Mittwoch, 20. September 2017

Glück als Ziel der Politik? Deutschland und Bhutan in der Analyse

Unsere Welt strebt danach und Politik orientiert sich daran: Wirtschaftswachstum, steigendes BIP, wachsender Konsum und technischer Fortschritt. Viele dieser Ziele zeigen sich in Handlungen der aktuellen Regierung. Nicht alle Ziele scheinen unangebracht, doch müssen daraus direkt Glück und Zufriedenheit entstehen? Wie und in welchem Maße können Glück und Zufriedenheit Ziele des Politikbetriebes sein?

Wie lassen sich Glück und Zufriedenheit in einer Gesellschaft messen?

Um diese Frage genauer zu beantworten, lassen sich verschiedene Quellen heranziehen, welche durch je eigene Kriterien Glück und Zufriedenheit definieren und demnach untersuchen.

Die W3 Indikatoren: Laut Bundesfinanzministerium ist bekannt, dass das BIP eines Landes nicht ausreichend Auskunft über die individuelle Zufriedenheit der Bürger eines Landes geben kann. Aus dieser Erkenntnis heraus misst die 2013 vom Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission mit ihrem eigenen Indikatorensystem, wie es um Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität in Deutschland steht. Dies erfolgt in folgenden Leitindikatoren:



Die Kriterien orientieren sich immer noch stark an wirtschaftlichen Leistungen bzw. der Leistungsfähigkeit eines Individuums und nicht zwingend an den sozialen Beziehungen. Unter der vorhandenen Kategorie „Soziales und Teilhabe“ werden Punkte wie „Beschäftigungsquote“, „Bildungsabschluss Sek. 2“, „Lebenserwartung“ und „Freiheit“ geführt. Darin wird unter „Freiheit“ gefasst, wie es um Meinungs- und Pressefreiheit oder der Teilhabe in der Auswahl der Regierung steht. Faktoren wie soziale Beziehungen sind aber unterrepräsentiert, wo doch gerade Menschen, welche bspw. lange mit demselben Partner zusammenbleiben am glücklichsten sind.

Der World Happiness Report 2017 beschäftigt sich mit den sechs Faktoren, welche „{...} das persönliche Wohlempfinden nachweislich beeinflussen - und zusammengesetzt persönliches Glück ergeben sollen.“ Schon mit der Auflistung der relevanten sechs Kriterien fällt auf, dass das viel zitierte BIP nicht irrelevant, aber nur Voraussetzung eines persönlichen Glücksempfindens sein kann.

Bruttoinlandsprodukt, Lebenserwartung, soziales Angebot für Bedürftige, Vertrauen in Regierung und Wirtschaft, gefühlte Entscheidungsfreiheit und Spendenbereitschaft werden beim World Happiness Report genauer analysiert. Die von Personen abhängigen Daten sind durch Selbstwahrnehmung zustande kommen. Nicht nur positive, sondern auch negative Faktoren wie Sorge, Trauer und Wut werden für die Erhebung herangezogen.


Aus diesen Daten der Bevölkerung wird dann ein Faktor ermittelt, welcher das Glückslevel abbildet. Durch die Analyse dieser Kriterien und nicht alleine dem Fokussieren auf das Bruttoinlandsprodukt ist es möglich, alternative Aussagen über den Zustand einer Gesellschaft zu machen - und das nicht allein mit wirtschaftlichem Bezug.

Inwieweit kann Geld Menschen einer Konsumgesellschaft glücklich machen?

Bei der Betrachtung Chinas im World Happiness Report fällt auf, dass trotz fünffacher Steigerung des Bruttoinlandsproduktes seit den 90ern der Glücksindex wieder denselben Wert von 1990 einholt. Forscher begründen dies mit der steigenden Arbeitslosigkeit und dem Ausdünnen sozialer Netzwerke.

Wissenschaftler betonen ebenfalls, dass persönlich empfundenes Glück stark vom Zustand des sozialen Umfeldes und der Gesellschaft abhängt. Ein positives Glücksgefühl wird durch den Grad von „Großzügigkeit, Solidarität, Freiheit für eigene Lebensentscheidungen und Vertrauen in Regierung und Behörden“ ermittelt. Die Situation Chinas zeigt folgende grundlegende Aussage des Reports: Steigendes Einkommen und folglich Geld und Konsum können Glück begünstigen, sind aber nicht alleine relevant für ein zufriedenstellendes Leben. Reich-Ranicki hat einmal passend gesagt: "Geld allein macht nicht glücklich, aber es ist besser, in einem Taxi zu weinen als in der Straßenbahn."

