Dienstag, 27. September 2022

Emissionshandel – Wie der Markt unser Klimaproblem regeln soll

Unser heutiger Wohlstand basiert auf unserem Wirtschaftssystem, das bekanntlich durch steigende Emissionen zu unserer heutigen Klimaproblematik maßgeblich beigetragen hat. Daher versuchen die politischen Akteur:innen seit einigen Jahren, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Klimakrise mithilfe von marktbasierten Instrumenten in den Griff zu bekommen ist. Dazu ist auch im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP (2021) im Kapitel Wirtschaft zu lesen:

„Wir wollen mehr Innovation, mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Effizienz, gute Arbeit und klimaneutralen Wohlstand. Dafür brauchen wir ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen und mehr Tempo. Unser Ziel ist eine sozial-ökologische Marktwirtschaft“ (S. 20).

Der Wohlstand soll durch eine Transformation der Wirtschaft hin zu einer Marktwirtschaft, die neben sozialen nun auch ökologische Kriterien stärker berücksichtigt, erhalten bleiben. Doch was sind die Ideen unserer Bundesregierung konkret? Liest man hier im Koalitionsvertrag weiter, fallen verschiedene Bezeichnungen: Durch den Green Deal der EU soll ein Carbon Leakage verhindert werden, sogenannte Carbon Contracts for Difference möchte die Ampel-Regierung einführen, um Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Wichtig ist außerdem ein wirksamer CO2-Grenzausgleichsmechanismus und weitere wirksame Instrumente. Diese sollen zusammen mit europäischen und internationalen Partner:innen in einem Klimaclub mit einheitlichem CO2-Mindestpreis umgesetzt werden (SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP 2021, S. 21).

Spätestens an dieser Stelle hat die Ampel den Großteil der Leser:innen, die sich für die Verbindung von Wirtschaft und Klimaschutz interessieren, verloren. Denn diese komplizierten Begriffe und die dahinterliegenden Konzepte sind den wenigsten Bürger:innen geläufig. Dabei sind diese Ideen Teil eines übergeordneten Konzeptes, dem Emissionshandel mit Emissionszertifikaten, der EU-weit bereits 2005 etabliert und seither mehrmals weiterentwickelt wurde (European Commission 2015, S. 4).

Der vorliegende Beitrag möchte Licht in den Begriffs-Dschungel rund um den Emissionshandel bringen. Dazu wird das Konzept und seine geschichtlichen Hintergründe erläutert und seine Möglichkeiten zur Weiterentwicklung in der EU und auf globaler Ebene skizziert, um das Konzept anschließend kritisch einzuordnen. Zum Schluss werden die Positionen der Ampelparteien zum Thema beleuchtet und weitere Mechanismen und Konzepte aufgegriffen, die den Emissionshandel ergänzen können.

Die Idee des Emissionshandels

Beim Emissionshandel handelt es sich um „ein Mittel der staatlichen Umweltpolitik […], um klimawirksame Treibhausgase dauerhaft zu reduzieren und so den Klimaschutz zu verbessern. Energieintensive Industrieunternehmen erhalten Emissionszertifikate, die das Unternehmen berechtigen, eine bestimmte Menge Schadstoffe wie Kohlendioxid (CO2) auszustoßen“ (Bundeszentrale für politische Bildung 2016). Das Prinzip dahinter wird in dem Video "Wie funktioniert der CO2-Handel? Ein Infofilm aus der Reihe "Global Ideas" (Deutsche Welle TV 2012) kurz erläutert

Wenn ein Unternehmen weniger CO2 ausstößt, spart es Geld. Emissionsreiche Unternehmen zahlen mehr für Maßnahmen, die ihre Emissionen verringern, für Projekte, die Emissionen woanders auf der Welt einsparen oder durch den Kauf von Verschmutzungsrechten anderer klimafreundlicherer Unternehmen. Die dafür ausgegebenen Zertifikate entsprechen dabei je einer Tonne CO2. Eine Behörde kontrolliert die Anzahl der Zertifikate an die Unternehmen entsprechend des angestrebten Klimaziels, das die verfügbare Menge an Zertifikaten immer weiter reduzieren soll. Damit werden hohe Emissionsmengen für die Unternehmen wirtschaftlich immer unattraktiver gemacht (Deutsche Welle TV 2012). Diese Idee wurde bereits im ersten internationalen Vertrag zur Emissionssenkung, dem Kyoto-Protokoll, das im Februar 2005 in Kraft trat, aufgegriffen:

