Mittwoch, 20. März 2019

Die grüne Lüge - Greenwashing als profitables Geschäftsmodell

Nicht erst die aktuelle "Fridays for future"- Bewegung zeigt, dass das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit immer mehr das Interesse der breiten Öffentlichkeit findet. Dass dies so ist, bleibt auch der Wirtschaft, also den vielen nach Gewinn strebenden Konzernen und Unternehmen, nicht verborgen.

Doch bisher reagieren Unternehmen und Konzerne zumeist nicht etwa mit Schrecken auf das Phänomen der Bürgerin/des Bürgers, welche(r) immer umweltbewusster Leben will. Im Gegenteil. Eben diese Bürger stellen für Unternehmen und Konzerne ein neues Potenzial für ein neues "grünes Wachstum" dar. Mit "grünen Lügen" wird versucht, das eigene Auftreten nachhaltiger wirken zu lassen und somit den Konsumenten ein gutes Gewissen beim Kauf der Produkte einzureden und so für sich selbst zu überzeugen. Mit dieser Strategie, dem so genannten "Greenwashing" beschäftigt sich diese Arbeit.

Dass dieses Thema kaum aktueller sein könnte, zeigt die Veröffentlichung des Buches "Die grüne Lüge", welches von der Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann geschrieben wurde. Inhaltlich und strukturell bietet dieses Buch einen guten Leitfaden, weshalb sich diese Seminararbeit in großen Teilen daran orieniert. Hier der Trailer des Films "The Green Lie" zum Buch "Die grüne Lüge - Weltrettung als profitables Geschäftsmodell" von Kathrin Hartmann:

                                                
Um jedoch erst einmal genau zu verstehen, was mit dem Thema Greenwashing gemeint ist, beginnt diese Seminararbeit mit einer Einführung und Erklärung des Begriffs. Dann soll mit Hilfe von Beispielen verdeutlicht werden, wie Greenwashing in der Realität praktiziert wird und welche Auswirkungen es hat. Der Schluss der Arbeit ist einem Ausblick gewidmet, wie und ob eine Zukunft ohne "grüne Lügen" möglich ist.


Greenwashing: Einführung

Kurz und knapp lässt sich Greenwashing als ein Täuschungsversuch eines Unternehmens oder Konzerns gegenüber dem Konsumenten erklären. Diese stellen sich beim „Greenwashing“ als besonders umweltbewusst und sozial engagiert dar, um so die Gunst der Konsumenten für sich zu gewinnen (Utopia, 2016).

Buchautorin Hartmann, auf deren Ausführungen sich diese Seminarbeit immer wieder berufen wird, definiert „Greenwashing“ als eine Strategie, „in welcher Konzerne ihre schmutzigen, profitablen Kerngeschäfte hinter einem grünen Mäntelchen verstecken“ (Die grüne Lüge, S.17). In anderen Worten versteht Hartmann unter Greenwashing, dass Kunden der „Mehrwert des guten Gewissens“ verkauft wird.

Neben den Unternehmen, welche durch Greenwashing ihre Produkte besser verkaufen können, profitieren noch weitere Industriezweige, beispielsweise die Werbe- und Marketingindustrie, von dieser Strategie (Die grüne Lüge, S. 18).

Konzerne versuchen also mit Hilfe von Greenwashing, ihr eigenes Image aufzupolieren und sich in einem „grünen Licht“ zu präsentieren, welches in den meisten Fällen jedoch nichts oder nur wenig mit der Realität zu tun hat. Doch wie und durch welche Tricks schaffen es die Unternehmen überhaupt, sich selbst ein „Öko-Image“ zu verpassen?

Wie funktioniert Greenwashing?

Um sich als Konzern oder Unternehmen selbst „grün zu waschen“ gibt es verschiedenartige Tricks und Möglichkeiten. Zum Beispiel kann ein vom Unternehmen eigens erfundenes Gütesiegel, welches auf die Verpackung eines Produktes gedruckt wird, dazu führen, dass der Kunde denkt, mit seinem Kauf würde er Umwelt- und Naturschutz unterstützen, obwohl dies mitnichten der Fall ist.

Doch nicht nur mit Hilfe von „Fake-Labels“ und „Fake-Siegeln“ versuchen Unternehmen, den Kunden über ihre schmutzigen Geschäfte hinwegzutäuschen. Auch beispielsweise groß angelegte Werbekampagnen können dazu führen, dass dem Kunden beim Kauf ein gutes Gewissen eingeredet wird (Uni.de, 2014).