Viele Menschen halten daran fest, dass Geld glücklich macht und vergleichen sich dabei meist mit denjenigen, die mehr haben, bzw. betrachten dabei die Güter, welche für sie momentan nicht erreichbar, aber in ihren Augen erstrebenswert sind.

Untersuchungen belegen, dass der Zusammenhang von Glück und Geld/Einkommen zwar besteht, aber nur in begrenztem Maße. Wer beispielsweise in Deutschland lebt und ein unterdurchschnittliches Jahreseinkommen von 15.000 Euro bezieht, der erlebt einen starken Glückszuwachs, wenn sich das Einkommen auf 30.000 Euro verdoppelt. Wer es schafft, dies nochmal auf 60.000 Euro zu steigern, erhält einen weiteren Glücksbonus, der jedoch schon bedeutend geringer ausfällt als beim ersten Sprung.

Bei einem Jahresgehalt von bis zu 100.000 Euro geht der Effekt nahezu komplett verloren. Würde ein Mensch mit durchschnittlichem Jahresgehalt im Lotto gewinnen, würde er zwar einen Zustand des Glücks erleben, der aber nur von kurzer Dauer wäre, denn er würde sich an die Lebensumstände gewöhnen. Wer sich also Reichtum als Lebensziel setzt, riskiert mit einem hochbezahlten Beruf, dass der Geldbeutel sich zwar füllt, basale Bedürfnisse wie soziale Beziehungen jedoch auf der Strecke bleiben und damit Lebensqualität verloren geht.

Hinzu kommt, dass es, um Lebensstandard und Konsumlevel halten zu können, Zeit bedarf, um Geld zu verdienen. Diese Zeit fehlt dann für die eigene Familie, Freunde oder Hobbys. Es endet im Stress. Wer viel konsumieren will, muss viel arbeiten. Durch diese Grundhaltung werden seelische und emotionale Bedürfnisse eindeutig unterbetont.

Müssten nicht alle Bürger in Bhutan glücklich sein?

Bei diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen stellt sich folgende Frage: Sollte sich Politik stärker um das Wohlergehen der Bürger kümmern, indem soziale Beziehungen stärker begünstigt werden? Darin läge unmittelbar die Steigerung des Wohlbefindens. Als bürgerfreundliche Maßnahmen gelten nicht zu unrecht Gehaltserhöhungen oder Steuersenkungen, jedoch hängen diese Faktoren nur mittelbar mit sozialen Beziehungen und deren Qualität zusammen. Was in Deutschland nicht primär im Fokus liegt, wird vom Königreich Bhutan unternommen.

Bhutan liegt zwischen Indien und Tibet im Himalaya auf über 7000 Metern Höhe, bei einer der Schweiz vergleichbaren Fläche und hat 800.00 Einwohner. Bis ins 20. Jh. lebten die Menschen dort nahezu ohne äußere Einflüsse. Nach Destabilisierungen durch Invasionen der Tibeter, Mongolen, Fheden und Konflikten zwischen den Volksgruppen Bhutans wurde 1907 eine Erbmonarchie eingeführt, was zu mehr Stabilität führen sollte.

Über die Regentschaft mehrerer Könige hinweg lebten die Bürger ohne Infrastruktur, es gab keine Straßen, Telefone, Post oder Läden. Handel beschränkte sich auf Naturtauschgeschäfte, Gesundheitsversorgung gab es nicht. Zudem beschränkte sich die Bildung der Kinder ausschließlich auf religiöse Ausbildung in Klöstern, neben elf Schulen mit lediglich 500 Schülern im ganzen Königreich. Spirituelle Riten haben eine sehr ausgeprägte Alltagsbedeutung für die Bevölkerung. Die Lebenserwartung lag 1950 bei 35 Jahren (vgl. Rutland 1999, 284-294).