„Im Kyoto-Protokoll haben sich 38 Industriestaaten verpflichtet, bis 2012 den Ausstoß von sechs Treibhausgasen (Kohlendioxid, Methan, Lachgas, Fluorkohlenwasserstoffe, Perfluorkohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid) um insgesamt 5,2 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren“ (Mersmann & Braun 2013).

Die EU strebte eine Reduktion um acht Prozent, Deutschland sogar um 21 Prozent gegenüber 1990 an. Um diese Ziele zu erreichen, gab das Kyoto-Protokoll den Staaten drei marktbasierte Mechanismen mit an die Hand: Der Emissionshandel, die Joint Implementation und den Clean Development Mechanism (Bundeszentrale für Politische Bildung 2020). Der Emissionshandel auf globaler Ebene regelt die Menge an Emissionsrechten, die ein Staat zur Verfügung hat. Dabei entsprach die Menge der ausgegebenen Zertifikate den verringerten Emissionsmengen gemäß den Reduktionszielen der Staaten. Überschüssige Zertifikate kann der Staat an andere Staaten weiterverkaufen (ebd.). Bei der sogenannten Joint Implementaion und dem Clean Development Mechanism werden Klimaschutzprojekte in anderen Ländern, in denen das Kyoto-Protokoll gilt, bzw. in Entwicklungsländern finanziert. Die eingesparten Emissionen darf sich der finanzierende Staat auf seine eigenen Ziele anrechnen lassen (ebd.).

„Der zwischenstaatliche Emissionshandel begann am 1. Januar 2008. In diesem Jahr wurden den am Kyoto-Protokoll beteiligten Staaten sogenannte assigned amount units (AAUs) in Höhe ihrer im Kyoto-Protokoll vereinbarten Emissionshöhe zugeteilt“ (Mersmann & Braun 2013).

Das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS)

Parallel zu den Verhandlungen des Kyoto-Protokolls begann die EU das erste internationale Emissionshandelssystem (EU ETS) zu entwickeln und 2005 einzusetzen (European Commission, o.J.). Allerdings waren die Akteur:innen im EU ETS nicht Staaten, sondern Unternehmen und Betreiber:innen von emissionsreichen Industrieanlagen (Mersmann & Braun 2013). Das Wirkungsprinzip cap and trade orientierte sich an den im Kyoto-Protokoll festgelegten Mechanismen. Cap bezeichnet dabei die Deckelung der Treibhausemissionen der implementierten Unternehmen aus dem Energiesektor und energieintensiver Industrie in der EU, die nach und nach in ihrer Gesamtmenge reduziert wird (European Commission, o.J.). Wie das Kyoto-Protokoll und das EU ETS zusammenhängen, beschreiben Mersmann und Braun (2013) wie folgt:

„Eine Verbindung des europäischen Emissionshandelssystems mit dem Kyoto-Protokoll besteht darin, dass sich Unternehmen Reduktionszertifikate aus Joint Implementation- und Clean Development Mechanism-Projekten anerkennen lassen können, um ihre Verpflichtungen innerhalb des EU-Systems zu erfüllen“.

Die Zertifikate wurden in der ersten Pilothase von 2005-2007 kostenfrei an die Unternehmen ausgegeben. Es kommt zum Handel (Trade) mit den Zertifikaten zwischen den Unternehmen mit überschüssigen Zertifikaten und den Unternehmen, denen die ausgegeben Zertifikate durch ihre höheren Emissionen nicht ausreichen (European Commission, o.J.). Durch die Verknappung soll so die Gesamtmenge an Emissionen sinken. Es bildet sich ein marktbasierter CO2-Preis, der sich aus dem Angebot der Zertifikate und der Nachfrage emissionsintensiver Unternehmen ergibt (Mersmann & Braun 2013). Dieser Preis fiel 2007 allerdings auf null, da die Deckelung in dieser Phase auf bloßen Schätzungen beruhte und das Angebot an Zertifikaten die tatsächlichen Emissionen überstieg (European Commission, o.J.).