Doch zunächst einmal allgemein: Dass Unternehmen überhaupt versuchen, den Kunden mit ihren „grünen Lügen“ zu manipulieren, spricht dafür, dass diese im Grunde von einem umweltbewussten Kunden ausgehen. Für Hartmann liegt dies auf der Hand. Der Meinung der Buchautorin nach sei nämlich ausgerechnet die elitäre, gebildete und eben oft auch umweltbewusste Bevölkerungsgruppe diejenige, welche den "grünen Lügen" von allen Bevölkerungsgruppen am leichtesten Glauben schenkt. Man könnte diese Bevölkerungsschicht auch als „Zielgruppe“ der grünen Lügen bezieichnen.

Hartmann geht sogar so weit zu sagen, dass je absurder die „grüne Lüge“ sei, desto eher an diese geglaubt werden würde. Angehörige westlicher Konsumgesellschaften würden nämlich gerne hören, dass alles so weiter gehen könne wie bisher, und am besten noch, dass ihr Konsum dazu führen würde, die Umwelt zu schützen (Die grüne Lüge, S.18). Ein Widerspruch in sich. Um zu zeigen, wie diese Greenwashing-Strategien in der Realität von Konzernen angewandt werden und wie sie funktionieren, werden im Folgenden mehrere Beispiele aufgeführt.

Beispiel: Meeresmode von Adidas - Greenwashing der Unternehmen

Bei einem der wohl bekanntesten Fälle von Greenwashing geht es um den deutschen Konzern Adidas. Dieser sagte im Jahr 2016 in Zusammenarbeit mit der Organisation „Parley for the Oceans“ dem Meeresplastik "den Kampf an" und entwickelte ein Konzept, mit dem durch das Recycling von Meeresmüll Klamotten hergestellt werden können. Hier ein Beispielvideo der "save the oceans"- Kampagne von Adidas:


Was sich im ersten Moment danach anhört, als ob Adidas sich seiner Verantwortung gegenüber der Umwelt im Klaren ist und als ob das Unternehmen Naturschutz dem eigenen Profit überordnet, hält der genaueren Betrachtung nicht stand.

Gegen die gute Absicht des Projekts spricht nämlich unter anderem, dass, laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH), aus Meeresplastik recyclete Klamotten bereits beim ersten Mal waschen Mikroplastikpartikel verlieren würden, welche über Kanalisation und Gewässer im Endeffekt wieder im Meer landen würden, womit die Effizienz der Kampagne durchaus angezweifelt werden kann (Wirtschaftswoche, 2015). Nun könnte man Adidas für diese Aktion aber immer noch aufgrund des guten Willens loben. Immerhin haben sie offensichtlich versucht, etwas zu unternehmen.

Jedoch nimmt dieses gute Gefühl gegenüber dem Konzern bereits einen faden Beigeschmack an, wenn man sich die zu diesem Thema von Adidas in Auftrag gegebene Werbekampagne anschaut. Das Unternehmen bezeichnete dieses Projekt unter anderem als „Hommage an die Menschlichkeit“ (Die grüne Lüge, S. 63) - mit Blick auf die tatsächliche Wirkung des Projektes ein ziemlich übertriebenes Eigenlob.

Doch es gibt noch andere Ansätze, die ersichtlich machen, dass es sich bei der „Meeresplastik- Kampagne“ von Adidas um eine reine Greenwashing-Kampagne handelt. Mit Blick auf die Produktionszahlen wird zum Beispiel deutlich, welch unwichtige Rolle dieses Projekt in der Realität, vor allem im Verhätnis mit dem Aufwand der in der Werbung und Inszenzierung dessen steckt, spielt. Denn lediglich ein halbes Prozent aller jährlich hergestellten Kunststoffschuhe von Adidas werden aus Meeresplastik hergestellt (Die grüne Lüge, S. 65).

Nicht nur von Buchautorin Hartmann kann dieses Projekt also als Täuschungsversuch gegenüber den Kunden und Kundinnen gewertet werden. Anstatt wirklich etwas gegen den Ozeanmüll zu bewirken, unterstützt das Unternehmen diesen vielmehr unter seinem grünen Deckmantel, indem es für mehr Konsum und schließlich auch für mehr Produktion und Ressourcenverbrauch sorgt. Denn jeder soll sich ja am besten sofort einen neuen Plastikturnschuh kaufen, um die Ozeane zu retten. Für die Umwelt ist aber die beste Mode schließlich diejenige, die erst gar nicht hergestellt wird.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Adidas mit der Meeresplastik-Kampagne auf Greenwashing zurückgreift, indem unter anderem ein noch nicht einmal ganz ausgereiftes „Nachhaltigkeits-Projekt“ in übertriebener Art und Weise als „Heilsbringer“ inszeniert wird. Außerdem versucht der Konzern durch übertriebene Werbung für diese Kampagne beim Konsumenten den Eindruck zu erwecken, dass sie für ihre Produkte kaum noch oder gar kein neues Plastik verwenden, sondern auf „nachhaltiges Recyclingplastik“ umsteigen wollen. Dass dies jedoch nicht der Fall ist, belegen die Produktionszahlen.