Durch Versorgungsnöte geprägt und unter dem Druck aus den Nachbarländern Tibet und Indien gelang dem vierten König Jigme Singye (Regierungszeit 1972-2006) die Ausführung einer prägenden Modernisierungspolitik. Dazu zählten bspw. Straßenbau, Intensivierung außenpolitischer Beziehungen, medizinische Grundversorgung, Bau von Schulen, Wasserkraftwerken und eines Flughafens, Errichtung der Telekommunikation oder auch landwirtschaftliche Beratungsdienste. So gelang Bhutan in 50 Jahren der Sprung von mittelalterlichen Lebensbedingungen in die Moderne (vgl. Larmer 2008, 124-149).

Unabhängig von deisen Modernisierungsprozessen blieb der Buddhismus bis heute prägendes Element gesetzlicher Ordnungen. Um das Bruttonationalglück einordnen zu können, ist es relevant, das Gesellschaftssystem des Königreiches zu verstehen.

Gesellschaftssystem Bhutans

Durch die starke Prägung durch den Buddhismus gelten folgende religiöse Grundprinzipien:
  • Primat des Geistes: Hauptfokus gilt dem Geist, da alle Materie durch Geist entsteht.
  • Erleuchtung: Sie ist das Endziel eines Wesens (Loslösung des Geistes von Gedanken) (vgl. Pryor 1990, 339-349).
  • Universale Perspektive: Alle Phänomene sind miteinander verknüpft und voneinander abhängig.
  • Karma: Gesetz von Ursache und Wirkung im Leben eines Menschen.
  • Wiedergeburt: Sie „kann durch Erreichen der Erleuchtung durchbrochen werden“, was den Bürgern nicht nur eine lineare, sondern zirkuläre Wahrnehmung der Realität bietet. Alle Motivation zu nachhaltigem Handeln basiert auf „der Wohlfahrt zukünftiger Generationen“.
Das Bruttonationalglück Bhutans ist somit stark von dem Relativieren materiellen Besitzes und nachhaltiger Ausrichtung des Handelns geprägt. Glück ist für Bhutan „ein aus sich selbst heraus, durch die Ruhe des Geistes erzeugtes Gefühl“.

Diese Grundprinzipien sind die Grundlage allen Zusammenlebens im Königreich. Seinen gesetzlichen Ursprung erhält das Bruttonationalglück in der ersten Verfassung Bhutans, die im Jahr 2008 verfasst wurde. Demnach basiert das Bruttonationalglück auf vier Säulen:
  • Gerechte wirtschaftliche Entwicklung
  • Förderung einer guten Regierungsführung
  • Bewahrung traditioneller und kultureller Werte
  • Schutz der Umwelt
Diese sind nicht direkt messbar, weshalb darüber hinaus neun Indikatoren der konkreten Analyse und Umsetzung dienen:
  • Psychisches Wohlbefinden: Wie steht es um Eifersucht, Frustration, Mitleid, Gebet, Meditation?
  • Zeitverwendung: Was können Menschen in 24 Stunden alles machen? Ist es dem Glück dienlich?
  • Gemeinschaftsleben: Wie verhält es sich mit den Beziehungen in der Gemeinschaft?
  • Kulturelle Vielfalt: Werden Dialekte, regionale Sportarten oder Feste ausreichend gewürdigt?
  • Gesundheit: Wie oft sind Menschen krank? Wie weit ist es zum nächsten Arzt?
  • Bildung: Werden Kenntnisse, Werte und Kreativität gefördert?
  • Ökologische Vielfalt: Wie ernst nimmt man Themen wie Umweltschutz oder Aufforstung?
  • Lebensstandard: Gibt es genug Wohnraum und Lebensmittel?
  • Gute Regierungsführung: Wie steht es um Effizienz, Ehrlichkeit und Qualität?
Trotz niedrigem Pro-Kopf-Einkommen baut Bhutan seit 1970 sein Gesundheits- und Bildungssystem aus (Ura 2003), was zu einer erheblichen Steigerung der Lebenserwartung führte (37 Jahre auf 66).

Auch Umweltschutz spielt eine erhebliche Rolle, so wurde schon 1974 festgelegt, „dass die bewaldete Fläche nicht unter 60 Prozent sinken darf...“ (Dhital 2002, 44-51). Dieses Gesetz ist bis heute gültig und führte zu einer Bewaldung von über 70% der Landfläche (vgl. Zurick 2006, 657-681). Somit ist Umweltschutz nicht nur als zweite Säule des Ordnungsrahmens, sondern auch durch praktische Anwendung im Königreich verankert.