In Phase 2 (2008-2012) konnten nun aufgrund der genaueren Daten aus der Pilotphase die Emissionsmengen reduziert werden. Der Handel wurde ausgeweitet auf weitere Länder und Sektoren und es wurde nicht mehr alle Zertifikate kostenfrei ausgegeben, sondern teilweise über Auktionen versteigert. Allerdings führte die Finanzkrise im Jahr 2008 zu unvorhergesehenen Emissionsminderungen, die erneut zu einem Überschuss an Zertifikaten und einem fallenden CO2-Preis führten (ebd.).

Daher wurden für die dritte Phase einige Reformen vorgenommen. Die zuvor national festgelegten Emissionsdeckel wurden nun EU-weit berechnet und die Zertifikate wurden direkt von der EU-Kommission zum großen Teil versteigert. Einige der Zertifikate wurde nicht mehr dem Markt zur Verfügung gestellt, sondern als Reserve für innovative neue Technologien zurückgehalten. Die Gesamtmenge an Zertifikaten wurde so verknappt von 400 Millionen im Jahr 2014 auf noch 200 Millionen Zertifikate 2016 (ebd.). Die  Zertifikate konnten in der dritten Phase auch an den Börsen gehandelt werden. Außerdem wurden ab 2013 weitere Industrien und alle Stromerzeuger eingebunden (Bundeszentrale für politische Bildung 2016).

Der Emissionshandel ist ein flexibler Mechanismus, durch den ein Staat oder ein Unternehmen seine Ziele entweder durch den Zukauf von Zertifikaten oder durch entsprechende eigene Maßnahmen erfüllen kann. Ökonomisch gesehen werden die Emissionseinsparungen im Gesamtsystem damit an der Stelle erbracht, wo sie am günstigsten zu erreichen sind und minimieren somit die Kosten volkswirtschaftlich gesehen für alle. Der Emissionshandel erreicht theoretisch durch die Steuerung der Emissionsmenge kontinuierlich seine ökologischen Ziele und ist dabei ökonomisch effizient. Doch warum sind dann die Emissionen gerade in den EU-Staaten weiter gestiegen (Mersmann & Braun 2013)? Die Probleme in der Konstruktion des Emissionshandels von Kyoto bis EU soll im folgenden Abschnitt thematisiert werden.

Probleme und Weiterentwicklung des Emissionshandels

Ein großer Kritikpunkt am Kyoto-Protokoll war die Tatsache, dass große Emittenten wie die USA, China und Indien sich nicht zu weiteren Emissionsminderungen verpflichteten, wie es der Vertrag vorsah. Daher waren zum Ende des Protokolls nur noch Staaten vertreten, die zusammen für ungefähr 15% der weltweiten Emissionen verantwortlich waren. Zudem wurden viele der Ziele nur erreicht, weil einige politischen Entwicklungen und die Finanzkrise eine Senkung der Emissionen verursachten und nicht etwa die Anstrengungen der Staaten gemäß des Klimaabkommens. An den ökonomischen Mechanismen kann kritisiert werden, dass diese für finanzstarke Industriestaaten nicht die Anreize bieten, ihre Emissionen zu senken, sondern sie durch den Kauf überschüssiger Zertifikate zu kompensieren (Bundeszentrale für Politische Bildung 2020). Daher wurde ab 2013 im EU ETS der Zukauf von Zertifikaten aus anderen Ländern eingeschränkt (Mersmann & Braun 2013).

Auf EU-Ebene sind mittlerweile viele Sektoren durch die EU-Kommission verpflichtet, am EU ETS teilzunehmen. Jedoch gibt es immer noch viele Ausnahmen, die die tatsächlichen Wirkungen des Emissionshandels schmälern: Unternehmen müssen in manchen Sektoren erst ab einer bestimmten Größe überhaupt teilnehmen, viele kleine Anlagen können ausgenommen werden, wenn der Staat andere Maßnahmen zur Emissionssenkung ergreift. Zudem decken die beteiligten Unternehmen nur ca. 40% der Gesamtemissionen der EU ab (European Commission o.J.).