Man kann also über dieses Projekt eindeutig sagen, dass es sich um Greenwashing seitens des Sportartikelherstellers handelt. Adidas ist natürlich bei Weitem nicht der einzige Fall von Greenwashing eines Konzerns. In der Textil-, Kosmetik- und Nahrungsmittelbranche gibt es noch viele weitere Beispiele, in denen Unternehmen ihr Image „grün waschen“. Ein paar von diesen Unternehmen, werden in folgendem Video kurz angesprochen:


Ein weiterer Fall von Greenwashing betrifft nicht "nur" ein einzelnes Unternehmen, sondern einen kompletten Industriezweig: Nämlich die Palmölindustrie.

Beispiel: Nachhaltiges Palmöl - Greenwashing der Industrie

In ihrem Buch beschäftigt sich Kathrin Hartmann noch mit weiteren Fällen, in denen Greenwashing von Industrie, Konzernen und Unternehmen angewandt wird. So geht es in einem Kapitel um die Palmölindustrie und wie diese versucht, ihr zerstörerisches Tun "grün" zu kaschieren. Auch das Magazin Spiegel berichtet über dieses Thema.

Palmöl ist einer der begehrtesten Rohstoffe der Welt und das meistproduzierte und zugleich billigste Pflanzenfett. Ungefähr 60 Millionen Tonnen werden pro Jahr verwendent. Es wird vor allem in Indonesien angebaut, wo riesige Regenwaldflächen gerodet werden, um Ölpalmplantagen anzubauen. In den letzten 20 Jahren hat sich der Konsum von Palmöl fast verdoppelt (Spiegel, 2015).

Seit dem Jahr 1990 wurde eine Fläche im Regenwald von Indonesien abgeholzt, die der Fläche der Bundesrepublik Deutschland gleicht. In den letzten knapp 30 Jahren hat sich die Waldfläche Indonesiens von knapp zwei Drittel auf knapp die Hälfte reduziert (Die Grüne Lüge, S. 87).

Im Jahr 2015 wurden in diesen Wäldern ca. 10 000 Feuer - legal und illegal - gezählt (Die Zeit, 2015). Es lässt sich also erahnen, welch zerstörerisches Potenzial unser übermäßiger Palmölkonsum für die indonesischen Regenwälder und deren Flora und Fauna birgt. Das Unternehmen „Wilmar International“ ist weltweit größter Verarbeiter und Vertreiber von Palmöl und verkauft das billige Pflanzenfett an Lebensmittelgroßkonzerne wie Nestle oder Unilever, welche dieses dann weiter verarbeiten (Spiegel, 2015). Es steckt also eine riesige Industrie hinter so einem auf den ersten Blick unscheinbaren Produkt.

Auf Druck der oft kritisierten Umweltschutzorganisation WWF wurde im Jahr 2004 der „Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO) gegründet. Eine freiwillige Initiative, die der Regenwaldzerstörung durch Palmölanbau „den Kampf ansagen“ sollte. Doch dieser Runde Tisch wird bis heute keineswegs, obwohl man eigentlich davon ausgehen könnte, von Umweltschutzorganisationen oder NGOs dominiert, sondern von Vertretern der Palmölindustrie wie beispielsweise „Wilmar International“ (Spiegel, 2015).

Der RSPO entwickelte ein Konzept des so genannten „nachhaltigen Palmöls“ und brachte dieses im Jahr 2008 unter dem eigens gegründeten RSPO-Siegel auf den Markt. Doch die Kriterien, um dieses Siegel für sein Produkt zu erhalten, sind keineswegs streng. So ist zum Beispiel nur davon die Rede, dass „besonders erhaltenswerte Wälder“ nicht abgeholzt werden dürfen. Auch gibt es keine unabhängige Kontrollbehörde, welche kontrolliert, ob die sowieso schon nicht gerade strengen Kriterien des RSPO eingehalten werden (Spiegel, 2015).

