbereichen Erkennen, Bewerten und Handeln des Globalen Lernens. So wurde mit Berücksichtigung der Kompetenzen des Orientierungsrahmens im Beitrag von Moegling, Overwien und Sachs ein Kompetenzmodell Globalen Lernens für die politische Bildung entworfen.

  • „Wissenskompetenz: Die SuS entwickeln konzeptuelles Deutungswissen und notwendiges Detailwissen über die Entwicklung, die Gegenwart und die Zukunftsperspektiven der Globalisierung“ (Moegling und Overwien 2010, S. 21).
  • „Analysekompetenz: Die SuS lernen, Globalisierung mehrperspektivisch wahrzunehmen, Zusammenhänge zwischen lokalen regionalen und globalen Bezügen zu erkennen und Wirkungskreisläufe theoriegeleitet analysieren zu können“ (ebd.).
  • „Handlungskompetenz: Die SuS lernen, im Rahmen globalisierter Systeme und Strukturen orientiert am Leitbild nachhaltiger Entwicklung, internationaler Vereinbarungen, demokratischer Standards und den Menschenrechten handelnd zu partizipieren“ (ebd.).
  • „Methodenkompetenz: Die SuS lernen, selbstständig Informationen zum Inhaltsfeld ‚Globalisierung‘ mit Hilfe verschiedener Medien zu recherchieren, zu bearbeiten und zu präsentieren sowie selbstkritisch die gewählten Methoden zu reflektieren“ (ebd.).
  • „Urteilskompetenz: Die SuS lernen, kriterien- und theoriegeleitet sich kritisch mit der Globalisierung auseinanderzusetzen und ein eigenständiges begründetes Urteil in Bezug auf die globalisierten Systeme und Strukturen sowie zentralen Prozesse und Akteure zu fällen“ (ebd.).

Oberstes Ziel der politischen Bildung ist die Mündigkeit eines Individuums. Mündigkeit bedeutet, dass Kompetenzen erworben werden müssen, die für die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben in einer Demokratie und die Einforderung und Verteidigung der Menschenrechte unabdingbar sind. Politische Bildung und BNE ergänzen sich insofern, als politische Bildung der Frage nachgeht, wie Menschen in einer Gesellschaft zusammenleben wollen und BNE auf diese Frage spezifische Antworten und Handlungsvorschläge formuliert. Deshalb ist es sinnvoll, die beiden fachlichen Aspekte miteinander zu verknüpfen. Politische Bildung in der Schule bietet damit inhaltlich einen guten Rahmen zur Aufnahme und Anknüpfung an BNE und die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler.

Themenbereiche für den Lernbereich globale und nachhaltige Entwicklung zeichnen sich durch verschiedene Punkte und Kriterien aus. Dazu gehören die Aktualität und längerfristige persönliche, gesellschaftliche und politische Relevanz, der Bezug zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung und den unterschiedlichen Handlungsebenen und die Dringlichkeit mit einer hohen Wirkmacht in die Zukunft. Außerdem sollte auf einen lebensweltlichen Bezug, eine globale Weltsicht, die Ermöglichung von Perspektivwechseln, die Ermöglichung selbstorganisierten Lernens und die Ermöglichung eigenen Aktiv-Werdens geachtet werden (vgl. Kater-Wettstädt 2022, S. 253 f.).

Im Inhaltsfeld zum Globalen Lernen werden in der politischen Bildung daher als Beispiel die folgenden Kategorien vorgeschlagen:

  • Globale Gerechtigkeit/Globales Gemeinwohl 
  • Globaler Kommunikations- und Kulturraum, globalisierte Öffentlichkeit 
  • Geostrategische Machtoptionen und Herrschaftsstrukturen 
  • Globale Ressourcenkonflikte/Ressourcenknappheit 
  • Auf die Globalisierung bezogene ökonomische und politische Ideologien 
  • Globale Sicherheitsinteressen und Risikominimierung 
  • Systeme und Strukturen transnationaler Demokratie und Partizipation
    (vgl. Moegling und Overwien 2010, S. 16).

Die Auswahl von Themen ist demnach nicht beliebig und trotzdem sehr weitreichend. Trotz der vielen und eindeutigen inhaltlichen sowie kompetenzorientierten Überschneidungen war das Verhältnis von Globalem Lernen und politischer Bildung lange eher schwierig. Globalisierung wurde kritisch gesehen. Mittlerweile gibt es jedoch wieder Annäherungen zwischen den beiden Bereichen, wie sich am Kompetenzmodell und an den inhaltlichen Kategorien zeigt.

Dem Globalen Lernen und der BNE wird immer wieder entgegengesetzt, dass sie gegen wichtige Prinzipien der politischen Bildung wie den Beutelsbacher Konsens verstoßen. Es wird befürchtet, dass durch einen missionarischen Ansatz der Lernkonzepte eine Überwältigung stattfindet. Dieser Eindruck entsteht vor allem, weil das Globale Lernen oft einen inhaltlichen emotionalen Schwerpunkt hat, wie beispielweise die entstehenden (Umwelt-) Gefahren durch die Erderwärmung.