Im Jahr 2021 begann daher die vierte Phase, um den Weg der Emissionsreduktion bis 2030 um 55% gemäß dem Pariser Klimaabkommen von 2016 im Rahmen des Green New Deals der EU-Kommission zu erreichen. Für den EU ETS bedeutet dies unter anderem eine beschleunigte Senkung der Zertifikatmenge pro Jahr. Gleichzeitig wurden jedoch neue Ausnahmen geschaffen, um ein Carbon Leakage zu verhindern (ebd.).

Carbon Leakage beschreibt die Folgen für ein Unternehmen, das dem ETS unterliegt. Durch die höheren Kosten kommt es zu Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen, die nicht am Emissionshandel teilnehmen. Aus diesem Grund befürchtet die EU, dass die Unternehmen aus dem EU ETS ihre Produktion in Länder mit geringeren Klimaschutzanforderungen verlagern. Daher werden Branchen, die davon betroffen sind, weiterhin höhere Anteile an kostenlosen Zertifikaten ausgegeben, wenn sie auf der offiziellen Liste der EU stehen (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 2021).

Eine Möglichkeit, diese Probleme zu umgehen besteht mit der Verknüpfung von verschiedenen Emissionshandelssystemen. Die EU hat ihr EU ETS beispielsweise bereits über Abkommen mit Norwegen, Liechtenstein und der Schweiz verknüpft. Weitere internationale Emissionssysteme wurden nach und nach aufgebaut, unter anderem in Australien, Kanada und China. Geregelt werden muss die Höhe der angestrebten Senkung der Emissionsmengen. Wenn ein System ambitioniertere Ziele verfolgt als das andere, würde das ansonsten dazu führen, dass viele überschüssige Zertifikate unbegrenzt an Teilnehmende des Systems mit den höheren Preisen verkauft, bis sich die Preise angleichen. Dies würde somit zu einer geringeren Minderung der Emissionen des ambitionierten Staates führen (Mersmann & Braun 2013).

Allerdings bleibt hier immer noch die Problematik bestehen, dass nicht alle Länder und alle Sektoren einbezogen sind und die Staaten trotzdem noch die Möglichkeiten haben, Ausnahmeregelungen zu treffen. Hierbei liegt wohl der Knackpunkt der ganzen Thematik. Der Emissionshandel kann seine Potenziale nur entfalten, wenn die Emissionssenkungen tatsächlich durch Maßnahmen der Akteur:innen zustande kommen und nicht durch Rezessionen und Zertifikatüberschüsse. Außerdem darf es sich nicht lohnen, wie im Falle von Carbon Leakage, dass Unternehmen die höheren Preise für klimafreundliche Investitionen umgehen und ins Ausland abwandern. Die Ausnahmen einzelner Staaten oder Sektoren tun ein übriges, da sie den Marktmechanismen so einfach entgehen. Welche Rahmenbedingungen braucht es also, damit der Emissionshandel ein wirksames Instrument zur tatsächlichen Reduktion der Emissionen am besten auf globaler Ebene kommt?

Die Ideen der Ampelregierung unter die Lupe genommen

Ideen dazu haben auch zwei der drei Parteien der momentanen Ampelregierung in Deutschland. Die FDP schreibt dazu in ihrer Position zum Klimaschutz:

„Wir Freie Demokraten wollen den EU-Emissionshandel (EU-ETS) schnellstmöglich auf alle Sektoren und geographisch ausweiten. Die Politik gibt vor, wieviel CO2 im Jahr ausgestoßen werden darf. Für den Ausstoß müssen Zertifikate erworben werden, die von Jahr zu Jahr weniger und damit teurer werden. Wer hingegen besonders viel CO2 spart, muss weniger Zertifikate kaufen und spart Geld und wer CO2 speichert, muss dafür Geld erhalten. So schaffen wir Anreize für Investitionen in klimafreundliche Technologien […]. Der Weg kann und muss in Deutschland und Europa starten, er ist aber erst beendet, wenn alle Emissionen weltweit einen einheitlichen marktwirtschaftlichen CO2-Preis haben“ (Freie Demokratische Partei o.J.).

