Montag, 12. Februar 2024

Wasserstoff-Hype: FDP-Fetisch oder Chance auf emissionsarme Energie?

Ein Beitrag von Tarkan Davarci 

Wasserstoff als Schlüssel zur Dekarbonisierung und als Heilsbringer zur Erreichung der Klimaziele – Technik und Markt würden dieses Problem lösen, so die FDP. Die Erwartungen der FDP sind hoch. Nicht nur E-Fuels sind hoch im Trend, auch Gasheizungen sollen immenses Potential für den Betrieb mit Wasserstoff bieten.

Wasserstoff hat in den letzten Jahren nicht nur verstärkt das Interesse der FDP auf sich gezogen, sondern auch Regierungen, Unternehmen und die breite Öffentlichkeit schauen hin. Als potenziell emissionsarme Energiequelle wird Wasserstoff vermehrt als Lösung für die globalen Herausforderungen des Klimawandels und der Energiewende gepriesen. Doch die Frage bleibt bestehen: Ist der Wasserstoff-Hype lediglich auf politisches Drängen der FDP in den Fokus gerückt oder birgt Wasserstoff eine reale Chance, unsere Energieversorgung und energieintensive Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten?

Während die Erwartungen hoch sind, gibt es auch Realitäten, die die Einführung von Wasserstoff als saubere Energiequelle verlangsamen. Die Wasserstoffwende, die als Hoffnungsträger für eine nachhaltigere Energiezukunft gilt, scheint überhastet, verspätet, teuer und kompliziert zu sein – eine komplexe Herausforderung, die nicht unterschätzt werden darf.

Die Klimaverträglichkeit der Wasserstoffumstellung hängt maßgeblich davon ab, wie dessen Herstellung erfolgt. 2020 wurden 55 bis 60 Terawattstunden (TWh) Wasserstoff in Deutschland verbraucht – aktuell hauptsächlich und ausschließlich in der Chemieindustrie ein gefragtes Gut. Ein Vergleich zur groben Einordnung: Im Jahr 2020 betrug die gesamte Bruttostromerzeugung in Deutschland 566,2 TWh.

Aktuell stammt über 90 Prozent des in Deutschland genutzten Wasserstoffs nach wie vor aus chemischen Prozessen, bei denen Erdgas, Erdöl oder Kohle als Ausgangsmaterial eine Grundvoraussetzung darstellt. Diese enorme Aufwendung von fossilen Ressourcen feuert den Anstieg der Treibhausgasemission förmlich an, da scheint die Begrifflichkeit des „grauen“ Wasserstoffs vielleicht nicht ganz treffend – „schwarzer“ Wasserstoff dann doch eher.

Schaffen wir es jedoch, dass Wasserstoff mithilfe von Ökostrom in einem Elektrolyseur erzeugt wird, spricht man von "grünem" Wasserstoff. Da scheint der Ruf nach einer Wasserstoffinfrastruktur dann gar nicht mehr so abwegig zu sein. Viele deutsche Windkraft-Rotoren werden bewusst aus dem Wind gedreht, um einen Blackout des Stromnetzes zu vermeiden, anstatt sie für die Erzeugung von grünem Wasserstoff zu nutzen – fachsprachlich wird das „aus dem Wind drehen“ als „Einspeisemanagement“ umschrieben. Von Januar bis März 2019 wurden so 3,23 Milliarden Kilowattstunden zwangsweise „Ge-Einspeisemanagement“. Die zum Stillstand verurteilten Windräder hätten 930.000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen können oder hätten für die Produktion von grünem Wasserstoff dienen können.

Grün sollte der Wasserstoff also sein, doch eben dieser bleibt erstmal ein knappes Gut. Bis 2030 strebt man jedoch an, eine beträchtliche Menge grünen Wasserstoffs bereitzustellen. Verschiedene Szenarien von Industrie und Forschung präsentieren diverse Vorhersagen. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung plant mit einem Volumen von ungefähr 110 TWh pro Jahr. Um diese Menge zu erzeugen, wäre nahezu die gesamte Strommenge erforderlich, die derzeit von Wind- und Solarparks erzeugt wird. Bis 2030 soll erneuerbare Elektrizität jedoch die Hauptenergiequelle in sämtlichen Bereichen werden – sei es für den Maschinenantrieb, das Heizen mittels Wärmepumpen oder den Einsatz von Elektroautos im Verkehr.

Infolgedessen geht die Bundesregierung davon aus, dass etwa zwei Drittel des Wasserstoffbedarfs durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden müssen. Diese Abhängigkeit scheint nichts Neues zu sein. Auch bisher mussten bereits zwei Drittel der in Deutschland verbrauchten Energie in Form von Öl, Gas und Kohle importiert werden. Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied: Wasserstoff wird voraussichtlich deutlich teurer sein als fossile Energie. Bei Preisen von 6 Euro pro Kilo wäre die Wasserstoffenergie gut doppelt so teuer wie unsere derzeitigen Kraftstoffe.

In Nationen mit reichlich vorhandener Wind- und Sonnenenergie könnten die Produktionskosten für Wasserstoff niedriger ausfallen. Allerdings könnte der kostspielige Transport per Schiff oder Pipeline dazu führen, dass der Preis letztendlich in ähnliche Höhen steigt. Dennoch ist klar: Wasserstoff wird teuer und knapp. Den erneuerbaren Strom direkt zu nutzen, wird deutlich günstiger sein als der Umweg über den Wasserstoff. Ob das den FDP-Wähler:innen gefallen wird?

Die FDP setzt – ganz im Gegensatz zu den meisten Experten, Verbänden und Thinktanks – darauf, dass die enorme Nachfrage und Milliardeninvestitionen weltweit den grünen Wasserstoff sehr schnell ausreichend verfügbar machen werden. Auch wenn mich der maßlos übersteuerte Fetisch nach Wasserstoff-Investitionen der FDP nicht überzeugt, bleibt dennoch festzuhalten: ohne Wasserstoff wird es auch nicht funktionieren. Im Gegensatz zur „Schwarzen-Null-Politik“ der FDP muss gesagt werden: es sollte uns kein Preis zu teuer sein im Kampf um den Erhalt unserer Erde, im Kampf um den Erhalt des guten Lebens.

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