Des weiteren wird das Bruttonationalglück gefördert, indem Tourismus nur sehr stark reglementiert zugelassen wird, da andere asiatische Länder zeigten, welche negativen Auswirkungen Tourismuspolitik haben kann: Zerstörung der Umwelt durch Rodung, Nahrungsmittelknappheit für die Bevölkerung in tourismusreichen Regionen oder auch erhöhtes Drogen- und Prostitutionsangebot (vgl. Richter 1989, 177).

Touristen, welche nach Bhutan einreisen wollen, müssen mit hohen Kosten rechnen und dürfen nur in geführten Gruppen reisen. Das leitende Prinzip beim Tourismus ist sicherlich auch auf sämtliche Felder der Politik zu übertragen: Der Tourismus sollte „an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden, und nicht umgekehrt (ebd.)“.

Die Gesetze Bhutans müssen also das Klima schützen, die Kultur bewahren und den Staat und die Bürger in eine nachhaltige sozioökonomische Entwicklung führen.

Kritik und Zweifel an der Aussagekraft des Bruttonationalglücks

Die klaren Entscheidungen der Könige Bhutans, welche allesamt dem Bruttonationalglück dienen sollten, zeigen in ihrer Kompromisslosigkeit aber auch negative Folgen für Minderheiten im Königreich. Durch Volkszählung der 1980er Jahre wurde bekannt, dass die nepalesische Volksgruppe deutlich größer war als bis dato angenommen. Die Reaktion des Königs war es, die aus eigener Sicht illegalen Immigranten des Landes zu verweisen. Politische Forderungen der 1980er Jahre unter dem Motto „One Nation, One People“ zum „Erhalt der kulturellen Identität“ decken auf, wie das Königreich es mit nicht-buddhistischen Minderheiten hält.

Die Präsenz der Religion ist auch darin negativ erkennbar, dass Kinder aufgrund von Armut bereits in jungen Jahren in Klöster gebracht werden. Bildung und freie Entfaltung steht ihnen dort höchstens begrenzt oder gar nicht zur Verfügung. Gleichzeitig werden sie von Besuchern und Bevölkerung verehrt - aus westlicher Sicht ein Widerspruch, der auch durch begeisterte westliche Besucher verstärkt wird. Denn um persönliches Glück zu erfahren, sind freie Entfaltung und Selbstbestimmung nötig (Weltspiegelreportage 3:40).

Ein weiterer Widerspruch zwischen angesprebtem Glück und Realität zeigt sich in Folgendem: Nach Informationen des Arbeitskreises Religionsfreiheit der Evangelischen Allianz werden 2,1% der einheimischen Bevölkerung aufgrund ihres christlichen Glaubens diskriminiert. Dies beruht auf dem Nicht-Anerkennen des Glaubens. Der Glaube muss unauffällig gelebt werden, „da Kirchenbauten, Gebetsstunden in Privathäusern oder auch Bibelverteilungen verboten sind.“ Der christliche Glaube kann bis zur Regulierung der Wasserzuteilung und sogar zum Entzug der Staatsbürgerschaft führen.

Diese Haltung zeigt einmal mehr, dass denjenigen eine Grundlage zu einem glücklichen Leben gelegt wird, die sich dem Glauben und Weltverständnis des Königs und somit des Buddhismus unterstellen. OpenDoors bezeichnet die Hauptriebfeder für die schlechte Situation der christlichen Minderheit als „religiös motivierten Nationalismus vermischt mit ethnisch begründeten Anfeindungen“ und weist ebenfalls darauf hin, dass Diskriminierung durch Verweigerung der Ausgabe neuer elektronischer Personalausweise bereits stattfindet. Durch die Abschottung des Königreiches ist es für bhutanische Bürger nicht-buddhistischen Glaubens ein großes Problem, frei und selbstbestimmt zu leben.

Daneben wirkt es durchaus zynisch, wenn Bürger funktionierender westlicher Demokratien auf Grund von kulturellem und religiösem Interesse eine Reise nach Bhutan, zur Quelle der geistigen Inspiration, auf sich nehmen, selbst aber nicht für die Rechte diskriminierter Minderheiten dort einstehen und mit ihrer Reise der Regierung und den Gesetzen des Königreiches Recht geben.