Die Freien Demokraten greifen damit gerade jene Kritik auf, die den Emissionshandel bisher sektoral und geographisch begrenzen. Der CO2-Preis soll sich global einheitlich und marktwirtschaftlich ergeben. Dazu ist es notwendig, dass überall Emissionshandelssysteme etabliert werden und diese auch kompatibel miteinander gestaltet werden, sodass es nicht zu den vorher beschriebenen Fehlanreizen für Länder mit ambitionierteren Minderungszielen kommt (Mersmann & Braun 2013). Zu Maßnahmen im internationalen Rahmen äußert sich die FDP ebenso:

„Wir Freie Demokraten wollen die Möglichkeit nutzen, Projekte in anderen Staaten zu finanzieren und die entsprechenden Treibhausgasreduktionen auf die eigenen Ziele anzurechnen. Artikel 6 des Pariser Abkommens sieht das ausdrücklich vor […]. Bislang verzichtet die EU jedoch freiwillig auf die Nutzung dieser Möglichkeit. Da es für das Klima irrelevant ist, an welcher Stelle CO2 eingespart wird, wollen wir bei höheren Zielen künftig die Möglichkeit eröffnen, diese im Sinne einer ökonomisch effizienten Klimapolitik auch über Maßnahmen nach Artikel 6 des Pariser Abkommens zu erreichen“ (Freie Demokratische Partei o.J.).

Diese vorgeschlagenen Maßnahmen erinnern an die beiden anderen marktbasierten Instrumente Joint Implementation und Clean Development Mechanism, die bereits im Rahmen des Kyoto-Protokolls vorgeschlagen wurden und auf Klimaschutzprojekten der Industriestaaten in anderen Ländern abzielen. Diese Projekte konnten bis zum Auslaufen des Kyoto-Protokolls Ende 2020 von Unternehmen aus dem EU ETS getätigt und belohnt werden. Die Gutschriften für internationale Klimaschutzprojekte konnten innerhalb definierter Quoten genutzt und sogar im Emissionshandel weltweit gehandelt werden. Zur Prüfung der umwelt- und entwicklungspolitischen Unbedenklichkeit des Engagements gibt es in Deutschland die Deutsche Emissionshandelsstelle (Umweltbundesamt 2021a). Das Nachfolgerabkommen von Paris bietet diese Möglichkeiten laut Umweltbundesamt (ebd.) auch in Artikel 6:

„Es werden explizit drei Ansätze für einen internationalen Kohlenstoffmarkt genannt: 1. Kooperationen zur Verwendung international übertragener Minderungsergebnisse zum Erreichen der national festgelegten Beiträge; 2. ein Mechanismus zur Minderung von Emissionen und zur Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung mit allgemeiner Minderung der weltweiten Emissionen; 3. Nicht-marktbasierte Ansätze zur Förderung auf dem Gebiet der Minderung und der Anpassung. Mit diesen drei Ansätzen soll es gelingen, die Belange aller Länder nach internationalen Kooperationsmöglichkeiten im Kohlenstoffmarkt abzudecken. Die Mechanismen stehen allen Ländern zur Erreichung des übergreifenden Ziels des Pariser Übereinkommens auf Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf möglichst 1,5 Grad zur freiwilligen Nutzung zur Verfügung“.

Die freiwillige Nutzung dieser Mechanismen könnte entsprechend dem FDP-Vorschlag in das EU ETS implementiert werden. Auch der Koalitionspartner Bündnis 90 / Die Grünen (2021, S.88) hat eine Position zum EU-Emissionshandel und verknüpft diesen mit einer Forderung nach einem festgelegten CO2-Preis:

„Durch einen klugen Mix aus Ordnungsrecht, Anreizen und Förderung sowie CO2-Preisen sorgen wir dafür, dass Klimaschutz sozial gerecht ist und sich auch ökonomisch lohnt. Die anstehende Reform des EU-Emissionshandels (ETS) muss eine deutliche Reduzierung von Zertifikaten beinhalten. Dadurch wollen wir einen CO2-Preis im Bereich Strom und Industrie erreichen, der dafür sorgt, dass immer stärker Erneuerbare statt Kohle zum Einsatz kommen. Sollte das nicht schnell genug gelingen, setzen wir auf einen nationalen CO2-Mindestpreis im ETS von 60 Euro. Damit wird es gelingen, dass der Kohleausstieg bereits 2030 vollzogen werden kann“.