Es werden also seitens der Palmölindustrie mehrere für Greenwashing typische Verfahrensweisen angewandt. Zum einen wurde ein Runder Tisch eingerichtet, um der Welt und dem Konsumenten vorzumachen, dass man ernsthaft etwas gegen die Regenwaldzerstörung unternehmen wolle. Des weiteren wurde ein eigens angefertigtes Siegel gegründet, welches für „nachhaltiges Palmöl“ steht, aber aufgrund des Nichtvorhandenseins einer unabhängigen Kontrollbehörde und von strengen Regeln ohne große Mühe zu ergattern ist.

Ein letztes Kennzeichen, das erkennen lässt, dass man es bei der RSPO mit Greenwashing zu tun hat, ist die Tatsache, dass von „nachhaltigem Palmöl“ gesprochen wird, es jedoch überhaupt keine einheitlichen, systematischen Kriterien für ein „nachhaltiges Palmöl“ gibt. Anders gesagt: Es weiß kaum jemand präzise, was überhaupt unter "nachhaltigem Palmöl" zu verstehen ist und durch welche deutlichen Vorteile es sich gegenüber normalem Palmöl abgrenzt.

Es ist also kaum abzustreiten, dass die Palmölindustrie durch Greenwashing seitens der RSPO versucht, ihr eigenes Image zu verbessern. Der Konsument/ die Konsumentin wird schlussendlich durch ausgefeilte und aufwändige „grüne Lügen“ getäuscht und bekommt ein gutes Gewissen von Seiten der Palmölindustrie mitgeliefert.

Beispiel: Staatliches Greenwashing

Im dritten Beispiel soll es nicht direkt um Greenwashing seitens Unternehmen und Industrie gehen, sondern darum, wie auch staatliche Politik diese Strategie anwendet und legitimiert. In ihrem Buch widmet Hartmann auch diesem Thema ein Kapitel. Es geht um so genanntes „staatliches Greenwashing“.

Als Beispiele für staatlich gefördertes und durchgeführtes Greenwashing nennt Hartmann die von der Bundesregierung gegründete Website "Siegelklarheit.de" und den „CSR“. Eigenen Angaben zu Folge handelt sich bei erstgenanntem um eine Initiative der Bundesregierung, die es sich zum Ziel gemacht hat, „nachhaltiges Handeln“ zu stärken.

Das Portal soll demnach der/dem Konsumentin/Konsumenten helfen, ein „Bewusstsein zu schaffen“, ihr/ihm Info- und Recherchemöglichkeiten zu bieten sowie bei der „Marktdurchdringung“ mit Hilfe „anspruchsvoller Siegel“ zu unterstützen (Siegelklarheit.de). Es handelt sich also gewissermaßen um eine "Info-Page", bei der von Seiten der Bundesregierung verschiedene Siegel und Label miteinander verglichen werden, um somit den Konsumenten/innen einen besseren Überlick über die Qualität des Siegels zu verschaffen. Dabei werden eigenen Angaben nach Kriterien der Fairness, des Umweltschutzes und der Glaubwürdigkeit verwendet und miteinander aufgewogen (Siegelklarheit.de).

Dass diese Website dem Verbraucher einen klareren Blick durch die Siegellandschaft verschaffen soll, stößt unter anderem bei Kathrin Hartmann auf Ungläubigkeit. Ein Siegel gelte für das Portal der Bundesregierung bereits dann als „sehr gute Wahl“, wenn nicht einmal die sozialen oder ökologischen Mindestanforderungen alle erfüllt seien. Stattdessen müsse man nur in einer der beiden Rubriken „Umwelt“ oder „Soziales“ ausreichend gute Ergebnisse erzielen, um von der Homepage eine positive Bewertung für sein Siegel zu bekommen (Die grüne Lüge, S.127).

Siegel, die den Sozial- und Naturschutzstandards nicht entsprechen, werden also nicht nur nicht verboten, sondern bekommen obendrein auch noch die Chance, sich mit Minimalaufwand eine gute Bewertung von „Siegelklarheit.de“ abzuholen. Unternehmen, die beispielsweise gegen Umweltschutzabkommen verstoßen, werden also von der Politik keineswegs abgestraft. Stattdessen versucht die Politik indirekt, diesen Unternehmen einen grünen Anstrich zu verpassen, indem sie deren Siegeln zum Beispiel eine hohe Glaubwürdigkeit bescheinigt.