Macht Deutschlands Politik glückliche Bürger?

Dem World Happiness Report zufolge sind Deutschlands Bürger heute glücklicher als jemals nach der Wiedervereinigung und befinden sich auf Platz 16, somit vor Großbritannien oder Frankreich. Was Bhutan sich als gesetzliches Ziel auferlegt hat, ist auch in politischen Maßnahmen Deutschlands zu erkennen, auch wenn es dabei nicht immer um eine direkt benannte Glückssteigerung geht.

Deutschlands Regierung gab 2016 eine Bürgerbefragung zur Lebensqualität in Deutschland in Auftrag, um direkt zu erfahren, was der Bevölkerung wichtig ist. Das Ergebnis ist eine Art Zielsetzung politischen Handelns für eine zufriedene Bevölkerung. Die Datenerhebung aus dem Bürgerdialog der Bundesregierung mit 16.000 Teilnehmern können als Zielsetzungen für politisches Handeln betrachtet werden, wenn es um das Zufriedenheits- und Glückslevel der Bevölkerung geht. Welche Punkte der Datenerhebung sind heute gut repräsentiert, welche weniger gut?

Versorgung mit Haus- und Fachärzten (Gesund durchs Leben): Die Bundesärztekammer berichtet, dass die Arztzahlen zwar leicht steigen, aber die Differenz zwischen Behandlungsbedarf und Behandlungskapazität immer weiter steigt und in einigen Regionen sehr große Lücken klaffen. Die Situation entspricht nicht den Bedürfnissen der Bürger Deutschlands. 2016 zogen 2050 Ärzte aus Deutschland. Hier könnte die Politik ansetzen und sich mit den Arbeitsbedingungen und Gehältern von Ärzten in Deutschland auseinandersetzen. Das hätte Folgen für die Zufriedenheit von Patienten und Ärzten selbst.

Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit (Gut arbeiten & gerecht teilhaben): Der Wert derer, die mit den eigenen Arbeitsbedingungen und der Bezahlung zufrieden sind, liegt laut repräsentativer Umfrage der Manpowergroup bei über 50%. Verbesserungsbedarf gibt es beispielsweise bei Familienfreundlichkeit (67% unzufrieden), flexiblen Arbeitszeitmodellen (61% unzufrieden) und der Möglichkeit zur Auszeit (88% unzufrieden). Zusätzlich ist laut AOK der Arbeitsausfall durch psychische Erkrankungen in den letzten zehn Jahren um knapp 80 Prozent gestiegen. Dies deutet auf eine hohe psychische Belastung und deckt sich mit den Erkenntnissen der Manpowergroup.

Frühe Schulabgänger (Bildungschancen für alle): Ist der Grundstein zu einer Berufsausbildung nicht mit einem Schulabschluss gelegt, nimmt nicht nur die Unzufriedenheit zu, sondern auch die Möglichkeit der Eingliederung in die Gesellschaft ab. 2014 stieg die Zahl aller Schüler, die die Schule ohne Schulabschluss verließen auf knapp 47.000 (6%). Gleiche Bildungschancen für alle bedeutet, dass Deutschlands Politik sich gerade um die östlichen Bundesländer bemüht, welche generell eine höhere Abbrecherquote haben. Neue Förderkonzepte, Abbau von Hauptschulen oder „die Integration von Schülern mit Förderbedarf in Regelklassen“ sind Ansätze und Maßnahmen, denen sich die Politik auf Bundes- und Landesebene widmen kann.

Verhältnis zwischen gewünschter und tatsächlicher Arbeitszeit (Zeit haben für Familie und Beruf): Einer Veröffentlichung des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung – Berlin) zufolge sind „Normgeprägte Arbeitszeiten [...] zwar immer noch dominierend, […] werden aber im Zeitverlauf seltener vereinbart und sind noch seltener gewünscht.“ Zudem werden Arbeitszeiten in Teilzeit immer häufiger gefragt, können mangels Angebot jedoch nicht realisiert werden. Um Familien zu stärken, könnte die Politik Vereinbarung mit der Wirtschaft treffen, um bspw. Teilzeitstellen zu schaffen.