Hier wird die Reduktion der Zertifikate gefordert, der auch durch den Green New Deal der EU so vorgesehen ist und bereits in der aktuellen Phase des EU ETS durch ein beschleunigtes Reduktionstempo angestrebt wird (European Commission o.J.). Im Gegensatz zur FDP wollen die Grünen allerdings den CO2-Preis nicht nur frei den Marktmechanismen überlassen, sondern gegen die zu niedrigen Preisen mithilfe eines national festgelegten Mindestpreises vorgehen. Dazu führt die Partei aus:

„Den nationalen CO2-Preis im Bereich Wärme und Verkehr wollen wir bereits im Jahr 2023 auf 60 Euro erhöhen. Danach soll der CO2-Preis so ansteigen, dass er in Verbindung mit den Fördermaßnahmen und ordnungsrechtlichen Vorgaben die Erfüllung des neuen Klimaziels 2030 absichert“ (Bündnis 90 / Die Grünen 2021, S.88).

Allerdings stößt auch diese ordnungspolitische Maßnahme an ähnliche Grenzen wie der Emissionshandel selbst. Neben steigenden Kosten für Strom für die Bürger:innen, der durch neue Sozialleistungen, wie dem von den Grünen vorgeschlagenen Energiegeld kompensiert werden soll (Bündnis 90 / Die Grünen o.J.), stellt sich auch hier wieder die Frage nach der globalen Ebene. Bei einem nationalen Alleingang bei der CO2-Bepreisung wird ein Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit in Kauf genommen. Diese Nachteile können nur durch globale Kooperationen aufgefangen werden, indem alle Staaten sich glaubwürdig zum Klimaschutz und den damit verbundenen Kosten verpflichten und ebenfalls eine CO2-Bepreisung einführen (Edenhofer 2018).

Wichtig bei der CO2-Bepreisung ist außerdem, dass ihre Höhe an die global vereinbarten Klimaziele angepasst ist. Dabei hat die Weltbank für den Zeitraum bis 2030 einen Preis zwischen 50-100 USD/Tonne berechnet. Damit eine weltweite Kooperation möglich wird, muss es auch einen Ausgleich zwischen den finanziell starken und schwächeren Ländern kommen, damit alle Länder die Bepreisung von CO2 mittragen könnten. Das Pariser Klimaabkommen sieht hierfür einen Green Climate Fund (GCF) vor, der hohe Kosten für Emissionsminderungen kompensieren soll (ebd.).

Im gemeinsamen Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten haben sich die Regierungsparteien noch auf zwei weitere Mechanismen verständigt, die den Emissionshandel in seiner Klimawirkung unterstützen sollen. Unter anderem ist hier die Rede von sogenannten Carbon Contracts for Difference, die die heimische Industrie schützen sollen (SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP 2021, S. 21). Bei diesen Verträgen handelt es sich um ein Produkt aus der Finanzbranche, bei dem ein fester Preis zwischen Käufer:innen und Verkäufer:innen abgesprochen wird, um das Produkt gegen schwankende Preise abzusichern. Beim Klimaschutz verläuft der Prozess zwischen dem Staat und einem Unternehmen, das in klimafreundliche Technologien investiert. In bestimmten Fällen ist es für das Unternehmen noch immer günstiger, Zertifikate über den Emissionshandel zu erwerben, als in nachhaltige Technologien zu investieren. Bei einem Carbon Contract for Difference wird dem Unternehmen dieser Fehlbetrag vom Staat erstattet. Das Ziel ist es, so klimafreundliche Technologien wettbewerbsfähiger zu machen (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 2020).