Begründet wird dies von Seiten der Regierung damit, dass es schlussendlich der Verbraucher sei, welcher entsprechend seiner Wert- und Normenvorstellungen mit Hilfe der Website „Siegelklarheit.de“ selber entscheiden könne, welchem Label er vertraue und welchem nicht (Die grüne Lüge, S. 126).

Ein weiteres Beispiel für staatliches Greenwashing, diesmal im Rahmen internationaler Politik, stellt das „Grünbuch Europäischer Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen der EU“ (CSR) dar. Unter CSR ist die „gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens“ zu verstehen. Sie umfasst die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft (CSR Deutschland).

Der CSR ist zudem Partner des deutschen Nachhaltigkeitspreises, welcher Unternehmen auszeichnet, die nach Vorstellung der Bundesregierung wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Verantwortung und Schonung der Umwelt verbinden und nachhaltiges Handeln zu weiterem Wachstum nutzen (Die grüne Lüge, S.133).

Hartmann sieht das Greenwashing beim CSR vor allem darin, dass es ein Konzept sei, welches auf Freiwilligkeit beruhe. Denn die CSR sehe ihre Aufgabe darin, ein Umfeld zu schaffen, welches Unternehmen dazu veranlasst, freiwillig ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen (Die Grüne Lüge, S. 132f.).

Bei genauerem Nachdenken wird einem schließlich auch selbst bewusst, warum der CSR als staatliches Greenwashing angesehen wird. Dadurch, dass die Einhaltung des Konzeptes der Kommission auf Frewilligkeit beruht, macht sich die Kommission von selbst überflüssig. Denn kann man auch nur von einem Unternehmen erwarten, sich an soziale Standards zu halten, wenn diesem bei Nichteinhaltung oder Verstoß nicht einmal eine Strafe droht? Wohl eher nicht. Schließlich ist Gewinnmaximierung und Wachstum seit jeher oberstes Gebot für Unternehmen und Wirtschaft. Daran ändert eine auf Frewilligkeit basierende Kommission auch nichts.

Man kann bei genauem Hinsehen jedoch erkennen, welche Absichten die EU-Staaten bei der Gründung ihrer Kommission vermutlich im Blick hatten. Zum einen wollte man wohl die Wirtschaft und das bisherige System stärken, in dem es Unternehmen leichter gemacht wird, das Vertrauen der Kunden und Kundinnen zu gewinnen, indem diesen vermittelt wird, dass Unternehmen bei der Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards auf die Finger geschaut würde.

Auch Ludger Heidbrink schreibt in seinem Essay „Wie moralisch sind Unternehmen“ , dass es genügend Beispiele von Unternehmen der CSR gibt, welche ihre sozialen Verantwortlichkeiten aufgeben, sobald sich diese für sie nicht mehr rechnen. Es sei deshalb auch umso entscheidender, dass Unternehmen eine Kultur der Eigenverantwortung entwickeln, die dazu beiträgt, dass auch dann moralische und ökologische Standards eingehalten werden, wenn diese ökonomische Belastungen mit sich bringen (Bundeszentrale für politische Bildung: Wie moralisch sind Unternehmen?).

So lange also die Unternehmen nicht von selbt damit anfangen, den Standards bedingungslos gerecht zu werden und somit ihre Unternehmensphilosophie von maximalem Gewinn und Wachstum zu verändern und solange der CSR auf Freiwilligkeit beruht, kann man der Kommission wohl getrost den Nutzen absprechen und ihr sozusagen das "Greenwashing"-Siegel anheften.

Zwischenfazit

Es zeigt sich also, dass es bezüglich des Greenwashings mehrere Ebenen gibt. Es gibt Greenwashing seitens einzelner Konzerne und Unternehmen, ganzer Industriezweige und sogar von staatlicher Hand. Natürlich sind all diese Ebenen voneinander abhängig und dienen wohl letztendlich der Legitmierung des "Hier und Jetzt". Greenwashing als Erfolgsprinzip kann wohl nur so lange so profitabel und erfolgreich sein, so lange die Politik dieses von staatlicher Seite aus noch fördert, wie sie es bereits jetzt tut.

Man kann in jedem Fall sagen, dass es nötig ist, mit offenen Augen der grünen Werbung, den Kampagnen und den grünen Siegeln zu begegnen, um sich nicht manipulieren zu lassen. Denn es ist nicht alles grün, was danach aussieht. Es stellt sich also dabei die Frage, ob und wie es für Konsumenten und Verbraucher überhaupt möglich ist, der Strategie „Greenwashing“ entgegenzuwirken.