Armutsrisikoquote (Ein sicheres Einkommen): Das Statistische Bundesamt veröffentlichte Quoten, welche deutlich zeigten, welche Personengruppen am stärksten von Armut gefährdet sind. Die vier größten Personengruppen sind Arbeitslose (69,1%), Alleinerziehende und Personen in deren Haushalt (33,7%), dicht gefolgt von Alleinlebenden (33,1%) und Menschen mit niedrigem Bildungsstand (29,8%). Gerade diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig Schulabschluss und Ausbildung sind, um zu einem Mindestmaß an Einkommen, Lebensstandard, Selbstverwirklichung und folglich Zufriedenheit zu gelangen.

Vertrauen der Menschen in die örtliche Polizei (Sicher und frei leben): Eine Forsa-Untersuchung brachte das Ergebnis, dass bei steigendem Wert die Polizei (88%) noch vor dem Arbeitgeber (83%) und Ärzten (80%) das größte Vertrauen der Deutschen genießt. Bei steigenden Straftaten sollten Polizeistellen verstärkt werden, um das Sicherheitsgefühl der Bürger zu stärken.

Breitbandversorgung (Zuhause sein in Stadt und Land): Die Internetversorgung bestimmt nicht nur über private Unterhaltung und Kommunikation, sondern auch wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit. Weltweit liegt Deutschland nur auf Platz 25, europaweit auf Platz 15 hinter Norwegen, Rumänien, Tschechien oder Bulgarien. Hier hat der Staat noch einige Aufgaben zu erfüllen.

Zusammenhalt in Familie und Gesellschaft: Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung fällt die Anerkennung sozialer Regeln in Deutschland positiv auf. Gleichzeitig gibt es einen negativen Trend bei der Akzeptanz von Diversität, Solidarität und Hilfsbereitschaft. Am schlechtesten steht es um Identifikation mit dem Gemeinwesen. Hier gibt es Verbesserungsbedarf.

Luftqualität (Natur erhalten, Umwelt schützen): Das Umweltbundesamt berichtet, dass die Schadstoffbelastung in Deutschland in den letzten 25 Jahren merklich abgenommen hat. Auch die Stickoxidbelastung nehme ab, überschreitet aber immer noch Grenzwerte.

Wahlbeteiligung (Frei und gleichberechtigt leben): Prof. Decker spricht Demokratien ein sich immer mehr verschärfendes Souveränitätsproblem zu. Da Entscheidungsmöglichkeiten tendenziell immer mehr auf die supra- und transnationale Ebene verlagert werden, sinkt langsam der Entscheidungsbereich, über welchen durch Wahlen entschieden werden kann. Dieser Trend ist auch bei der Wahlbeteiligung in Kommunal- oder Landtagswahlen zu beobachten, bei denen die Wahlbeteiligung sinkt. Die materielle Lebenswirklichkeit wird in erster Linie von bundespolitischen Entscheidungen geprägt.

Opposition: Neben der Regierung haben auch B90/Die Grünen und Die Linke Indikatoren für Lebensqualität und Wohlstand formuliert. Das Unterbewerten der sozialen Beziehungen und subjektiver Befindlichkeit wird nicht nur seitens wirtschaftlicher Analysen unternommen. Auch aus Berichten beider Parteien ist ersichtlich, dass Indikatoren, welche Lebensqualität ausdrücken sollen, diesen Aspekt merklich unterbewerten (siehe: Bericht der Fraktion Die Linke, Kommissionsdrucksache 17(26)88 vom 24.01.2013, S. 6 und Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Kommissionsdrucksache 17(26)89 vom 28.01.2013, S. 4).

Fazit: Können Glück und Zufriedenheit ein politisches Ziel sein?

Auch wenn Glück und Zufriedenheit nicht wortwörtlich Ziele der Gesetze und Politik in Deutschland sind, werden trotzdem viele Entscheidungen zugunsten dieses übergeordneten Zieles getroffen. Deutschlands demokratische Grundordnung versichert den Bürgern und Bürgerinnen viele Freiheiten, die in anderen Staaten, wie auch Bhutan, nicht vorhanden sind, auch wenn Wirtschaftswachstum noch häufig im Vordergrund steht. Würde man sich dies öfters vor Augen führen, würde die vorhandene Freiheit auch deutlicher wahrgenommen und geschätzt werden. Zufriedenheit wäre dann nicht nur ein Gefühl, sondern auch eine Einstellung zum vorhandenen Wohlstand.