Eine weitere Zielsetzung des Koalitionsvertrags ist es, [eine[n] europaweiten wirksamen CO2-Grenzausgleichsmechanismus […] innerhalb des bestehenden Emissionshandelssystems [umzusetzen]“ (SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP 2021, S. 21). Dieser Mechanismus wurde von der EU-Kommission 2021 unter dem Namen Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) für bestimmte Sektoren vorgeschlagen. Dabei geht es ebenfalls um das Verhindern eines Carbon Leakages, indem für bestimmte Importgüter derselbe CO2-Preis von den exportierenden Ländern bezahlt werden muss wie von den Staaten im EU ETS. Vorgesehen ist es, dass dieser Mechanismus schrittweise und ab 2035 komplett die bisherigen Maßnahmen (u.a. die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten) ersetzt (Umweltbundesamt 2021b, S. 1).

Gründung eines Klimaclubs

Zusammengefasst ergibt sich aus den verschiedenen Mechanismen aus dem Koalitionsvertrag der Ampel folgende Vision zu deren Umsetzung in einem sogenannten Klimaclub:

„Wir nutzen die Europäische Union und die internationalen Gremien gemeinsam mit europäischen Partnern für eine Initiative zur Gründung eines für alle Staaten offenen internationalen Klimaclubs mit einem einheitlichen CO2-Mindestpreis und einem gemeinsamen CO2-Grenzausgleich“ (SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, FDP 2021, S. 21).

Warum kann die Gründung eines Klimaclubs helfen, die bisherigen Schwierigkeiten der internationalen Klimaabkommen inklusive des Emissionshandels zu lösen? Dazu hier zunächst einmal eine kurze Definition zum Begriff Club:

„A club is a voluntary group deriving mutual benefits from sharing the costs of producing a shared good or service. The gains from a successful club are sufficiently large that members will pay dues and adhere to club rules in order to gain the benefits of membership” (Nordhaus 2015, S. 114).

Ein Club besteht aus freiwilligen Mitgliedern, die sich ein gemeinsames Gut teilen und dabei im Rahmen gemeinsamer Regeln und Verpflichtungen davon profitieren. Nicht-Mitglieder können aus dem Club einfach ausgeschlossen werden (ebd., S. 114). Diese Idee beschreibt Nordhaus als einfach übertragbares Modell für die internationalen Klimaverträge, um die bisherige Freiwilligkeit in mehr Verbindlichkeit zu überführen. Ein Klimaklub kann als Blaupause für den globalen Klimaschutz fungieren. Das Ziel des Clubs wäre es, sich gemeinsam zu Emissionsminderungen zu verpflichten und einen gemeinsamen CO2-Mindestpreis festzulegen. Dieser kann auch in ein Emissionshandelssystem integriert werden. Nicht-Mitglieder würden über höhere Importzölle bestraft. Dies würde Anreize für diese Staaten für eine Mitgliedschaft schaffen, bei der sie ebenfalls im Sinne der Emissionsminderung kooperieren müssten (ebd., S. 114/115).

Den Vorschlag zur Gründung eines Klimaclubs unterbreitete Kanzler Olaf Scholz im Juni diesen Jahres den Staats- und Regierungschefs auf dem G7-Gipfel in Elmau (Bundesregierung 2022). In der anschließend von den G7 veröffentlichten Erklärung heißt es:

„Der Klimaclub als zwischenstaatliches Forum mit anspruchsvollen Zielen zeichnet sich durch seinen inklusiven Ansatz aus und steht allen Ländern offen, die sich zur uneingeschränkten Umsetzung des Übereinkommens von Paris und der auf seiner Grundlage gefassten Beschlüsse, insbesondere des Klimapakts von Glasgow, sowie zu einer beschleunigten Umsetzung ihrer diesbezüglichen Maßnahmen bekennen. Wir laden Partner, darunter die großen Emittenten, die G20-Mitglieder und andere Entwicklungs- und Schwellenländer, ein, die diesbezüglichen Diskussionen und Beratungen mit uns zu intensivieren“ (G7, 2022).