Ist eine Zukunft ohne Greenwashing möglich?

In seinem Aufsatz mit dem Titel „Wie moralisch denken Unternehmen“ geht Ludger Heidbrink bereits auf einen zentralen Aspekt ein, worauf eine Zukunft ohne Greenwashing seiner Meinung nach grundlegend basiert. Für ihn steht außer Frage, dass Unternehmen sowohl ihrer sozialen als auch ihrer ökonomischen Verantwortung gerecht werden müssen, denn erst wenn Konzerne überhaupt Gewinne erzielen würden, könnten sie auch moralisch agieren. Moralische Prinzipen zur Gewinnerzielung einzusetzen, wie es beim Greenwashing der Fall ist, ist für Heidbrink keineswegs direkt verwerflich, solange sich dabei an sozial- und umweltrechtliche Grundregeln gehalten wird.

Er sieht darin, dass Unternehmen durch Ethik zum Erfolg kommen, sogar die Chance für Unternehmen, Vertrauen zu gewinnen und dadurch sogar ihre wirtschaftliche Produktivität zu steigern. Für Heidbrink liegt es in der Verantwortung der Unternehmensführung und des Konsumenten, moralisch zu handeln und Moral als festen Bestandteil der Unternehmenspolitik zu verankern (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: „Wie moralisch sind Untenehmen, S. 5).

Es lässt sich daraus also ableiten, dass für Heidbrink Greewashing dadurch eingedämmt werden kann, dass Moral zum festen Bestandteil des wirtschaftlichen Handelns auf jeglicher Ebene wird und sogar auch unter ökonomischer Belastung eingehalten wird.

Für Hartmann hingegen ist es von oberster Priorität, gemeinsam, im globalen Kollektiv, den grünen, unternehmerischen Lügen entgegenzutreten. Dafür sollten wir ihrer Meinung nach erst einmal aufhören, diesen überhaupt Glauben zu schenken. Darüber hinaus spricht sie den Unternehmen indirekt die Fähigkeit ab, sich an moralischen Prinzipien zu orientieren. Grüne Lügen seien nämlich Teil des kapitalistischen Systems und Unternehmen keine Personen mit Gewissen, welche aus Erkenntnis heraus nach ethischen Prinzipien handeln (Die grüne Lüge, S. 213).

Während Heidbrink in seinem Aufsatz also die Moral als entscheidende Variable zur Beseitigung von Greenwashing beschreibt, sieht Hartmann darin eher keine Chance, da Unternehmen sich ihrer Meinung nach niemals bedingungslos an moralische Grundsätze halten würden, vor allem wenn daraus eine unternehmerische Belastung resultieren würde.

Für Hartmann ist die Eindämmung der Macht "grüner Lügen" mit nicht weniger verknüpft als mit der Abschaffung des bestehenden kapitalistischen Systems, welches eben nunmal grundsätzlich auf Wirschaftswachstum und Gewinnmaximierung ausgerichtet und eher sekundär an der Einhaltung von moralischen Prinzipien interessiert ist. Um das System der grünen Lügen zu brechen und somit auch Naturausbeutung und Umweltzerstörung sowie Menschenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten, sei also eine Vereinigung der vielen Unprivilegierten des globalen Südens gegenüber den Privilegierten des globalen Nordens nötig (Die grüne Lüge, S. 214).

In zwei Sätzen begründet Hartmann ihre Überzeugung, dass ein gemeinsames „Aufstehen“ gegen das bisherige System erfolgreich sein kann:
„Ob Proteste oder Initiativen nun (sofort) erfolgreich sind oder nicht: Sie bringen Menschen zusammen, sie schaffen Solidarität und Mut und die Möglichkeit, voneinander zu lernen, Wissen und Bewusstsein zu schaffen und aus den Rückschlägen neue Strategien zu entwickeln. (...) Ohne den hartnäckigen und Jahrzehnte andauernden Widerstand gegen Atomkraft gäbe es heute in Deutschland keine Energiewende und statt 25 satte 80 Atomkraftwerke" (Die Grüne Lüge, S. 215).
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk bekräftigte Hartmann diese Aussagen nochmal. Man müsse der Politik als Bürger entgegentreten und nicht als Konsument. Es sei wichtig, sich aus der Hilflosigkeit zu befreien, welche vor allem durch das von Konzernen verursachte Greenwashing verursacht und gefördert wird. Denn eben diese Hilflosigkeit sei es, die den Konzernen so wahnsinnig nützen würde (Deutschlandfunk).