Das Neutralitätsgebot wird in Schulen häufig falsch verstanden. Es ist nicht richtig, dass Lehrpersonen nicht politisch sein dürfen. Im Gegenteil: Lehrkräfte ohne eigene und begründete Meinung sind oftmals eher unglaubwürdig. Ihre Meinung darf nur nicht überwältigend übertragen werden (vgl. Overwien 2017, S. 127). Überwältigungsverbot und Kontroversitätsgebot sollen nicht als Einladungen zum toleranten Nebeneinander aller gesellschaftlichen Anschauungen gesehen werden, sondern als Möglichkeit der Reflexion gesellschaftlicher Prozesse und als Möglichkeit zur eigenen Urteilsbildung. Die Schülerorientierung wird als entscheidendes Argument zum globalen Lernen gesehen. Gerade junge Menschen setzten sich heutzutage mit globalen und Umweltfragen auseinander. Globales Lernen bietet daher vielfältige Anknüpfungspunkte an die Schülerorientierung (vgl. ebd., S. 128).

5. Mit Bildung die Welt verändern? Globales Lernen in der Schule als Schlüssel für eine zukunftsfähige Welt?

Zum Schluss des Beitrags, sollen die Fragen vom Beginn aufgegriffen werden. Ist globales Lernen in der Schule ein Schlüssel für eine zukunftsfähige Welt? Kann man mit Bildung die Welt verändern? Wie sich in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt hat, ist Bildung für nachhaltige Entwicklung ein wichtiger Schlüssel für die politische Gestaltung des Globalisierungsprozesses und damit auch einer zukunftsfähigen Gesellschaft.

Die Globalisierungsprozesse wirken auf die unterschiedlichste Art und Weise in den Inhalt und die Form der schulischen Bildung ein. Dies ergibt sich vor allem auch aus den veränderten Anforderungen, die die Wirtschaft und damit das Berufsleben nach der Schule an die Jugendlichen stellt. Die neuen, veränderten Lernprozesse sollen Schülerinnen und Schülern vermitteln, was es bedeutet und wie es aussieht, eine weltoffene Haltung einzunehmen. Ziel der Veränderungen soll sein, mit den durch die Globalisierung veränderten gesellschaftlichen, technologischen und naturwissenschaftlichen Herausforderungen umgehen zu können.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten ist die Befähigung zu sozialem Engagement für die Durchsetzung der Menschenrechte unter den Bedingungen globaler Entwicklungen mindestens genauso wichtig (vgl. EWIK – Eine Welt Internet Konferenz). Dafür wurde von der KMK der Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung erstellt, der hier in der Arbeit vorgestellt wurde. Der Orientierungsrahmen zum Lernbereich Globale Entwicklung bezeichnet nicht das ideale Endziel einer nachhaltigen Gesellschaft, das in weiter Ferne liegt, sondern den Weg und die Merkmale einer gewünschten Entwicklung.

Diese Entwicklung findet immer nur in kleinen Schritten statt, die sich mit weiterer Forschung auch als immer ambivalenter entwickeln können. Aus dem fortschrittlich angelegten Ansatz können auch Bildungsangebote entstehen, die nicht ständig hinterfragt werden. Deshalb bedarf es einer immer weiter fortschreitenden Forschung und einer theoriegestützten Reflexion der aktuellen Interessenlagen auf den verschiedenen Ebenen. Trotzdem muss festgehalten werden, dass Globales Lernen unter dem Dach der nachhaltigen Entwicklung zur nachhaltigen Entwicklung entscheidend beiträgt. Ohne eine solche umfassende Bildung bleibt nachhaltige Entwicklung unerreichbar.

Deshalb ist Globales Lernen ein Konzept, um die Schülerinnen und Schüler auf eine zukunftsfähige Welt vorzubereiten. Zukunftsfähig in dem Sinn, dass die Kompetenzen Globalen Lernens den Schülerinnen und Schülern so nahegebracht werden, dass diese wissen, in einer künftigen Welt damit umzugehen. Denn heutiges fachliches Wissen kann in einer Welt voller Veränderungen morgen schon wieder veraltet sein. Daher ist das Wissen, wie man Daten verarbeitet und dann entsprechend handelt, ein Wissen für die zukunftsfähige Welt.

Der Bildungsbegriff bezieht sich daher vor allem auf den Erwerb von Kompetenzen, die im Orientierungsrahmen mit „Erkennen, Bewerten, Handeln“ dargestellt werden, und nicht auf fachliches Faktenwissen, welches in ständiger Veränderung stehen kann. Überspitzt gesagt, kann man mit Bildung also die Welt verändern. Dafür muss die Bildung aber überzeugend geleistet werden und in Schule und Gesellschaft als Bestandteil etabliert werden. Das Vermitteln kann auch nur funktionieren, wenn die Rahmenbedingungen wie beispielweise das richtige Vorleben einwandfrei funktionieren. Als Fazit soll hier das Zitat aus der Veröffentlichung von Moegling, Overwien und Sachs verwendet werden:

„Für die Globalisierungsthematik gilt – noch mehr als für andere Themen des Politikunterrichts – dass erste intensive Vernetzungen zwischen Erfahrung und theoriegeleiteter Reflexion die Grundlage dafür sein kann, dass ein an dem Postulat der Mündigkeit orientiertes Erkennen, Analysieren, Urteilen und Handeln sowie methodisch geleitetes Forschen eintreten kann, das die lernenden Subjekte zunehmend zu autonomer werdenden Akteuren im Rahmen der von der Globalisierung durchdrungenen Strukturen ihres Umfelds aber auch überregionaler und transnationaler Räume werden lässt“ (Moegling und Overwien 2010, S. 23).

Literaturverzeichnis

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