Der Club soll bis Ende 2022 gegründet werden und basiert auf drei Säulen: 1. Ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen in Richtung Klimaneutralität unter anderem durch eine gemeinsame CO2-Bepreisung und weitere Ansätze; 2. Dekarbonisierung der Industrie; 3. Internationale Partnerschaften für Gerechtigkeit in der Energiewende (Bundesregierung 2022).

Kritik am geplanten Klimaclub äußert unter anderem die Autorin Elena Erdmann in einer Analyse für die ZEIT (2022): Die G7 zitieren zwar in ihrer Erklärung den IPCC und bemängeln eine zu geringe Senkung der Treibhausgasemissionen. Jedoch hätte keines der G7-Länder bisher selbst ausreichende Maßnahmen umgesetzt, um die Ziele aus dem Pariser Abkommen einzuhalten. Zudem hätte unter anderem Deutschland immer noch zu hohe Pro-Kopf-Emissionen, was für Staaten des globalen Südens ungerecht sei. Dennoch würden die G7 zumindest betonen, dass ihnen die gerechte Verteilung ein Anliegen sei.

Fazit

Zu Beginn des Jahrtausends brachten das Kyoto-Protokoll und das Emissionshandelssystem der EU marktbasierte Lösungen für die Klimakrise ein, die bis heute weiterentwickelt wurden. In das Abkommen von Paris hielten sie Einzug und auch in den Ausgestaltungen des Koalitionsvertrages der aktuellen Bundesregierung stecken hinter den ganzen kompliziert klingenden Begriffen einzelne Mechanismen, mit denen versucht wird, die Rahmenbedingungen für Klimaschutz für Unternehmen und Staaten einzuhegen und den Klimazielen entsprechend auszugestalten.

Dabei hat der Emissionshandel gepaart mit weiteren Mechanismen den Vorteil, dass er durch die Steuerung der Zertifikatmenge passgenau an die noch zur Verfügung stehenden Emissionsmengen angepasst werden kann. Eventuelle Nachteile durch höhere Kosten für die Unternehmen können, bestenfalls gekoppelt an die sozialen Auswirkungen für die Bevölkerung, ausgeglichen werden.

Auf der anderen Seite wird bei der Analyse des EU ETS deutlich, dass durch immer mehr Anpassungen und Sonderregelungen die eigentlichen Wirkweisen gar nicht mehr zum Tragen kommen. Viel zu oft werden noch die höheren Kosten aus Angst vor Wettbewerbsnachteilen (Carbon Leakage) einfach von staatlicher Seite ausgeglichen und somit nicht das Verursacherprinzip beachtet.

Ideen, die diese Sorgen ausräumen, hat dieser Beitrag mit den Positionen der Ampelparteien und der Idee des Klimaclubs versucht zu beleuchten. Dies ist eine der Möglichkeiten, wie der Emissionshandel verpflichtend für die beteiligten Staaten eingebettet werden kann, indem die Clubmitglieder vor Nachteilen geschützt sind und im Gegenteil sogar Wettbewerbsvorteile durch ihre Mitgliedschaft nutzen können. Allerdings kommt es hier im Falle des Klimaclubs der G7 noch auf die konkrete Umsetzung an, ob der Klimaclub wirklich genügend oder zumindest mehr Anreize bietet als die freiwilligen Verpflichtungen von Paris.

Die Weltgemeinschaft sollte dabei nicht das Ziel aus den Augen verlieren: Die Begrenzung der Erderwärmung. Das Mittel dahin sollte mittlerweile fast egal sein, solange es wirksam ist und tatsächlich zu einer globalen Emissionsminderung führt. Schöne Versprechen auf Gipfeln und Konferenzen bringen nichts für dieses Ziel.

Es muss in naher Zukunft also kritisch beobachtet werden, ob der Emissionshandel mitsamt aller neuen Mechanismen und Einbettungen in Gremien endlich seine versprochenen Wirkungen zeigt, oder ob doch ordnungspolitische Instrumente, wie ein stark erhöhter CO2-Preis, die einzigen Mittel sind, die noch schnell genug greifen, um die Klimaziele einzuhalten. 

Literatur

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