Unter der Bedingung, dass wir als Bürger den grünen Lügen, seien sie in Form von leeren Phrasen, übertriebenen Werbekampagnen oder auch von falschen Gütesiegeln, keinen Glauben mehr schenken, wäre für die Buchautorin die Durchsetzung eines neuen, auf Moral basierenden, anti-kapitalistischen Systems die Lösung für ein Ende der Naturzerstörung und des damit verbundenen Greenwashing. Ob dies in der Zukunft möglich ist, hängt schließlich vom Bürger selbst ab und in welchem Umfang dieser sich gegen die vorhandenen politischen Voraussetzungen zur Wehr setzt.

Wenn Hartmann also dieser Tage die Nachrichten verfolgt, dürfte sie mit Sicherheit zuversichtlicher sein. Denn in der aktuellen „Fridays for future“-Bewegung versammeln sich immer mehr Menschen, vorwiegend jungen Alters, um gegen die bestehenden Verhältnisse und die ausbeuterische Poltik zu protestieren. Es wird also genau das bereits praktiziert, worin sie die einzige Chance für den Erhalt des „globalen Glücks“ sieht.

Dass es jedoch auch bereits Ansätze gibt, wie eine gerechte, umweltschonende, moralische Lebensweise im 21. Jahrhundert aussehen kann, zeigt das Beispiel der Stiftung „Futur zwei“, von welcher das folgende Kapitel handeln soll.

Beispiel: Stiftung „Futur zwei“

Es steht außer Frage, dass sich der Sinn unternehmerischen Handelns wandeln muss: Wie kann man das Leben und das Wirtschaften so verändern, dass es sich an moralischen Prinzipien orientiert? Die Stiftung „Futur zwei“ erzählt Geschichten davon, dass solche Veränderungen gelingen können. Sich selbst beschreibt die Stiftung als gemeinnütziges Projekt, welches sich für eine zukunftstaugliche, offene und enkeltaugliche Gesellschaft einsetzt (Futurzwei.org).

Der Soziologe Harald Welzer hat sich in seinem Text „Wiedergewinnung von Zukunft - Geschichten des Gelingens“ mit dieser Stiftung auseinandergesetzt. „Futur zwei“ zeige auf, dass Veränderungen nicht nur gelingen, sondern auch Spaß machen und somit ein Gewinn an Lebensqualität bedeuten können.

Den Akteuren, von denen in „Futur zwei“ berichtet wird, gehe es im Gegensatz zu konventionellen Unternehmen nicht um „Greenwashing“, sondern viel mehr um eine ganz neue Definition des "unternehmerischen Zwecks" (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Wiedergewinnung von Zukunft, 2012).

Als Beispiel hierfür nennt Welzer den Schweizer Textilunternehmer Patrick Hohmann, der es sich mit seiner Remei AG nicht wie konventionelle Unternehmen zum Ziel gesetzt hat, die Zahl jährlich verkaufter T-Shirts zu steigern, sondern die Zahl derjenigen bäuerlichen Familien, denen durch seine Lieferverträge eine autonome Existenz ermöglicht wird.

Des weiteren sei auch die von dem Aktivisten Christian Felber entwickelte Idee der Gemeinwohl-Ökonomie als symptomatisch für eine Veränderung des unternehmerischen Denkens zu betrachten. Es gehe dabei nicht mehr um die Steigerung des Gewinns, sondern um die Steigerung des Gemeinwohls (vgl.BpB: Wiedergewinnung von Zukunft, 2012). Dadurch, dass mit neuen und nachhaltigen Formen des Wirtschaftens experimentiert werden würde, entstünde der Effekt, dass sich Partikularinteressen in einen Allgemeinnutzen transformieren würden, was gleichzeitig das Gegenteil von Greenwashing bedeuten würde (vgl. BpB, Wiedergewinnung von Zukunft, 2012).

In seinem bereits 2012 verfassten Text über die "Geschichten des Gelingens" wagt Welzer auch einen Ausblick in die Zukunft: Es fehle der Gesellschaft noch am politischen Rahmen, in den diese "Experimente des Gelingens" gestellt werden könnten. Experimente seien dann politisch, wenn diese nicht (nur) als bessere, sondern vor allem als andere Praxis verstanden werden würden. Dabei gehe es beispielsweise nicht um effizientere Motoren, sondern vielmehr um eine andere Kultur der Mobilität. Es gehe nicht um Bioäpfel aus Neuseeland, sondern es gehe um eine andere Kultur des Essens (vgl. BpB: Wiedergewinnung von Zukunft, 2012).