Trotzdem könnten Glück und Zufriedenheit in politischen Maßnahmen mehr Raum bekommen und zu einer zufriedeneren Gesellschaft beitragen. Entlastung im Arbeitsbereich durch flexiblere Arbeitszeiten, Homeoffice oder Sabbatjahre sind Beispiele und Wege, um soziale Beziehungen und Familien zu stärken. Geld allein besitzt nicht die Fähigkeit, dauerhaft Zufriedenheit zu schaffen.

In puncto Minderheitenakzeptanz könnte Bhutan von Deutschland lernen angesichts der Ausgrenzung und Diskriminierung von kleineren Religionsgruppen wie den Christen im Königreich. In Deutschland dürfen sich nicht nur christliche Bevölkerungsanteile, sondern auch Andersgläubige oder Minderheiten ihrer Freiheit bewusst sein, hier legt Deutschland eine starke Basis zu einer glücklichen Lebenseinstellung.

Demokratische Gesetze geben die Möglichkeit, ein glückliches Leben zu führen. Deutschlands Regierung könnte die Entlastung sozialer Beziehungen der Bürger stärker fokussieren. Nicht zuletzt liegt es auch an jedem einzelnen Bürger selbst, eine Haltung zu seinem Leben und Lebensumständen zu entwickeln - eine Haltung, die Freiheit und Sicherheit schätzt und neben der finanziellen Grundversorgung bewusst in Freunde, Familie oder Interessen investiert. 

Literatur

Larmer, Brook (2008), Bhutan's Enlightened Experiment, National Geographic, Bd. 213 (3), S. 124-149.

Pryor, Frederic L. (1990), A Buddhist Economic System – in Principle, American Journal of Economics and Sociology, Bd. 49 (3), S. 339-349.

Richter, Linda K. (1989): The politics of tourism in Asia. Honolulu : University of Hawaii Press, c1989

Rutland, Michael (1999), Bhutan: From the Mediaeval to the Millenium, Asian Affairs , Bd. 30 (3), S. 284-294.

Ura, Karma (1997), Tradition and Development, in: Christian Schicklgruber und Françoise Pommaret (Hrsg.), Bhutan – Mountain Fortress of the Gods , London und Wien, S. 239-251

Zurick, David (2006), Gross National Happiness and Environmental Status in Bhutan, Geographical Review, Bd. 96 (4), S. 657-681 

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Bundesregierung (26.10.2016): Regierungsbericht zur Lebensqualität, https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2016/10/2016-10-26-gut-leben-in-deutschland-regierungsbericht.html

Bundeszentrale für politische Bildung (29.12.2016): Ausgewählte Armutsgefährdungsquoten.
http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61785/armutsgefaehrdung


Decker, Frank (30.09.2016): Sinkende Wahlbeteiligung. Interpretationen und mögliche Gegenmaßnahmen. http://www.bpb.de/apuz/234703/sinkende-wahlbeteiligung-interpretationen-und-moegliche-gegenmassnahmen?p=all

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Dhital, D. B. (2002), Overview of Forest Policy Reviews in Bhutan, in: Thomas Enters und Robin N. Leslie (Hrsg.), Forest Policies and Forest Policy Reviews. Proceedings of the Forest Policy Workshop No. 2, 22-24 January 2002, Kuala Lumpur, Malaysia, S. 44-51, online unter: ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/003/AB576E/AB576E00.pdf

Dorji, Kinley (2008b), Gross National Happiness: Heavier than a Mountain, online unter: http://www.kuenselonline.com/modules.php?name=News&file=article&sid=11544

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Kröger, Michael (14.09.2017): AOK-Bundesverband Arbeitsausfall durch psychische Krankheiten um 80 Prozent gestiegen, online unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/arbeitsausfall-durch-psychische-krankheiten-stark-gestiegen-a-1167564.html

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Ura, Karma (2003), The Bhutanese Development Story, online unter: http://www.bhutanstudies.org.bt/publicationFiles/Monograph/mono-1en-bt-dev-stry.pdf

Vopel, Stephan (16.07.2013): Beim Zusammenhalt ist Deutschland nur Mittelmaß.
http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/layer/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/pid/beim-zusammenhalt-ist-deutschland-nur-mittelmass/?tx_rsmbstpress_pi2%5Bpage%5D=24&cHash=36c13f4037bceb2237fcc2a7303ece37

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