Für Welzer ist es also, ähnlich wie für Hartmann, von zentraler Bedeutung, dass sich das unternehmerische Denken wandelt. Vom Gewinnstreben hin zum Gemeinwohlstreben. Dafür sei jedoch ein gesellschaftspolitischer Wandel von Nöten. Ein Wandel in den Köpfen der Menschen und in deren Lebensweise.

Auch Heidbrink stimmt dahingehend überein, dass sich das unternehmerische Denken hin zum moralischen Denken wandeln muss, Jedoch sieht er, anders als Hartmann und Welzer, eine Vereinbarkeit zwischen ökonomischem Streben und moralischen Richtlinien. Für Welzer und Hartmann ist diese Vereinbarkeit nicht möglich. Sie sehen nicht weniger als ein neues Wirtschaftssystem, welches nicht auf Wachstum und Gewinnstreben ausgerichtet ist, als unumgänglich an, um die Natur zu retten und die Macht der "grünen Lügen" zu brechen.

Fazit

Die "grüne Lüge" hat viele Gesichter. Sie ist oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen und versucht mit verschiedenen Mitteln, den Konsumenten bei seiner Kaufentscheidung zu manipulieren. Es gibt viele Beispiele dafür, wie Unternehmen, Industrie und Politik dafür sorgen, den bisher bestehenden, oft zerstörerischen Verhältnissen ein „grünes Gewand“ zu verleihen, um diese zu legitmieren.

Es ist schwer, sich gegen dieses System der grünen Lügen zu wehren, es ist aber zugleich notwendig, um uns selbst vor dem Kollaps der Ökosysteme zu schützen. Daher lohnt es sich zu protestieren und eine Veränderung des aktuellen Zustandes hin zu einem System, welches auf moralische Prinzipien mehr wert legt als auf Wachstum und Gewinn, anzustreben.

Sich im Rahmen dieser Seminararbeit mit dem Thema Greenwashing auseinanderzusetzen, war zugleich spannend, interessant, aber auch in gewisser Weise beängstigend. Vor allem ist es oft "schwere Kost", über die Machenschaften von staatlicher Seite aus zu recherchieren und zum Beispiel zu lesen, in welcher Weise die Bundesregierung Umweltschutz dem Wirtschaftswachstum unterordnet und den Erhalt des bisherigen Systems um jeden Preis anstrebt.

Dass es der Bundesregierung so wichtig ist, dieses System zu legitimieren, dass sie dafür sogar das Risiko in Kauf nimmt, vor dem eigenen Bürger die Glaubwürdigkeit zu verlieren, zeigt zum einen den riesigen Einfluss von Lobbys und Industrie auf die gesamte Weltpolitik und zum anderen, wie schwer oder gar unmöglich es sein wird, die vorhandenen Machtstrukturen so zu verändern, dass die Umwelt vor der Konsumgeilheit des globalen Nordens nicht entgültig kapituliert.

Daher sehe ich es als von zentraler Bedeutung an, dass das Thema Greenwashing mehr in die Öffentlichkeit getragen wird und die Leute immer mehr und besser über das ganze System der „grünen Lügen“ informiert werden. Auch aus diesem Grund empfinde ich das Buch „Die grüne Lüge“ als absolut informativ, lesenswert und wichtig an.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die diese Seminararbeit beschreibt, ist die vor allem von Harald Welzer und auch Hartmann vertretene Meinung, dass es einen gesellschaftspolitischen Wandel oder gar eine gesellschaftspolitische Revolution des globalen Südens braucht, um die bestehenden katastrophalen Verhältnisse noch zum Guten zu wenden.

Es kommt nicht darauf an, dass immer neue und effizientere Technologien entwickelt werden. Es kommt auch nicht darauf an, dass Produkte schneller produziert werden, so lange wir in dem System des Wachstums und der Gewinnerzielung gefangen sind. Selbst das "nachhaltigste Produkt" ist in diesem System auf Wachstum angewiesen, um zu "überleben". Daher kommt es darauf an, dass sich dieses System, also unsere Kultur des Wirtschaftens wandelt. Erst dann hat die Welt die "grünen Lügen" überstanden.

Quellen:

Videos:
  • Adidas "save the oceans"- Kampagne: https://www.youtube.com/watch?v=FopFGI2rc-4
  • Die grüne Lüge- Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=cP_nmUZQKLI&t=1s
  • NDR- Beitrag "Greenwashing: https://www.youtube.com/watch?v=T5Qt9CBSitA

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